Bundesrätinnen im SRF-«Club»«Wir waren nie im Machtrausch»
Corona, Frauenstimmrecht und Familienpolitik: Der TV-Auftritt der drei Magistratinnen war kreuzbrav – und gab doch Einblicke in ihre Zusammenarbeit im Kollegium.
Am 2. September feiert die Schweiz die Einführung des Frauenstimmrechts vor 50 Jahren. Darum lud SRF-Moderatorin Barbara Lüthi die drei höchsten Frauen des Landes am Dienstag in ihren anderthalbstündigen «Club» im SRF: Simonetta Sommaruga (SP), Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, Viola Amherd (Die Mitte, vormals CVP), Vorsteherin des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport – und damit die erste Frau, die in der Schweiz als Verteidigungsministerin amtet; und Karin Keller-Sutter (FDP), Justizministerin.
Hatten sie Vorbilder? Was prägte ihre Politik? Was haben sie erreicht, und was wollen sie noch verändern? Lüthi liess die drei Frauen in «Unsere Bundesrätinnen» Bilanz ziehen. Was dabei vor allem auffiel: Wie ähnlich die drei Frauen wirkten und wie harmonisch ihr Umgang untereinander schien, trotz aller politischen Unterschiede.
Das reichte von der praktischen Kurzhaarfrisur über die Farbwahl bei den Kleidern bis hin zu den flachen Pumps; vom Respekt für die Frauenrechtspionierinnen bis zur offen eingestandenen Lust daran, an den Schalthebeln der – demokratisch legitimierten und eingehegten – Macht zu sitzen; von der Herkunftsfamilie, die einem alles zutraute, bis hin zur unverheirateten Tante, die einem seinerzeit einen alternativen Lebensweg ausserhalb traditioneller Rollen aufzeigte.
Kurz: «Unsere Bundesrätinnen» bot nicht wirklich Stoff für spannende Fernsehunterhaltung in unseren an hitzige Schlagabtausche gewöhnte Zeiten. Aber dafür einen Einblick ins weibliche – man ist fast versucht zu sagen: schwesterliche – Miteinander an der Spitze unseres Landes.
Corona und das Bunderatskollegium
Die Corona-Krise habe die drei Frauen und den gesamten Bundesrat zusammengeschweisst, befand das Trio. Sommaruga hatte 2015 als Bundespräsidentin das Jahr der Terroranschläge und der Flüchtlingskrise durchstehen müssen und damals gedacht, ein krisenhafteres Jahr in diesem Amt gebe es kaum – bis sie 2020 wieder Bundespräsidentin war.
«Wir waren nie im Machtrausch», wehrte sich Keller-Sutter noch einmal im Nachgang gegen die Kritik, die es zeitweilig gab, als das Parlament aufgrund des Notrechts weniger zu sagen hatte. Egal, wie man in so einer Situation handle – in der man ja auf Sicht fahre und niemand die beste Lösung wisse: für die einen sei es zu wenig, für die anderen zu viel, bekräftigte Sommaruga.
«Was sich jedenfalls bewährt hat, ist das Kollegium», betonte Viola Amherd. Das habe zwar ellenlange Sitzungen zur Folge gehabt, aber eben auch massvolle Massnahmen; einen austarierten Umgang mit der Krise – Fehler inbegriffen.
Blick zurück: Der lange Weg zum Stimmrecht
Vom «kollektiven Lernen» ist auch Sommaruga überzeugt. Dass dieses manchmal gesamtgesellschaftlich sehr lange braucht, ist eine Kehrseite des Systems, die gerade auch die Geschichte der Frauenrechte prägt. Keller-Sutter erinnerte daran, dass die Schweiz 1848 quasi als demokratische Avantgarde in Europa unterwegs war, die Frauen dann aber bis 1971 aussen vor liess. «Und bis 1988 hiess es im Gesetz: Der Mann ist das Haupt der Familie», so Amherd. Sie sehe sich als Feministin, die sich von Kindheit an für Gerechtigkeit engagiere.
Sommaruga hat sich selbst zwar früher nicht als Feministin bezeichnet, sich aber früh in einem Haus für geschlagene Frauen engagiert: eine Erfahrung, welche die angehende Pianistin auch in Richtung Politik schob. Sie erkannte mit der Zeit, dass Freiwilligkeit für positive Veränderungen nicht immer als Motor ausreicht. Auch wenn das Frauenstimmrecht nur mit den Stimmen der Männer möglich wurde. Lohngleichheit und Gleichstellung: Ohne Gesetz bewegte sich da zu wenig.
Das hörte die freisinnige Keller-Sutter zwar nicht so gern: «Ich zweifle an Quoten.» Sie findet es trotzdem gut, dass die Chose durchkam. Und vergab in ihrem Ressort viele Stellen an Frauen, auch junge Mütter. Amherd sorgte in ihrem Team ebenfalls für eine bessere Durchmischung; sie will die gesamte Armee weiblicher machen.
Blick nach vorn: Frauen- und Familienfragen
Alle drei haben in ihrer Laufbahn erlebt, dass es nicht so einfach ist, gegen Männernetzwerke anzutreten, wo Jobs quasi unter der Hand weggehen. Und dass das Vorurteil, Frauen könnten bestimmte Sachen nicht, immer noch da und dort spielt; dass die Frauen sich oft erst beweisen müssen. Nein, ein weibliches Politisieren per se gebe es nicht, jede Frau habe ihre eigene Geschichte – und doch: Manche Erfahrungen machten typischerweise eben Frauen und brächten sie mit an den Tisch. Und das sei gut so.
Einfacher werden die Aufgaben, die jenseits von Corona anstehen, nicht: Von der andauernden Flüchtlingskrise über die Klimakrise bis zur Gewalt gegen Frauen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehen sich die Politikerinnen mit vielen Brennpunkten konfrontiert. Aber, und auch da waren sich die drei einig: Es lohne sich. Politische Gestaltung erfülle und sei ein grosses Privileg – das würden sie jungen Frauen gern vermitteln. Der Enthusiasmus war, trotz kreuzbravem Auftritt, durch den Bildschirm hindurch spürbar.
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