Krieg in der UkraineWiederaufbau mit blockierten Vermögen? So gross sind die Hürden
Die EU erwägt Wege, um russische Gelder für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden. Doch rechtlich und praktisch ist das schwierig.
Die Idee ist verlockend: Die EU könnte russische Oligarchengelder und die blockierten Milliarden der russischen Zentralbank für den Wiederaufbau der Ukraine einsetzen. Die internationalen Geldgeber müssten dann die Mittel nicht alle selber aufbringen, und das Regime in Moskau würde gleichzeitig für den Aggressionskrieg gegen die Ukraine zur Rechenschaft gezogen. Das wären sozusagen zwei Fliegen auf einen Streich. Doch die Umsetzung der Idee ist rechtlich und praktisch nicht ganz einfach.
Russland und seine Oligarchen müssten für die finanziellen Kosten aufkommen, sagte EU-Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen bereits im November. Sie schätzte die Schäden schon damals auf 600 Milliarden Euro. Der Wiederaufbau wird teuer, und ein Ende von Krieg und Zerstörung ist noch nicht in Sicht. Die Rechnung dürfte also am Ende deutlich höher ausfallen.
300 Milliarden Euro warten
Die EU und die sieben grössten Industriestaaten (G7) hätten zusammen 300 Milliarden Euro Devisen der russischen Zentralbank und rund 21,3 Milliarden Euro Oligarchengelder blockiert, sagt Ursula von der Leyen. Zusammen mit den G-7-Staaten will Brüssel ein internationales Abkommen ausarbeiten für einen Fonds, in den alle blockierten Gelder fliessen und dann investiert werden sollen. Die Gespräche laufen. In einer ersten Phase würden nur die Zinsen aus diesem Fonds für den Wiederaufbau in der Ukraine eingesetzt.
In einer zweiten Phase könnten auch die Milliarden im Fonds selber verwendet werden. Dies allerdings erst, nachdem die russische Führung für den Aggressionskrieg und für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor einem internationalen Tribunal verurteilt worden ist und die Sanktionen aufgehoben sind. Das Gericht müsste Russland zu Kriegsreparationen verurteilen.
Russland soll bezahlen
Russland müsse für die «schrecklichen Verbrechen» bezahlen, inklusive des Verbrechens, einen Aggressionskrieg gegen einen souveränen Staat lanciert zu haben, sagte von der Leyen. Sowohl die Frage der rechtlichen Basis des Fonds als auch, wie beziehungsweise vor welchem Gericht Russland eines Tages zur Rechenschaft gezogen wird, ist allerdings noch offen. Das EU-Parlament hat diese Woche in einer Resolution gefordert, dass ein internationaler Sondergerichtshof eingerichtet und Russland dort für Kriegsverbrechen in der Ukraine angeklagt wird.
Bisher sind die Gelder der Oligarchen und der russischen Zentralbank nur eingefroren. Es sei rechtlich problematisch, Gelder einer Zentralbank zu konfiszieren, sagten Experten. Im internationalen Recht gibt es dafür keine Grundlage. Es wäre womöglich ein gefährliches Präjudiz mit Blick auf die Stabilität der Finanzmärkte. Der Schritt dürfe nicht leichtfertig gegangen werden, sagte auch US-Finanzministerin Janet Yellen unlängst. Und wenn, dann nur koordiniert und womöglich mit neuer gesetzlicher Grundlage.
Neue Straftat
Erschwerend kommt hinzu, dass nicht ganz klar ist, wo sich genau die 300 Milliarden Euro Devisengelder der russischen Notenbank befinden. Dem Vernehmen nach ist das nur bei etwa der Hälfte der Summe einigermassen nachvollziehbar. Die EU treibt zudem Pläne voran, den Verstoss gegen Sanktionen in allen Mitgliedsstaaten zur Straftat zu machen. Bei Verstössen könnten dann Oligarchengelder einfacher konfisziert werden. Eine weitere Idee ist, eine Steuer auf russische Importe zu erheben und für den Wiederaufbau zu verwenden.
Vergleichbare Fälle, in denen blockierte Gelder auch konfisziert wurden, gibt es nicht wirklich. Zwar musste der irakische Diktator Saddam Hussein einst für seinen Überfall auf Kuwait den Opfern eine Kompensation in der Höhe von 52 Milliarden US-Dollar bezahlen. Dies allerdings auf Anweisung des UNO-Sicherheitsrats. Im Fall der Ukraine würde zumindest Russland einen solchen Schritt mit einem Veto blockieren.
Kanada prescht vor
In Kanada plant die Regierung, 26 Millionen US-Dollar einer Firma zu konfiszieren, die dem sanktionierten russischen Oligarchen Roman Abramowitsch gehören, wie die britische Zeitung «The Guardian» berichtete. Kanada hat dafür im vergangenen Frühjahr mit einem neuen Gesetz erst die Rechtsgrundlage geschaffen. Kanadas Finanzministerin Chrystia Freeland sagte, russische Oligarchen müssten die Konsequenzen für ihre Unterstützung von Wladimir Putins Krieg in der Ukraine tragen.
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