Neue OECD-StudieSo viel kosten Fälschungen die Schweizer Wirtschaft
Kriminelle nutzen die Pandemie, um im Internet bessere und schnellere Vertriebswege für gefälschte Artikel aufzubauen. Das hat auch Folgen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Fehlende Touristen und gesperrte Strände sind schlecht für das lukrative Geschäft von Fälschern, könnte man meinen. Denn die Betrüger können während der Corona-Krise ihre gefälschten Produkte wie Luxusuhren und Markenschuhe kaum mehr an beliebten Ferienzielen am Meer verkaufen.
Weit gefehlt, zeigt nun eine aktuelle Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Auftrag des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum. «Wir beobachten eine starke Verlagerung in den Onlinehandel», sagt OECD-Ökonom und Studienautor Piotr Stryszowski. Das habe dazu geführt, dass in der Pandemie vor allem gefälschte Medikamente vermehrt über das Internet vertrieben worden seien – zum Leidwesen von unwissenden Patienten und der Schweizer Pharmaindustrie.
Gefälschte Covid-Impfungen im Umlauf
Bereits seien gefälschte Impfungen gegen das Coronavirus im Umlauf. Anastasia Li-Treyer, Präsidentin von «Stop Piracy», der Schweizer Plattform gegen Fälschung und Piraterie, warnt deshalb: «Impfdosen sollten ausschliesslich über offizielle Kanäle wie Gesundheitsbehörden bezogen werden und nicht über dubiose Internetseiten.»
Schliesslich hat die OECD festgestellt, dass während der Corona-Krise mehr gefälschte Produkte mit dem Vermerk «Swiss made» versehen worden sind, auch wenn sie ursprünglich gar nicht aus der Schweiz stammen. «Das Label steht für Qualität und soll den Käufern ein falsches Vertrauen in das gefälschte Produkt vorgaukeln», sagt Stryszowski.
Fälschungen waren aber bereits vor der Pandemie ein Problem für die Schweizer Wirtschaft. So wurden Schweizer Unternehmen im Jahr 2018 um beinahe 4,5 Milliarden Franken Umsatz betrogen. Am stärksten betroffen waren die Uhrenindustrie und die Schmuckbranche. Beide Wirtschaftszweige zusammen verloren 2 Milliarden Franken Umsatz.
Die grosse Mehrheit der gefälschten Schweizer Produkte kam gemäss den Studienautoren aus China und Hongkong, gefolgt von Singapur und der Türkei. An der Fälschung von Arzneimitteln ist ausserdem in zunehmendem Masse Indien beteiligt.
Die Schweizer Uhrenhersteller sehen zwei Möglichkeiten, um den Fälschern das Leben schwer zu machen. «Mit dem steigenden Vertrieb über das Internet fordern wir den Zoll auf, verdächtige Warensendungen aus dem Ausland strenger zu kontrollieren und gefälschte Uhren zu beschlagnahmen», sagt Jean-Daniel Pasche, Präsident des Verbands der Schweizer Uhrenindustrie.
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Da Fälschungen ein internationales Phänomen sind, kann nach Ansicht von Pasche nur global gegen die Täter vorgegangen werden. «Unsere Hoffnungen ruhen auf Freihandelsabkommen mit anderen Ländern, in denen die Bekämpfung von Produktfälschungen gegenseitig geregelt ist.» Als Beispiel nennt Pasche das Abkommen mit China.
Das Geschäft mit Fälschungen betrifft nicht nur Firmen, sondern auch Arbeitnehmer sowie Steuerzahlerinnen. Wenn kriminelle Machenschaften zu Umsatzeinbussen führen, bedeutet das auch weniger Geld für neue Stellen. Einheimische Unternehmen hätten im Jahr 2018 ohne Fälschungsindustrie über 10’000 Arbeitsplätze mehr anbieten können. Vier von zehn Stellen fehlten allein in der Uhrenindustrie und der Schmuckbranche.
Und: Nach Schätzungen der OECD entgingen dem Staat durch Fälschungen Steuereinnahmen in Höhe von knapp 160 Millionen Franken.
Konsumenten kaufen bewusst Fälschungen
In der Pflicht sind aber auch die Konsumenten. Die aktuellen Studienergebnisse zeigen, dass sich mehr als die Hälfte der Käufer und Käuferinnen durchaus bewusst sind, dass sie gefälschte Artikel erworben haben. «Fälschungen gibt es nur, weil eine Nachfrage dafür besteht», sagt Felix Addor, stellvertretender Direktor des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum.
Er appelliert deshalb an die Konsumenten, keine gefälschten Produkte zu kaufen – weder am Strand noch im Internet.
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