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Besondere Sport-Momente 2020
«Das Interview wurde zu einem meiner schönsten»

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Auf der Streif!

Es war eigentlich anders gedacht. Das Lauberhorn sollte es sein, zusammen mit Marc Berthod auf die Piste, einige Videoaufnahmen machen, und das wärs dann auch schon gewesen. Doch der SRF-Experte hatte keine Zeit – und schlug vor: «Machen wir das doch in Kitzbühel.» Die Kollegen fanden das vor allem lustig, mir war nicht ganz wohl.

In Kitzbühel ist alles eine Nummer grösser als in Wengen. Vor allem: eisiger, steiler, gefährlicher. Gute Kanten brauche man da, warnte jeder. Im Skigeschäft gab ich das weiter, noch heute weiss ich nicht, wie ernst ich genommen wurde. Ich bin kein schlechter Skifahrer, aber eben, Kitzbühel mit seinem Steilhang, der Traverse und dem Zielschuss, das ist eine Prüfung. Einen Rückzieher liess das Ego aber nicht zu.

Und so standen wir eines Morgens dort oben, es war die Besichtigung vor dem Abfahrtstraining, gleich hinter uns: Aleksander Aamodt Kilde und Kjetil Jansrud, zwei norwegische Abfahrtshelden. Jetzt bloss nicht den Affen machen. Nur rutschen war erlaubt. Als hätte ich eine Wahl gehabt! Berthod voraus, mit der Sicherheit eines Rennfahrers. Ich hinterher, mit Kamera in der Hand und der Eleganz eines Ski-Touristen. Hansi Hinterseer überholte uns. Als wir im Zielraum ankamen, die Videos im Kasten, war Hinterseer schon lange weg. Und ich vor allem froh, dass ich unten war.

Marcel Rohner

Tabubruch im Lärm

Eine junge Frau mit Mut: Angelica Moser erzählt von ihrer Essstörung.  

Abgemacht war eine Dreiviertelstunde, abends, nach dem Training. Das Restaurant ist mehr eine Chnelle, viel Bier und früher sicher noch viel mehr Rauch. Geblieben ist der Lärm, neu ist das Desinfektionsmittel am Eingang.

Stabhochspringerin Angelica Moser (23) spricht bei einem Glas Wasser über ihre kurz- und längerfristigen Ziele. Interessant und aufschlussreich. Eine Frage bleibt. Hat es in dieser Corona-Saison sonst noch etwas Spezielles gegeben? Die Antwort dauert eine Stunde und macht betroffen. «Plötzlich war bei mir die Einsicht da: So geht es nicht mehr weiter», sagt sie.

Die Studentin erzählt von der Essstörung, an der sie seit Jahren leidet, von ihren Fressattacken, nach Wettkämpfen, aber auch zwischen den Mahlzeiten, von einem Tabu im Sport, das sie nun bricht, von der Therapie, die sie jetzt macht und ihr geholfen hat. Angelica Moser hat in diesem Jahr viele gute Leistungen gezeigt. Auszeichnen müsste man sie aber für ihren Mut, so über ihre Schwäche zu sprechen.

Monica Schneider

Zwei Sekunden für ein warmes Herz

Zwischen Stacheldraht und Wellblechdächern: Im Langa Club von Kapstadt können Kinder Tennis spielen – und lachen. 

«Match in Africa». Mit 51’954 Zuschauern ein Tennisrekord. Roger Federer, Rafael Nadal, Bill Gates und Trevor Noah als Protagonisten. Eine farbenfrohe Show noch dazu. Was für ein Spektakel! Und doch war dieser Event nicht der Höhepunkt meiner Reportage in Kapstadt.

Berührender waren die Begegnungen im Tennis Langa Club, fernab von TV-Kameras, Millionären und Rekorden, dafür umrahmt von Stacheldraht und Hütten mit Wellblechdächern. Vereinspräsident und Gründungsmitglieder empfangen mich herzlich, sie erzählen die Geschichte des Clubs und von den vielen Problemen. Es wird klar: Die Menschen im Township schätzen es, dass sich jemand für sie interessiert.

Das Herz höher schlagen lassen auch die Kinder, die enthusiastisch ihre Schläger schwingen. Ein etwa zehnjähriges Mädchen drückt den perplexen Fremden zur Begrüssung fest an sich. Vielleicht zwei Sekunden dauert die Umarmung, aber es ist für mich der speziellste Augenblick in diesem Jahr. Ab und zu erinnere ich mich daran und denke: Hoffentlich geht es dem Mädchen gut.

Adrian Ruch

27 Sekunden in den Flammen – und trotzdem fast unverletzt

Während ein Helfer vor der Hitze zurückschreckt, entsteigt Romain Grosjean (Bildmitte) fast unverletzt seinem lichterloh brennenden und zweigeteilten Formel-1-Rennwagen. 

Es ist, als habe einer die Zeit angehalten. Der Blick: Gefangen in den lodernden Flammen, die aus dem Wrack schiessen, das einmal ein Rennauto war. Die Gedanken: Einer steckt da drin und kämpft um sein Leben. Wenn er überhaupt noch kämpfen kann.

Das Kamerabild wechselt, eine Wiederholung bleibt aus. Es ist kein gutes Zeichen. Die Fahrer verteilen sich in der Boxengasse von Bahrain, Lewis Hamilton lehnt über die Betonmauer. Nachdenklich. Alle bangen um das Leben von Romain Grosjean. Dann dieses Bild: Der Frankoschweizer sitzt im Ambulanzwagen. Zaghafter Applaus.

Nun kommt die Wiederholung am TV. Das Rennauto von Haas schlittert über den Asphalt, kracht mit 221 km/h in die Abgrenzung, ein Feuerball schiesst hoch. Und: Nach ewig langen 27 Sekunden torkelt der 34-jährige Grosjean über die Leitplanke. Der linke Fuss ist verbrannt, die Hände sind es, dass Grosjean lebt: ein kleines Wunder. Der 29. November 2020 brennt sich ein. Auch in die Erinnerung.

René Hauri

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Der letzte Handschlag

Mit Xherdan Shaqiri vom FC Liverpool nach England geflogen. Und mit Marius Müller vom FC Luzern zum vorerst letzten Mal die Hand gedrückt. Das sind die bleibendsten Erinnerungen ans Corona-Sportjahr unseres Fussball-Journalisten Samuel Waldis. 

Anfang Mai fliegen Vögel durch die leeren Wartehallen des Flughafens Zürich. Rolex beleuchtet die Schaufenster noch, hat aber die Uhren entfernt. Die meisten Flugzeugdüsen sind mit Folien abgedichtet, wie Tupperware-Schalen, deren Deckel verloren gegangen sind.

Wegen Corona braucht kaum noch jemand einen Flughafen. Xherdan Shaqiri braucht einen. Er reist nach einem Termin in der Schweiz zurück zum FC Liverpool und ich zu meiner Partnerin, die in Brighton lebt. Wegen ihr erlebe ich drei Lockdowns in zwei Ländern und bin insgesamt sechs Wochen in Quarantäne.

Bei der Verabschiedung von Shaqiri verzichte ich auf den Handschlag. Zwei Monate zuvor habe ich Marius Müller für ein Porträt getroffen, kurz danach macht die Schweiz dicht. Der Goalie des FC Luzern sagt damals, ein Handschlag bedeute Anstand. Müller ist bis heute der letzte Mensch, dem ich die Hand geschüttelt habe.

Samuel Waldis

Krebs? Er sagt: «Kein Grund zur Sorge»

Zuerst hatte er Corona, dann kam der Krebs: Biels Eishockeytrainer Antti Törmänen.

Freitagmorgen. Tissot-Arena. Biel. Hudelwetter im Oktober. Eigentlich ein Tag zum Vergessen. Er haftet im Gedächtnis.

Treffpunkt 9 Uhr. Antti Törmänen schreibt um 9: «Keine Eile. Bin auf dem Weg.» 10 Minuten später: «Schleppe mich zu dir.» Er kommt, schnappt nach Luft: «Jeder gemachte Schritt ist ein Erfolg.» Und dann? Grinst er. Zufrieden mit seiner Interpretation der Rolle: der leidende Krebskranke. Es gehe ihm ausgezeichnet, sagt er, «no need to worry». Kein Grund zur Sorge.

Biels Trainer war der erste Corona-Fall im Schweizer Eishockey. Im Sommer folgte die Diagnose Gallenblasenkrebs. Törmänen spricht über die schwierigste Zeit seines Lebens. Was er zeigen und teilen will: Zuversicht, Wille, Humor, gerne auch schwarz. Was er in sich trägt und für sich behält: Schmerz, Zweifel, Ängste.

Kurz vor Weihnachten schreibt Törmänen über sein Jahr: «Episode 20 war schlecht, niemand mochte sie. Gerüchten zufolge soll Episode 21 gut werden.» Er ist im Krankenhaus. Chemotherapie. Infusion. «Bald kommt das Erbrechen.» Aber: «No need to worry.»

Reto Kirchhofer

Die Ärzte glaubten, dass er nie würde reden können

Als Autist lebte Alexis Valenzuela (auf dem Bild neben Schwester Albane) in einer eigenen Blase, nun studiert er in Dallas und spielt Golf für sein College. 

Nur der Pandemie ist es zu verdanken, dass ich diese Story aufgriff. Respekt war allerdings auch dabei: Immerhin lebte Alexis Valenzuela als Autist lange in einer eigenen Blase und musste bis zum 13. Lebensjahr therapiert werden. Das Interview mit ihm und seiner Mutter Diana dauerte dann fast zwei Stunden und wurde zu einem meiner schönsten. Zu erfahren, wie er dank Geduld, Zuneigung und dem unerschütterlichen Glauben seiner Familie die Krankheit überwand, wie er eine Stiftung aufbaute, um Geld für den Kampf gegen Autismus zu generieren – eine Feelgoodstory.

Sein Weg zeigt auch, welche Kraft der Sport haben kann für die Persönlichkeitsfindung. Golf trug zu seiner Wandlung bei, erfüllte ihn mit Selbstbewusstsein und eröffnet ihm nun die Möglichkeit, an der Universität SMU in Dallas zu studieren und College-Golf zu spielen. Eine wundersame Entwicklung für jemanden, dem die Ärzte gesagt hatten, er würde nie sprechen und zur Schule gehen können.

René Stauffer

Eskalation im Wohnzimmer

Er trifft, und im Wohnzimmer unseres Berner Produzenten Thierry Dick bricht der Jubel aus: Marvin Spielmann führt YB im Cupfinal gegen Basel mit dem 2:1 zum Sieg. 

Cupfinal im Spätsommer, bei 9 Grad und Dauerregen – speziell. Dass ich mit fünf Freunden aus der Berner Ostkurve nicht johlend und biertrinkend in ebendieser stehe, sondern wir (einigermassen) zivilisiert und biertrinkend in meinem Wohnzimmer sitzen – sehr speziell.

Ebenfalls aussergewöhnlich: Ich weiss vor allen anderen, dass YB den FCB mit einem Tor kurz vor Schluss besiegen wird, den Tücken des digitalen Fernsehens sei Dank. Aus dem Innenhof vernehme ich als einziger Jubelschreie von Nachbarn, deren Übertragung einige Sekunden voraus sein muss.

Ich sage zu den Jungs: «Giele, mir mache iz de grad eine!» Verwirrte Blicke allenthalben, ist auf meinem TV doch harmloses Mittelfeldgeplänkel zu beobachten. Doch aus dem Nichts zieht Spielmann aus grosser Distanz ab. Drin. YB ist erstmals nach 62 Jahren Doublesieger. Eskalation in meiner Stube. Es fühlt sich fast an wie in der Kurve. Fast.

Thierry Dick

Ein Jahr der Hoffnung

Er sass im Rollstuhl und spürte seine Beine fast nicht mehr, doch nach 648 Tagen kehrt Yarin Aebi auf den Tennisplatz zurück.

Für Yarin Aebi war das vermaledeite 2020 auch ein Jahr der Hoffnung. Ende August gibt der 17-jährige Tenniscrack aus Horgen sein Comeback – nach 648 Tagen und vielen bangen Stunden, Tagen, Monaten. Es fliessen Tränen, als er im Sportcenter Vitis in Schlieren sein Einzel im Nationalliga-B-Interclub gewinnt. Der ehemalige U-14-Team-Weltmeister kämpfte sich aus dem Rollstuhl zurück auf den Court, nachdem er Ende 2018 wegen der Nervenkrankheit Guillain-Barré die Beine kaum mehr gespürt hatte.

Ich treffe ihn im Frühling dieses Jahres beim TC Horgen, als er erstmals bereit ist, öffentlich über seine Leidensgeschichte zu reden.
Er lässt kein schmerzliches Detail aus, spricht ganz nüchtern, lächelt zwischendurch. Seinen Traum vom Tennisprofi hat er auch in den schwärzesten Stunden nie losgelassen. Ob er es schaffen wird? Wir werden sehen. Ein Sieger ist er ohnehin schon.

Simon Graf

Feuchte Augen am Snookertisch

Wenn Alexander Ursenbacher das Queue anfasst, kann es feuchte Augen geben. 

Im Freundeskreis werde ich dafür oft belächelt. Aber ich mag sie eben, diese Herren in Lackschuhen, schwarzer Hose, Hemd, Weste und Fliege. Jedes Jahr bin ich ihretwegen während 17 Tagen nur bedingt ansprechbar. Immer dann, wenn im legendären Crucible Theatre in Sheffield die Snooker-WM ansteht. Dieses Strategiespiel mit Queue und Ball auf den endlos lang erscheinenden Tischen und winzig klein wirkenden Lochtaschen zieht mich in den Bann. In diesem Jahr kommen sogar feuchte Augen dazu.

Verantwortlich dafür: Alexander Ursenbacher. Als Schweizer ist er auf der britisch dominierten Tour ein Exot. Aber der 24-Jährige tut seit Jahren alles dafür, seinen Traum leben zu können. Im Juli schafft er es als erster Schweizer nach einem an Dramatik nicht zu überbietenden Qualifikationsturnier ins WM-Haupttableau. Dort bezahlt Ursenbacher dann zwar Lehrgeld und scheidet in der Startrunde aus. Aber er hat das Potenzial zum WM-Dauergast in den nächsten Jahren. Beim Gedanken daran kribbelt es bereits.

Marcel Allemann

«Er ist tot» – «Wer?» – «Der Fussballgott»

Das letzte Geleit: Fans der SSC Napoli nehmen vor dem San Paolo Abschied von Maradona. Der Argentinier führte die Süditaliener 1987 und 1990 zu zwei Meistertiteln. Kurz nach seinem Tod wird die Arena in Stadio Diego Armando Maradona umgetauft. 

Es ist der Mittwochabend, 25. November, kurz nach sechs, es ist schon dunkel und Zeit für einen Apéro, als das Handy aufleuchtet: «Er ist tot.» – Ich: «Wer?» – Die Antwort: «Der Fussballgott.» Und sofort diese Bilder im Kopf: Das Genie mit dem Ball, der Spieler, der auf dem Rasen alles richtig machte und daneben alles falsch, der kokste, trank, dopte und mit zwielichtigen Figuren feierte, schon mehrmals für tot erklärt wurde, diese tragische Figur. Diego Armando Maradona.

Doch ich möchte nur diese Bilder: Er und der Ball, in den Stadien vor den Spielen, wie er ihn minutenlang jongliert, in die Luft springen lässt, himmelwärts, immer wieder auffängt, mit irgendeinem Körperteil, nie schien er glücklicher als in diesen Momenten. «Auf dem Platz ist das Leben unwichtig», sagte er einmal. AD10S, Fussballgott mit der 10.

Fredy Wettstein

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