ZoomWie Marilyn Monroe vor der Kamera verschwand
Wenige Wochen vor ihrem Tod fotografierten Lawrence Schiller und Bert Stern die Schauspielerin. So freizügig die Bilder sind: Ihr Gesicht bleibt seltsam leer.
Natürlich war sie schön. Verführerisch. Mysteriös. Sexy. Aber man wundert sich trotzdem ein wenig, warum Marilyn Monroe die Männerwelt ihrer Zeit derart aus der Fassung brachte.
Der junge Fotograf Lawrence Schiller etwa sollte Monroe am Set ihres letzten Films «Something’s Got to Give» ablichten – darauf, dass sie für ihn nackt am Swimmingpool posieren würde, war der 25-Jährige nicht vorbereitet: «Marilyn Monroe war, schon wenn sie Kleider anhatte, das Traummotiv jedes Fotografen und sogar noch umwerfender ohne», erinnert er sich.
Ihre Haut sei wie Champagner, wie Alabaster, wie eine frische Meringue: Er habe sich augenblicklich in sie verliebt, schreibt der Fotograf Bert Stern (1929–2013), der Monroe im Juni 1962 für die «Vogue» fotografierte. Es war im Hotel Bel-Air in Los Angeles, Stern hatte eine Suite komplett leer geräumt und statt Kleider bloss ein paar Schals und transparente Tücher bereitgelegt. «Du willst mich nackt fotografieren, nicht wahr?», soll ihn Marilyn gefragt haben.
Klar, da ist der rote Lippenstift, die makellose Haut, da sind die blauen Augen, die silberblonden Haare. Aber wo ist die Person hinter dem ikonischen Look?
Daraufhin entstanden jene ikonischen Bilder, auf denen die Aktrice ihren Körper nur marginal verhüllt und dadurch den – männlichen – Blick erst recht kitzelt. Ihr Ausdruck aber bleibt, abgesehen von einer fast routiniert anmutenden Laszivität, eigenartig leer. Ein paar Wochen später stirbt Marilyn Monroe allein in ihrem Schlafzimmer.
Dieses leere, unbewohnte Gesicht ist es, was heute an der Schauspielerin vielleicht am meisten irritiert. Klar, da ist der rote Lippenstift, die makellose Haut, da sind die blauen Augen, die silberblonden Haare. Aber wo ist die Person hinter dem ikonischen Look? Hätte man sie ohne ihn auf der Strasse erkannt?
Im Buch «Norman Mailer. Bert Stern. Marilyn Monroe» ist eine Auswahl jener 2500 Fotografien versammelt, die Bert Stern 1962 aufgenommen hat. Begleitet werden sie von Norman Mailers biografischem Essay von 1973, der seit mehreren Jahren vergriffen war; der Autor hatte Marilyn Monroe allerdings kein einziges Mal getroffen. Womöglich sei ein Roman das beste Instrument, um das schwer Fassbare an ihr einzufangen, schreibt Mailer. Vielleicht aber ist auch sein Text nur eine weitere Projektion eines Mannes auf eine Frau, die hinter all den Bildern allmählich verschwand.
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