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Joe Biden vor der UNO
«Wir werden solidarisch gegen Russlands Aggression stehen»

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Er kam sofort zur Sache. «Lassen Sie uns offen reden», sagte Joe Biden, «ein permanentes Mitglied des UNO-Sicherheitsrats hat seinen Nachbarn überfallen.» Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine habe zum Ziel, diese als Staat auszulöschen. «Es ist ein brutaler, unnötiger Krieg», sagte er, «es ist ein Krieg, den ein einzelner Mann gewählt hat.» So direkt reden US-Präsidenten selten vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen. (Lesen Sie unsere Analyse zur Eskalation: Jetzt setzt Putin alles auf eine Karte.)

Nach Wladimir Putins Ankündigung einer teilweisen Mobilmachung hatte Biden laut einem Beamten im US-Aussenministerium seine Rede am Vormittag noch etwas aktualisiert und zugespitzt. Ergebnis war ein Vortrag, der eine eindeutige Dualität herausarbeitete: dort der Schurkenstaat Russland, hier die Vereinigten Staaten, die als moralischer Führer in der Welt vorangehen wollen. Dort die Autokratie, hier die Demokratie. Diese, sagte Biden, sei für ihn die deutlich beste Staatsform. Das konnte man auch als kleinen Wink in Richtung China verstehen.

Biden war ausserordentlich deutlich

Es war bemerkenswert, wie sehr Biden den Führungsanspruch der USA betonte. Das stand natürlich vor allem im Gegensatz zu seinem Vorgänger Donald Trump, der sich aussenpolitisch möglichst zurückziehen wollte (und bei seiner ersten Rede vor der UNO ausgelacht wurde). Es ging aber auch darüber hinaus, was die Regierung von Barack Obama bei solchen Gelegenheiten verkündete, in der Biden bekanntlich Vizepräsident war. «Wir sind keine passiven Beobachter der Geschichte», sagte Biden, «wir sind die Autoren der Geschichte.»

Biden sprach auch ausführlich über den Klimawandel, den es gemeinsam zu bekämpfen gelte. Er sprach von den Überflutungen in Pakistan und den Dürren in manchen afrikanischen Ländern. Zudem sprach er über den Hunger in der Welt. «Wenn Eltern ihre Kinder nicht ernähren können, hat alles andere keine Bedeutung», sagte er. Die USA würden 2,9 Milliarden Dollar für Ernährungsprogramme bereitstellen.

Im Zentrum seiner Ausführungen stand jedoch der Krieg in der Ukraine, auf den er immer wieder zurückkam. Wenn eine Nation ihre imperialistischen Ambitionen ohne Konsequenzen verfolgen könne, stelle das alles infrage, sagte Biden. Es gehe daher auch ums Prinzip. «Wir werden solidarisch an der Seite der Ukraine stehen», sagte er, «wir werden solidarisch gegen Russlands Aggression stehen. Punkt.»

«Wir sind keine passiven Beobachter der Geschichte, wir sind die Autoren der Geschichte»: US-Präsident Joe Biden am Mittwoch an der UNO-Vollversammlung in New York. 

Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich am Mittwoch zu den neuen Entwicklungen geäussert. Seit er vor der Generalversammlung gesprochen hatte, waren da gerade einmal zwölf Stunden vergangen. Die Welt war keine gänzlich andere an diesem sonnigen New Yorker Morgen, aber sie war noch einmal gefährlicher geworden. «Die jüngsten Entscheidungen der russischen Regierung sind ein Akt der Verzweiflung», sagte der Bundeskanzler, nachdem er im Bryant Park in Manhattan vor die Kameras getreten war, «Russland kann diesen verbrecherischen Krieg nicht gewinnen.» Nun mache Putin, mache Russland «alles nur noch viel schlimmer».

Das ist Scholz’ Subtext: Ihr mögt euch nicht alle für das Schicksal der Ukrainer interessieren, aber in Wahrheit geht es auch um euch.

Im Grunde knüpfte der morgendliche Kurzauftritt dort an, wo Scholz am Vorabend aufgehört hatte. Die erste Rede des Kanzlers vor der UNO war als bedeutende Ansprache angekündigt worden, nicht als «das übliche Abklappern der verschiedenen Regionen und Themen». Scholz wollte eine Anklage gegen den von Putin befohlenen russischen Angriffskrieg vorbringen, aber auch um Verbündete über den Westen hinaus werben. «Russlands Eroberungskrieg gegen die Ukraine ist durch nichts zu rechtfertigen. Präsident Putin führt ihn mit einem einzigen Ziel: sich der Ukraine zu bemächtigen», sagte Scholz, was man auch als Antwort auf etliche seiner Vorredner verstehen konnte.

Die Vertreter des Westens geisseln während der Generaldebatte den russischen Krieg. Doch viele der anderen wollen sich nicht festlegen. Sie äussern sich wie zum Beispiel Sheikh Tamim bin Hamad Al Thani aus Katar, der beide Seiten gleichermassen zu einer Waffenruhe aufruft und den Konflikt «komplex» nennt. Scholz findet hingegen, dass die Dinge relativ einfach liegen. Für die Welt stelle sich die Frage: «Schauen wir hilflos zu, wie manche uns in eine Weltordnung zurückkatapultieren wollen, in der Krieg ein gängiges Mittel der Politik ist?» Eine Ordnung sei das, «in der unabhängige Nationen sich ihren stärkeren Nachbarn oder ihren Kolonialherren zu fügen haben». Die Weltgemeinschaft dürfe «nicht die Hände in den Schoss legen, wenn eine hochgerüstete, nukleare Grossmacht Grenzen mit Gewalt verschieben will». Dafür gebe es nur ein Wort: «Das ist blanker Imperialismus.» Scholz sagte zu Beginn ein paar Sätze auf Englisch, den Rest der 18 Minuten langen Rede hielt er auf Deutsch.

«Wir stehen fest an der Seite des Angegriffenen», versicherte auch Scholz. Es müsse gehandelt werden, wenn Russland in Mariupol, Butscha oder Irpin Kriegsverbrechen begehe. «Die Mörder werden wir zur Rechenschaft ziehen», versprach der Kanzler mit Verweis auf den Internationalen Strafgerichtshof. Und er appellierte: «Wenn wir wollen, dass dieser Krieg endet, dann kann es uns nicht egal sein, wie er endet.» Einen russischen Diktatfrieden werde Deutschland nicht akzeptieren «und auch keine Scheinreferenden». Die Ukraine müsse «Russlands Überfall abwehren können».

Auch diesmal aber vermied es der Kanzler, ausdrücklich einen Sieg der Ukraine herbeizuwünschen. Ohnehin scheint es ihm in New York vorrangig um die Folgen des Krieges für die globale Ordnung zu gehen. «Wenn wir unsere Weltordnung nicht gemeinsam verteidigen, weiterentwickeln und stärken, dann droht uns nicht etwa regelloses Chaos», warnte er, «sondern eine Welt, in der die Regeln von denen gemacht werden, die sie uns dank ihrer militärischen, ökonomischen oder politischen Macht diktieren können.» Das ist der Subtext, den der deutsche Kanzler nach New York mitgebracht hat: Ihr mögt euch nicht alle für das Schicksal der Ukrainer interessieren, aber in Wahrheit geht es auch um euch.

Am nächsten Morgen, im Bryant Park, sagt Scholz dann: «In der Welt, in der wir leben, muss das Recht über die Gewalt siegen und kann nicht die Gewalt stärker sein als das Recht.» Es gäbe nun Fragen, was das konkret bedeutet, etwa für deutsche Waffenlieferungen. Bevor die aber gestellt werden können, ist Scholz schon wieder weg.