Wie oft soll man Sex haben?
Sexualwissenschaftlerin Andrea Burri beantwortet eine Leserfrage zu Sexualität und Liebe.
Wie oft soll man Sex haben in einer langjährigen Partnerschaft? Einmal die Woche, einmal im Monat? Gibts hierzu wissenschaftliche Erkenntnisse, wie sich die Häufigkeit von gemeinsamem Sex auf die Zufriedenheit des Paares auswirkt?
Diese Frage gehört bei mir in der Paarberatung zu den am häufigsten gestellten. Betrachten wir zuerst, was die Sexualwissenschaft dazu sagt: Kürzlich wurde bei mehr als 30’000 Personen in den USA eine Umfrage durchgeführt. Diese zeigte auf, dass wer in einer Partnerschaft etwa einmal pro Woche Sex hat, besonders zufrieden ist. Bei geringerer Frequenz sinkt die Zufriedenheit, bei höherer steigt sie aber nicht. Weitere Studien gingen der Frage nach, welche Häufigkeit als normal betrachtet wird? Normalität gibt es aus meiner Sicht in der Sexualität nicht. Studien zufolge scheint es jedoch, dass eine Mehrheit der Menschen eine Frequenz von ein- bis zweimal pro Woche als normal betrachten. Was internationalen Erhebungen zufolge auch ziemlich genau dem entspricht, wie oft der Mensch den Beischlaf im Durchschnitt vollzieht. Aus wissenschaftlicher Sicht ist klar: Der sexuelle Antrieb verfolgt sowieso nur das Ziel der Fortpflanzung. Und dafür reicht ein einziger Samenerguss mit rund 300 Millionen Spermien vollkommen aus.
Doch was kann man in seiner eigenen Beziehung nun mit diesen Zahlen anfangen? Wenig. In der Paarberatung versuche ich stets zuerst, den Leuten zu erklären, dass es beim Sex nicht um Quantität geht. «Sollen» und «müssen» sind Begriffe, welche nicht in einem Atemzug mit Sexualität genannt werden sollen. Das passt nicht. Und es ist nicht wichtig, einem gesellschaftlichen Massstab oder Durchschnittswert gerecht zu werden. Entscheidend ist, dass beide finden, dass sie genügend oft Sex haben und die sexuellen Erwartungen bei beiden erfüllt sind.
Doch hier entstehen nun oft die Probleme. Wollen die Partner unterschiedlich oft, kommt es zu Spannungen. Der Partner, welcher sich gerne öfter dem Liebesspiel hingeben würde, fühlt sich zurückgewiesen, der andere verspürt zunehmend den Druck, den Erwartungen des anderen gerecht werden zu müssen. Dieser Teufelskreis endet nicht selten in sexueller Vermeidung. Diese negative Dynamik ist mir sehr oft begegnet.
Was kann man nun dagegen tun? Es gibt eine Methode, die zwar nicht sexy klingt, aber die erfolgreich ist: Ich empfehle den Paaren in solchen Situationen, den Sex vorübergehend zeitlich festzulegen und zu planen, damit sich diese Dynamiken nicht festbeissen. Wenn man die Quantität in den Vordergrund rückt, kann diese aber auch eine andere Ursache haben: dass man nämlich seine Wünsche falsch definiert. Geht es Ihnen wirklich darum, mehr Sex zu haben, oder wünschen Sie sich eigentlich anderen Sex? Möchten Sie eigentlich lieber andere Sexualpraktiken vollziehen? In dem Falle wird nämlich auch vermehrter Sex nicht zu erhöhter Erfüllung und Zufriedenheit führen. Seien Sie hier ganz ehrlich zu sich selbst.
Dieser Artikel wurde erstmals am 10. Juni 2016 publiziert und am 15. Mai 2023 in dieses Redaktionssystem übertragen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.