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Bislang 2500 Ansteckungen gemeldet
Wie sich die EM auf die Corona-Ausbreitung auswirkt

Die Uefa und die britische Regierung haben im Wembley in London 60’000 Zuschauer zugelassen: Fussballfans treffen vor dem Spiel Italien gegen Spanien massenweise beim Stadion ein (6. Juli 2021).
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Angesichts der Bilder von Stadien, in denen sich Tausende teils maskenlos jubelnde Fans in den Armen liegen, stellte sich immer wieder die Frage: Ist die EM 2020 ein Pandemie-Antreiber? Ja, sagt die EU- Gesundheitsbehörde ECDC nun. Nach neusten Daten ist die Zahl der Corona-Fälle in Verbindung mit der Fussball-EM stark angestiegen – auf 2500 Fälle. Fans aus sieben Teilnehmerländern sind demnach bisher betroffen. Auch Schweizer Fans haben sich angesteckt.

In der dritten Turnierwoche der Europameisterschaft ist gemäss ECDC ein erheblicher Anstieg im Vergleich zur Woche davor zu verzeichnen gewesen. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte Anfang Juli, dass die Kombination der Menschenmassen in den Austragungsstädten, das Reisen und die vermehrten Corona-Lockerungen die Zahl der Neuinfektionen in Europa um 10 Prozent angetrieben habe.

Ansteckungen auch in Pubs und Public Viewings

Schottland sei mit 1991 Fällen dabei am weitaus stärksten betroffen, sagte die zuständige ECDC-Direktorin Vicky Lefevre. Die schottische Mannschaft trug ihre EM-Gruppenspiele in Glasgow und im Londoner Wembley-Stadion aus. Von den Personen, die nach einem EM-Spiel positiv getestet wurden, waren 90 Prozent männlich, die Mehrheit war zwischen 20 und 39 Jahre alt.

Zwei Drittel der infizierten Personen gaben an, nach London gereist zu sein, um ihre Mannschaft beim Spiel gegen England am 18. Juni zu unterstützen. Insgesamt waren 397 davon im Wembley-Stadion, die anderen bevölkerten Public Viewings und Pubs in der Hauptstadt. Vermutlich haben sich viele Fans in engen Reisecars gegenseitig ansteckten, als sie selber noch nichts von einer Infektion wussten. Auch die Nationalmannschaften blieben nicht verschont: Nach dem sogenannten «Battle of Britain» musste sich der schottische Nationalspieler Billy Gilmour selbst isolieren, nachdem er positiv auf Covid-19 getestet worden war.

In Grossbritannien breitet sich die als ansteckender geltende Delta-Variante des Virus stark aus. Die Ansteckungen müssen jedoch nicht unbedingt im Wembley-Stadion passiert sein. Denn Nicht-Geimpfte müssen einen negativen Selbsttest vorweisen, der nicht älter als 48 Stunden ist, um reingelassen zu werden. In dieser Zeitspanne ist es durchaus möglich, dass sich Fans auch bei der gemeinsamen Anreise angesteckt haben.

Auch Schweizer Fans betroffen

Laut ECDC seien in Finnland zuletzt 436 Fälle registriert worden, vor allem nachdem Finnlands Fussballer in St. Petersburg spielten. Viele Finnische Fans reisten dabei mit dem Auto zur grenznahen russischen Metropole, wobei Kontrollen durch Flugreisen wegfielen. In Russland ist die Delta-Variante besonders verbreitet. Die Behörden registrierten am Sonntag mehr als 25’000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden – so viele wie seit Anfang Januar nicht mehr. Im Delta-Hotspot St. Petersburg wurden insgesamt sieben EM-Spiele ausgetragen, unter anderem der Viertelfinal Schweiz - Spanien. Auf Bildern aus den Fan-Zonen waren viele Menschen ohne den vorgeschriebenen Mund- und Nasenschutz zu sehen.

Einige Fälle wurden auch aus Dänemark, Frankreich, Schweden, Kroatien und den Niederlanden gemeldet. So reisten französische Fans nach Rumänien, um für ihr Team zu fanen, während die Waliser ihre Nationalmannschaft in den Niederlanden unterstützten.

Auch mehrere Schweizer Fans haben sich angesteckt, wie die Berner Kantonsärtzin und Vizepräsidentin der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte, Linda Nartey, am Dienstag vor den Medien in Bern sagte. Es gebe in verschiedenen Kantonen einzelne Meldungen von infizierten Leuten, die von EM-Spielen zurückgekommen seien, sagte Nartey. Im Zusammenhang mit dem Spiel in St. Petersburg könnten auch noch weitere Fälle auftauchen, da es zwischen 2 bis 14 Tagen dauern kann, bis sich die Ansteckung bemerkbar macht.

Menschenmassen weiter risikoreich

Nicht sicher ist, wo sich die betroffenen Fans angesteckt haben. Dies könne sowohl in Stadien als auch in Fanzonen, bei der Reise wie auch bei privaten Treffen im Umfeld der Spiele passiert sein. Die Entwicklung sei angesichts der Corona-Lage «nicht unerwartet», sagte ECDC-Direktorin Lefevre. Grossveranstaltungen mit Menschenmassen seien weiter mit Risiken behaftet. Zudem verwies sie darauf, dass die Delta-Variante noch nicht «auf der Bildfläche» gewesen sei, als die Planungen für die EM-Spiele mit Zehntausenden Zuschauern festgezurrt worden waren.

Volle Ränge beim EM-Halbfinal Italien – Spanien im Wembley. (6. Juli 2021)

Da die Corona-Einschränkungen von Land zu Land variieren, unterscheiden sich auch die Zuschauerzahlen in den Stadien stark. In Budapest und in London waren 60’000 Fans im Stadion. An anderen Austragungsorten war die Auslastung auf 25 bis 45 Prozent beschränkt, womit durchschnittlich etwa 10’000 bis 15’000 Zuschauer erlaubt waren.

Wie die ECDC-Direktorin zur Nachrichtenagentur dpa sagte, sei die Angelegenheit aber letztlich eine «politische Entscheidung, welches Risiko man bereit ist zu tolerieren». Laut Lefevre hätten die Länder in der Zeit der Pandemie gelernt, auf welche Indikatoren sie bei der Entwicklung des Infektionsgeschehens achten müssten, sagte sie zur Nachrichtenagentur. «Wir sind immer noch in der Situation, wo wir sagen, wenn ihr weiter deutlich lockert, dann kommen wir wieder in eine Lage wie im Herbst 2020.»

Für das ECDC prüfen täglich mindestens zwei Experten das Infektionsgeschehen rund um die Fussball-EM. Die Untersuchungen begannen eine Woche vor Turnierbeginn und enden eine Woche nach dem Endspiel an diesem Sonntag.

SDA/lif