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TV-Kritik: «Tatort»
«Wiedervereinigung» ist sein letztes Wort

Symbolträchtig arrangierte Leiche: Karow (Mark Waschke) und Rubin (Meret Becker) untersuchen den Tatort mit dem ermordeten Klaus Keller (Rolf Becker).
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Es waren einmal zwei Brüder, die haben jahrzehntelang nicht miteinander gesprochen. Einer lebte im Osten, war ein Verlierer der Wende. Der andere kam als Bauunternehmer im Westen zu Reichtum. Aber jetzt sind beide gestorben, gewaltsam. «Wiedervereinigung», ruft der eine, bevor er sich vom Dach stürzt.

Die Aufmerksamkeit der «Tatort»-Kommissare erweckt aber vorerst der andere: Der Unternehmer Klaus Keller wird an seinem 90. Geburtstag erschossen in der Wohnung aufgefunden. Um den Hals hängt ein Schild mit den Worten: «Ich war zu feige, für Deutschland zu kämpfen.» So hatte die Gestapo gerne Opfer gekennzeichnet, bevor sie diese in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges ermordete. Und Keller wollte in Israel eine Schoah-Gedenkstätte bauen.

Gummistiefel für die braune Scheisse

Vieles deutet beim Mord am 90-Jährigen also auf einen Anschlag von Neonazis hin. Wie der behandelt werden soll, sehen die Kommissare allerdings unterschiedlich. Die aus dem Westen stammende Nina Rubin (Meret Becker) will den Fall an den Staatsschutz weitergeben und sagt zum Kollegen: «Oder wollen Sie durch die braune Scheisse waten?» Der Ossi Robert Karow (Mark Waschke) nimmt die Sache eher pragmatisch und empfiehlt: «Gummistiefel!»

Es ist offensichtlich: «Tatort»-Routinier Christoph Darnstädt hat «Ein paar Worte nach Mitternacht» zur Ausstrahlung am Jubiläumswochenende des 30. Tages der deutschen Einheit geschrieben. Die Geschichte der verzweigten Familie Keller zwischen Ost und West wirkt deshalb über weite Strecken wie ein Konzept und nicht wie ein mitreissendes Drama. Die Wurzeln des Falls gehen dabei – natürlich – zurück bis zu den Nazis. Aber auch Modernes wie Hausbesetzungen und die Antifa-Bewegung werden verpackt. Das ist einfach überladen.

Familiensache? Der Schweizer Stefan Kurt (hinten) spielt den Sohn des Ermordeten, Marie-Lou Sellem seine Frau. 

Die Auflösung des Falles am Ende dagegen ist überraschend einfach. Auch schauspielerisch bleibt es bis zum Schluss interessant: Rolf Becker – der Vater der Kommissarin-Darstellerin – spielt mit Würde das westliche Familienoberhaupt. Der Schweizer Stefan Kurt als sein Sohn laviert gekonnt zwischen Geschäftsinteressen und Familie. Victoria Schulz schliesslich, einst von der Zürcher Regisseurin Stina Werenfels für die Hauptrolle in «Die sexuellen Neurosen unserer Eltern» entdeckt, ist als Freundin des Grosskindes ebenfalls eine Bereicherung.

Überhaupt: Rubin und Karow, die 2022 getrennt werden (Meret Becker hört auf), bleiben ein gutes «Tatort»-Gespann. Unter der Last der Geschichte verraten sie auch Persönliches: Als Karow damals nach dem Mauerfall erstmals in den Westen kam, kaufte er sich … nein, keine Banane. Sondern eine Stretchhose.