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Nachhaltige Hotels
«Wir erwarten vom Gast keine spartanische Lebensweise»

Dank des Neubaus aus Holz und Glas verfügt die Glocke in Reckingen nun über elf zusätzliche Zimmer, nach Minergie-Standard konzipiert und rollstuhlgängig.
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Kaum sind wir im beschaulichen Reckingen aus dem Zug gestiegen, meldet sich das Handy. Im ältesten Bergdorf des Goms gäbe es Essen zu retten, informiert die Anti-Foodwaste-App. Ein Lunchpaket beim Hotel Glocke – und damit eine von vielen Nachhaltigkeitsbestrebungen des Hotelierpaars. In der zweiten Generation führen Sonja und Sebastian Schmid, Eltern dreier schulpflichtiger Kinder, das im Winter vor allem bei der Langlaufgemeinde, im Sommer bei Wanderern und Bikern beliebte Hotel.

Auch vor dem Hotel Militärkantine in St. Gallen, einem denkmalgeschützten Riegelhaus, herrscht emsiges Treiben. In der warmen Jahreszeit gehören Rasen und Spazierwege der Kreuzbleiche Hobbyfussballern und Fussgängern. Im Skateboardpark ist Action angesagt, dahinter rauscht der Stadtverkehr. «Der stört mich überhaupt nicht», meint Anna Tayler, Co-Geschäftsleiterin der «Mika», wie sie die einstige Offiziersunterkunft gerne nennt. «Das verleiht unserem Hotel doch ein urbanes Feeling.»

Im St. Galler Hotel Militärkantine wird grosser Wert auf Nachhaltigkeit gelegt.

Glocke und Militärkantine sind «Nachhaltigkeitsleader der Schweizer Hotellerie». So jedenfalls verkündet es die neu lancierte Vereinigung «Responsible Hotels of Switzerland». Sie umfasst 26 Hotels, die Zugehörigkeit ist mit zahlreichen Auflagen verbunden. «Unsere Mitglieder sind eigenständige, charakterstarke Betriebe an schönen Orten und von hoher Qualität. Alle übernehmen Verantwortung – jeder auf seine Weise», heisst es auf der Website. Eine Initiative, die Tourismusforscherin Monika Bandi Tanner begrüsst. «Ich gehe davon aus, dass es sich um eine Marketingkooperation mit ausserordentlich verantwortungsbewussten Betrieben handelt», so die Einschätzung der Expertin. Daher strebe man wohl auch einen exklusiven Kreis von Betrieben an. «Wir müssen jedoch weg vom Gedanken der Kür, hin zur Pflicht», sagt Bandi Tanner. Nachhaltigkeit, ist sie überzeugt, werde in der Hotellerie künftig Standard sein.

Freistehende Badewanne als Luxus

Der Check-In in Reckingen verläuft papierlos. Auf dem Zimmer – beheizbar mit Pellets – lässt sich mittels QR-Code das gewünschte Mass an Service festlegen. «Wir haben viele Gäste, die auch während eines längeren Aufenthaltes keine tägliche Reinigung erwarten», sagt Sonja Schmid. Dank des Neubaus aus Holz und Glas verfügt die Glocke nun über elf zusätzliche Zimmer, nach Minergie-Standard konzipiert und rollstuhlgängig. Barrierefrei ist auch der neue Wellnessbereich sowie der Kreativraum für Konzerte, Seminare, Yoga. Einmal wöchentlich gastiert hier der «Aabäsizz bim Gioco», im Rahmen dessen Bernhard Schmid Senior die Walliser Sagenwelt zelebriert. «Wir wollen auch etwas für die Region machen», meint die Hotelière.

Wer in der Militärkantine in St. Gallen eines der grösseren der 21 Zimmer bezieht, kann sich über eine freistehende Badewanne freuen. Ein Vollbad im nachhaltigen Hotel, ist das moralisch vertretbar? «Ob ein Gast ein Bad nimmt oder nicht, darauf kommt es nicht an. Viel wichtiger ist die Spülmaschine», sagt Anna Tayler mit Blick auf Effizienz und Standard der Küchen- und Reinigungsgeräte. Von den Gästen einen spartanischen Lebensstil zu erwarten, findet die St. Gallerin mit englischen Wurzeln sowieso falsch. «Nachhaltigkeit heisst für mich nicht Verzicht auf alles.»

Alle Zimmer in der Militärkantine sind mit auserlesenen Designmöbeln aus dem Norden bestückt, jedes individuell und doch ist eine gemeinsame «Sprache» erkennbar.

Abendessen in der Glocke. Zum Hauptgang gibt es Geschnetzeltes vom Gommer Rind mit Dinkelspätzli oder vegetarische Lasagne. Die Portionen sind nicht übermässig gross, das Service-Team verteilt unaufgefordert Nachschlag. Alles bio oder was?

«Wir nehmen lieber frisches, konventionelles Gemüse aus der Region, als Bio von weit her transportieren zu lassen», erklärt Sonja Schmid. Denn im Walliser Hochtal mangelt es am Angebot. «Nachhaltigkeit heisst für uns, die lokalen Produzenten zu unterstützen» fügt Sebastian Schmid an. Umso grösser ist die Freude, dass ein Weinbauer im Bekanntenkreis auf Bio umstellt.

Regional vor Bio

Ähnlich tönt es in St. Gallen, wo beim Fleisch Nähe und Vertrautheit Bio den Rang ablaufen. «Wir arbeiten mit einem Metzger aus der Stadt zusammen, der seine Bezugsorte kennt», erläutert Anna Tayler. Das Gemüse kommt derweil von einem Demeter-Hof in der Region. Als das Kollektiv aus vier Quereinsteigern das Hotel 2014 nach einer Sanierung eröffnete, habe man von Beginn an nach Nachhaltigkeitsprinzipien gehandelt.

«Für uns war das einfach normal», erzählt Anna Tayler – und meint damit nicht nur akribische Abfalltrennung, sondern auch das Schaffen von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für Geflüchtete und Personen auf dem zweiten Arbeitsmarkt. «Das war so selbstverständlich, dass wir nicht auf die Idee gekommen sind, es an die grosse Glocke zu hängen.» Die Mitgliedschaft bei der Hotelkooperation habe nun einen riesigen Prozess ins Rollen gebracht. «Dank des Kriterienkatalogs haben wir gemerkt, wo wir stark sind. Aber auch, wo es noch Optimierungspotenzial gibt.» Sehen, was man noch tun könnte, sich von anderen inspirieren lassen, Austausch unter Gleichgesinnten – darin erkennt die St. Gallerin einen der ganz grossen Werte der Vereinigung.