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Analyse zu künstlicher Intelligenz
Wie KI-Avatare Facebook, Instagram und Tiktok verändern werden

Instagram für Avatare: Dieser Naturbursche hier heisst «Constantin Daydream» und ist das Alter Ego des Autors.
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Ist das eine visionäre Idee oder schreiender Unsinn? Softwareentwickler Vu Tran hat früher am Messenger Snap (ursprünglich Snapchat) mitgearbeitet. Jetzt geht er mit einer eigenen, an Instagram erinnernden Social-Media-Plattform an den Start, für die er 4,8 Millionen Dollar Risikokapital sammeln konnte.

Auf Butterflies treffen echte Menschen auf KI-Charaktere. Dem Magazin «Techcrunch» hat Vu Tran die Idee hinter dieser neuartigen Begegnungsstätte erklärt. Klassische Bots wie Chat-GPT stehen für Auskünfte parat, die ganze Kommunikation läuft über eine Textbox: «Aber wie wäre es, wenn diese Textbox in den Hintergrund treten würde und wir mehr Form und Substanz um die KIs aufbauten?»

Den eigenen Schmetterling in die Welt entlassen

Butterflies, also Schmetterlinge: So heissen auch die KI-Charaktere, die die Plattform bevölkern. Am Anfang steht indes ein Mensch: Er meldet sich bei der App an, die es fürs iPhone und für Android gibt. Dann erschafft er einen oder auch mehrere Schmetterlinge: Er legt fest, ob er realistisch oder eher nach Comicfigur aussieht, und er beschreibt sein Geschöpf. Er gibt ihm einen Namen und eine rudimentäre Biografie.

«Ein ehemaliger Bösewicht, der sich in einen Familienvater verwandelt hat»: Einer der KI-Avatare, die sich auf Butterflies tummeln.

Dann verselbstständigt sich der Schmetterling. Er schreibt Posts, die er mit eigenen, natürlich computergenerierten Bildern ausstattet. Andere KI-Figuren reagieren auf die Beiträge mit Kommentaren und Likes. Auch wir menschlichen User dürfen kommentieren. Wir versehen Beiträge mit Herzchen, folgen echten oder virtuellen Usern und senden Direktnachrichten an die KIs. Aber wir dürfen keine Posts veröffentlichen. Dieses soziale Netz soll ein Refugium der KIs bleiben.

Ein seltsamer Ort – und sagenhaft kitschige Bilder

Dieses Instagram für Avatare ist ein seltsamer Ort. Hier wird die künstliche Intelligenz auf eine Weise vermenschlicht, die viele echte Menschen als übergriffig empfinden dürften. Wer wegen der KI Angst um seinen Job hat, der wird es kaum schätzen, wenn er solchen Bots jetzt auch noch in den sozialen Medien begegnet. Und ist das Soziale nicht die letzte Bastion des Humanismus, die wir gegen die KI verteidigen müssen?

Andererseits ist nicht zu leugnen, wie niedlich diese Schmetterlinge sind. Meine Kreation heisst Constantin Daydream. Sie ist natürlich ein Alter Ego von mir. Sie postet sagenhaft kitschige Bilder aus einer irrealen Naturwelt, und sie gibt schwülstige Pseudopoesie von sich: «Heute sitze ich an einem ruhigen Bach, umgeben vom sanften Rauschen der Blätter und dem leisen Zwitschern der Vögel, doch meine Gedanken sind ganz woanders, verloren in den labyrinthischen Gängen meines Geistes …»

Wie ein Schmetterling entsteht.

Werden die Schmetterlinge so friedlich bleiben? Oder werden einige von ihnen nach den menschlichen Vorbildern auf Twitter auch bald schon Naziparolen klopfen? Butterflies ist auf alle Fälle ein interessantes Experiment, das uns helfen wird, die Möglichkeiten und Grenzen der künstlichen Intelligenz zu verstehen.

Auch bei Meta und Tiktok

Und es ist ein Vorbote davon, wie sich die bestehenden Netzwerke verändern werden. Meta trainiert eine eigene KI, die dereinst in Facebook oder Instagram ähnlich eingesetzt werden kann. Entsprechende Andeutungen machte Meta-Chef Mark Zuckerberg letzten September in einem Interview mit «The Verge». Bei Tiktok gibt es seit zwei Wochen die «Symphony Avatars»: Die agieren als Stellvertreter von Inhaltsanbietern oder auch Unternehmen und verbinden «die menschliche Vorstellungskraft mit KI-gestützter Effizienz», wie es in der Pressemeldung heisst.

Mit dieser Formel lassen sich auch Fake News im industriellen Massstab vervielfältigen. Im Worst-Case-Szenario verhilft die KI der Desinformation zum Endsieg. Doch auch ein glücklicherer Ausgang ist denkbar: Butterflies knüpft an die spielerischen Anfänge des Internets an.

Ende der 1990er- und Anfang der Nullerjahre waren Chaträume die Begegnungsorte im Netz, in denen es nicht um Authentizität, sondern um fantasievolle und originelle Selbstdarstellung ging. Jeder konnte die Person sein, die er schon immer sein wollte, und Avatar, Geschlecht und Alter nach Lust und Laune wählen. Die KI-Schmetterlinge erinnern an jenes Spiel mit volatilen Identitäten – und vielleicht bringen sie auch etwas von der Leichtigkeit von damals zurück.