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Wikileaks-Gründer auf dem Weg nach Hause
Assange ist frei – was zum überraschenden Deal mit den USA bekannt ist

A protester reads a newspaper outside the High Court in London, Monday, May 20, 2024. A British court has ruled that WikiLeaks founder Julian Assange can appeal against an order that he be extradited to the U.S. on espionage charges.(AP Photo/Kin Cheung)
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Was ist passiert?

Überraschende Wende im jahrelangen Justizdrama um Julian Assange: Der Wikileaks-Gründer will sich schuldig bekennen im Rahmen einer Vereinbarung mit dem US-Justizministerium. Im Anschluss an sein Schuldbekenntnis und eine Verurteilung im Fall um Spionagevorwürfe solle er in seine Heimat Australien zurückkehren dürfen, hiess es in einem Brief des Justizministeriums, der am Montagabend (Ortszeit) bei einem Gericht eingereicht wurde.

Ein Brief des US-Justizministeriums an das US-Bezirksgericht beschreibt eine Einigung im Fall von Julian Assange.

Laut der von ihm gegründeten Enthüllungsplattform Wikileaks wurde Assange bereits am Montag aus einem Hochsicherheitsgefängnis in London entlassen, in dem er in den vergangenen fünf Jahren einsass. Dann habe er ein Flugzeug bestiegen und Grossbritannien verlassen, wie auf Videoaufnahmen zu sehen ist. (Lesen Sie weiter: Der Fall Julian Assange – Eine Chronologie der Ereignisse)

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Wie sieht der Deal aus?

Assange handelte mit dem US-Justizministerium eine Vereinbarung aus, wonach er sich in dem Spionageskandal teils schuldig bekennen will und ihm im Gegenzug eine weitere Gefängnisstrafe in den USA erspart bleibt, wie aus Gerichtsdokumenten hervorgeht, die am Montagabend US-Ostküstenzeit veröffentlicht wurden. Ein Gericht muss die Einigung allerdings noch absegnen. Assange soll dazu bereits an diesem Mittwoch um 09.00 Uhr (Ortszeit, 01.00 Uhr MESZ) vor einem Gericht in einem entlegenen US-Aussengebiet erscheinen: auf den Marianeninseln.

Gemäss Wikileaks soll es sich hierbei um die ersten Aufnahmen von Assange in Freiheit handeln.

Warum ein Gerichtstermin auf den Marianen?

Die Inselgruppe liegt im Westpazifik, nördlich von Assanges Heimat Australien, und steht unter Hoheitsgewalt der USA. In einem Brief des US-Justizministeriums heisst es, der Ort sei gewählt worden, da Assange nicht in die Vereinigten Staaten habe reisen wollen und die Inselgruppe nahe an Australien liege. Es werde erwartet, dass sich Assange bei dem Gerichtstermin am Mittwoch der Verschwörung zur unrechtmässigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig bekennen werde. Im Anschluss solle er nach Australien weiterreisen. US-Medien zufolge soll Assange zu gut fünf Jahren Gefängnis verurteilt werden – die er aber bereits in Grossbritannien verbüsst hat. Demnach wäre er in Kürze ein freier Mann.

Wo befindet sich Assange jetzt?

Das Flugzeug, in dem laut Wikileaks Julian Assange sitzt, ist am Dienstagabend nach einem mehrstündigen Zwischenstopp in Bangkok in Richtung Westpazifik gestartet. Die Chartermaschine vom Typ Bombardier fliegt von Thailands Hauptstadt zur Insel Saipan, die zu den Nördlichen Marianen gehört und ein Aussengebiet der USA ist. Das Flugzeug wird den Angaben zufolge am frühen Morgen (Ortszeit) erwartet. Auf der Plattform «flightradar24» war die Flugnummer VJT199, die Assanges Frau Stella und Wikileaks zuvor in sozialen Medien genannt hatten, die von Nutzern weltweit am meisten beobachtete Verbindung.

epa11435825 The plane carrying WikiLeaks founder Julian Assange is seen on the tarmac at the Don Mueang International Airport in Bangkok, Thailand, 25 June 2024. According to court filings in the US district court for the Northern Mariana Islands, US prosecutors said they anticipate Assange will plead guilty to the criminal count of conspiring to obtain and disclose classified documents relating to the national defence of the United States. A statement posted by WikiLeaks on the social media platform 'X' said Assange was freed from Belmarsh maximum security prison in the United Kingdom on the morning of 24 June, after having spent 1,901 days there. He was granted bail by the High Court in London and was released at Stansted Airport during the afternoon. He then boarded a plane and departed the UK to return to Australia. His wife Stella confirmed on X that 'Julian is free' and thanked supporters.  EPA/NARONG SANGNAK

Die Ehefrau von Julian Assange hat die Unterstützer des Wikileaks-Gründers zu Spenden aufgerufen. Weil er mit einer Chartermaschine von England über Thailand zu einem Gerichtstermin auf die Nördlichen Marianen geflogen werde, schulde er der australischen Regierung 520’000 US-Dollar (rund 485’000 Euro), schrieb Stella Assange am Dienstag auf der Plattform X. Es sei ihm gar nicht erlaubt gewesen, auf der Reise in das US-Aussengebiet im Pazifik und weiter in sein Heimatland Australien eine Linienmaschine zu nutzen. Stella Assange schrieb, jede kleine oder grosse Spende helfe.

Was wird Assange vorgeworfen?

Der 52-Jährige ist wegen Spionage in 17 Fällen und des Vorwurfs des Computermissbrauchs angeklagt, weil er vor fast 15 Jahren auf seiner Enthüllungsplattform Wikileaks eine Reihe von geheimen US-Dokumenten veröffentlicht hat. Die US-Regierung hat erklärt, Assanges Handlungen seien über die eines Journalisten hinausgegangen. Er habe geheime Regierungsdokumente veröffentlicht, die Menschenleben gefährdet hätten.

Assange veröffentlichte unter anderem diese Helikopter-Aufnahmen des US-Militärs. Darin ist zu sehen, wie die Helikopterschützen auf Zivilisten schiessen.

Anhänger Assanges sehen in ihm hingegen einen von der US-Verfassung geschützten Journalisten, der Fehlverhalten des US-Militärs im Irak und in Afghanistan enthüllt habe. Letzteres sei im Interesse der Öffentlichkeit gewesen. Bei einer Verurteilung ohne eine Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft könnten Assange wegen Spionage bis zu 175 Jahre Gefängnis drohen.

Wieso gerade jetzt?

Das ist unklar. Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Künstler und Politiker fordern seit langem Assanges sofortige Freilassung. Auch die australische Regierung hatte sich für die Freilassung ihres Staatsbürgers eingesetzt. US-Präsident Joe Biden weckte kürzlich etwas Hoffnung in diese Richtung. Er sagte auf die Frage, ob die USA ein australisches Ersuchen prüfen wollten, die Strafverfolgung gegen Assange einzustellen: «Wir erwägen das.» Es gab also zwar Anzeichen für eine mögliche politische Lösung – das Timing dafür überraschte nun jedoch.

FILE - Democratic presidential candidate former Vice President Joe Biden checks his watch during the second and final presidential debate Oct. 22, 2020, at Belmont University in Nashville, Tenn., with President Donald Trump. (AP Photo/Patrick Semansky, File)
Joe Biden

Assange hatte zuletzt in Grossbritannien Berufung gegen seine Auslieferung in die USA eingelegt. Eigentlich sollte darüber im Juli vor dem High Court in London verhandelt werden. Dieser hatte einem entsprechenden Antrag Assanges im Mai teilweise stattgegeben und damit eine unmittelbare Überstellung des 52-Jährigen an die USA abgewendet.

Wie geht es Assanges Ehefrau?

Stella Assange gab Einblicke in ihre Gefühlswelt: «Ehrlich gesagt ist es einfach unglaublich, es fühlt sich an, als wäre es nicht real.» Die vergangenen Tage hätten einen Sturm der Gefühle ausgelöst. Sie habe noch keine Zeit gehabt, zu besprechen, was das Paar nach der Freilassung tun werde. Priorität habe, dass Julian Assange «wieder gesund wird – er ist seit fünf Jahren in einem schrecklichen Zustand».

epa11415590 Stella Assange, wife of Julian Assange, co-founder of WikiLeaks, speaks during a protest in Castello square in Milan, Italy, 16 June 2024. Assange is currently being held in a maximum security prison in London amid a legal battle to avoid extradition to the United States.  EPA/Mourad Balti Touati

Stella Assange bestätigte eine grundsätzliche Einigung des Wikileaks-Gründers mit der US-Justiz. Im Rahmen der Vereinbarung werde sich der 52-Jährige in Bezug auf einen Anklagepunkt im Zusammenhang mit dem US-Spionagegesetz schuldig bekennen, sagte sie am Dienstag der BBC. Im Gegenzug muss der Australier nicht mehr in den USA ins Gefängnis. Der Deal müsse aber noch von einem Gericht auf dem US-Aussengebiet Nördliche Marianen im Westpazifik bestätigt werden, sagte seine Ehefrau. «Sobald die Richterin es unterzeichnet hat, ist es formell real.» Weitere Angaben zu den Einzelheiten der Vereinbarung machte sie nicht. Sie wolle nichts gefährden, sagte Stella Assange.

Die Anwältin und Aktivistin wartete mit den beiden gemeinsamen Kindern in Australien auf Assange. In einem Post auf X veröffentlichte sie ein Foto, das sie beim Videotelefonat mit ihrem Ehemann zeigt. «Julian rief gestern Abend (bei ihm tagsüber) vom Flughafen Stansted an», schrieb sie dazu.

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(Lesen Sie unser Interview mit Stella Assange: «Julian lebt in einer Zelle, 2 auf 3 Meter. Oft ist er 22 Stunden am Tag drinnen»)

Wie äusserten sich die Eltern?

Die Eltern des Wikileaks-Gründers zeigten sich erleichtert: «Ich bin dankbar, dass das Martyrium meines Sohnes endlich zu Ende geht», teilte Assanges Mutter Christine Assange am Dienstag in einer vom australischen Sender ABC veröffentlichten Erklärung mit. «Das zeigt die Bedeutung und Macht der stillen Diplomatie.»

Assanges Vater John Shipton sagte ABC Radio: «Es sieht so aus, als ob Julian sein normales Leben mit seiner Familie und seiner Frau Stella geniessen kann, so habe ich es verstanden». Es sehe so aus, als ob sein Sohn frei sein werde, um nach Australien zurückzukommen. Shipton dankte allen Unterstützern in Australien, die das möglich gemacht hätten, und auch Premierminister Anthony Albanese.

Wie reagieren die USA auf den Deal?

Die ersten Reaktionen fallen gemischt aus. Zwar sei das Worst-Case-Szenario abgewendet worden, trotzdem verbüsste Assange fünf Jahre Gefängnis für Aktivitäten, die Journalisten jeden Tag ausüben, meint etwa Jameel Jaffer, Direktor des Knight First Amendment Institute an der Columbia University, das sich für Pressefreiheit einsetzt. Jaffer warnte, dass das Ergebnis «einen langen Schatten auf die wichtigsten Arten des Journalismus werfen könnte, nicht nur in diesem Land, sondern auf der ganzen Welt.»

Währenddessen kritisierte der ehemalige US-Vizepräsident Mike Pence auf der Plattform X den Deal: «Es sollte für niemanden, der die Sicherheit unseres Militärs oder die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährdet, einen Deal geben, um das Gefängnis zu vermeiden. Niemals.»

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Wie reagiert Australien?

Australiens Premierminister Anthony Albanese sagte nach der Freilassung Assanges: «Ich möchte sagen, dass die australische Regierung Herrn Assange weiterhin konsularische Unterstützung gewährt hat, und zwar durch den Hochkommissar in Grossbritannien, Stephen Smith, der Herrn Assange bei seiner Ausreise aus Grossbritannien begleitete, und durch den Botschafter in den USA, Kevin Rudd, der ebenfalls wichtige Unterstützung leistet», so der Premierminister.

«Durch seine fortgesetzte Inhaftierung ist nichts zu gewinnen, und wir wollen, dass er nach Australien zurückgebracht wird», sagte Albanese. «Wir haben uns für die Interessen Australiens eingesetzt und alle geeigneten Kanäle genutzt, um ein positives Ergebnis zu erzielen.» Sobald das Gerichtsverfahren endgültig abgeschlossen sei, werde er sich eingehender äussern, betonte der Premier. Er hoffe, dass dies sehr bald der Fall sein werde.

AFP/DPA/jaw