Vor Vaduz - FC ZürichWie viel von Blerim Dzemailis Mut tut dem FCZ gut?
Blerim Dzemaili ist der Leader, auf den der FC Zürich jahrelang gewartet hat. Die Frage ist nur, ob er sich nicht zu viel Verantwortung auf die eigenen Schultern packt.
Eigentlich hat sich das ja keiner auch nur in seinen wildesten Träumen ausmalen können. Klar, die Rückkehr des verlorenen Sohnes geht als gute Geschichte immer. Verklärte Erinnerungen an vergangene Heldentaten vermischen sich mit der Hoffnung auf bevorstehende. Alte Treueschwüre werden neu aufgelegt und Heimatgefühle aufgefrischt.
Alles Dinge, die auf der emotionalen Ebene ganz wunderbar funktionieren. Aber dass Blerim Dzemaili nach einem Jahr ohne Fussballspiel in den Beinen beim FC Zürich auf dem Feld gleich so einflussreich sein würde? Damit durften nicht einmal die grössten Optimisten im Club rechnen.
Zumal der Blick auf andere Rückkehrer zeigt, wie schwierig es Fussballer in ihrer letzten Karrierephase haben, mit den Bildern ihres jüngeren Selbst mitzuhalten, die in die Erinnerungen der Anhängerschaft eingebrannt sind.
Tranquillo Barnetta in St. Gallen oder Matias Delgado in Basel flogen nicht mehr wie die jungen Götter über den Rasen, die sie einst gewesen waren. Entsprechend hatten sie ihre liebe Mühe, all die vielen Hoffnungen zu erfüllen, die auf ihnen lasteten.
Hängt das Team zu sehr an einem einzelnen Spieler?
Und Dzemaili? Kommt mit seinen bald 35 Jahren zurück nach Zürich, kann nicht mal eine ausgedehnte Vorbereitung bestreiten und dominiert den Pulsschlag des FCZ trotzdem von Anfang an so, dass sich schon die bange Frage stellt: Ist das vielleicht schon zu viel? Hängt da eine Mannschaft bereits zu sehr an einem einzelnen Spieler?
Wobei das Dzemaili gegenüber natürlich etwas ungerecht ist. Er ist ja nichts anderes als der Anführer, nach dem sich der FCZ seit Jahren gesehnt hat.
Beim 4:1 in Basel übernahm er nach der Pause den Lead, als es darum ging, die Schwächen des FCB mit hohem Pressing auszunutzen. In St. Gallen weigerte er sich trotz einem deprimierenden 0:2 nach zehn Minuten, das Spiel verloren zu geben, und zwang so seine Mitspieler zur Trotzreaktion.
Und am Mittwoch gegen die Young Boys? Da wollte er unbedingt beweisen, dass die Zürcher mit ihm an der Spitze bereits so weit sind, dass sie dem Serienmeister aus Bern die Stirn bieten können. Prompt folgte ihm der Rest des Teams und ging mit wehenden Fahnen 1:4 unter.
«Da wollte Blerim sicher etwas zu viel»
«Da wollte Blerim sicher etwas zu viel», sagt Massimo Rizzo zwei Tage nach der Niederlage gegen YB. Aber der Trainer des FCZ ist weit davon entfernt, Dzemaili deswegen einen Vorwurf zu machen: «Das ist ja nichts Negatives – im Gegenteil. Es zeugt von seiner Persönlichkeit.»
Es wirkt auf den ersten Blick paradox: Aber dieselben Eigenschaften, die Dzemaili zum Matchwinner in Basel und St. Gallen machten, führten die Mannschaft auch in die höchste Niederlage der Ära Rizzo.
Rizzos grösste Leistung war bislang ja, dass die Mannschaft unter ihm nicht mehr an der latenten Selbstüberschätzung leidet, die den FCZ in den letzten Jahren immer wieder begleitet hat. Es ist eine neu gefundene Demut, die gegen YB nach einer halben Stunde plötzlich Risse bekam.
Rizzo sagt im Rückblick dazu: «Wenn du plötzlich das Gefühl hast, dass du auf Augenhöhe mit so einem Gegner spielen kannst, dann passieren Dinge wie beim 0:2 und dem 0:3.» Es waren Szenen, in denen die Zürcher nur noch daran dachten, den Rückstand wettzumachen. Und alle Gedanken an Absicherung vergassen.
Wie viel von Dzemailis Mut tut dem FCZ gut? Darauf muss Rizzo gemeinsam mit seinem neuen Leader eine Antwort finden.
«Man darf von Blerim nicht erwarten, dass er der Heilsbringer ist.»
Und dann müssen die zwei auch aushandeln, wie viel Last sich Dzemaili auf die Schultern packen soll in seiner Lust, diese Mannschaft zu führen. Seine ersten zwei Auftritte waren gerade darum so gut, weil der Mittelfeldmann seinen Teamkollegen Mitverantwortung übertrug und sie so besser machte. Gegen YB aber spielte er, als habe er das Gefühl, er müsse den FCZ ganz alleine durch schwere See führen.
Das aber ist selbst für einen alten Recken wie Blerim Dzemaili zu viel. «Man darf von Blerim nicht erwarten, dass er der Heilsbringer ist», sagt darum auch Yanick Brecher. Und der FCZ-Captain nimmt die anderen Spieler in die Pflicht, wenn er feststellt: «Blerim hat lange nicht gespielt, wir können nicht darauf warten, dass immer er den Karren aus dem Dreck zieht.»
Zum Beispiel am Samstag in Vaduz. Massimo Rizzo sagt zwar, Dzemaili werde sicher «dabei sein». Aber drei Einsätze in der Startformation in einer Woche, das dürfte für seinen Körper doch etwas gar viel sein. Für die anderen FCZ-Spieler bedeutet das: Sie haben die Chance zu beweisen, dass sie auch ohne Blerim Dzemaili zurechtkommen.
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