Kolumne «Heute vor»Wie ein Skilift und eine Zugfahrt ins Paradies führten
Horgen ernannte sich zum Stadtführer der Tessiner, während die Meilemer sich über Plakate wunderten. Gemein war in den Gemeinden im Jahr 1971 eines: Verwirrung.
Wenn der Hauptbahnhof als Zürichs schönstes Gebäude bezeichnet wird, lässt das ausnahmsweise nicht nur die Geleise verwirrt zurück, sondern auch die Geister. So ging es 1971 Vescovi, dem Stadtpräsidenten von Bellinzona, der von der Begründung dieser Antwort nicht minder überrascht war als von der Antwort selbst – aber dazu gleich.
Anlässlich der Horga 71 «gewann man zu einem Besuch der alljährlichen Gewerbeausstellung in Horgen die Bellizoneser», wie der «Anzeiger des Bezirks Horgen» in jenem November schrieb. «In der milden Herbstsonne hoben sich vom warmen Braun des Holzes am Schinzenhof die vielen Flaggen in den Tessiner und Zürcher Farben, blau-rot und blau-weiss prächtig ab.» Während die Tessiner bei ihrem Besuch «die Eigenart ihrer Stadt in Zürich bekannt machen wollten», antworteten «biedere Zürcher» auf Vescovis Nachfrage, weshalb denn nun ausgerechnet der Hauptbahnhof Zürichs schönstes Gebäude sei: «Sehen Sie, da kann ich in den Zug einsteigen und nach Horgen fahren.»
Eine ähnliche Verwunderung, wenn auch aus anderen Gründen, machte sich in jenem Herbst am rechten Zürichseeufer breit. Bunte Plakate mit Schlagworten wie «Skilift», «Pfannenstiel» und «Skizentrum» seien ausgehängt gewesen. Die «Zürichsee-Zeitung» klärte indes auf, dass es sich dabei nicht etwa um einen Scherz handle. Das Blatt erläuterte das Projekt Pfannenstiel, welches drei skibegeisterte Meilemer Initianten ausgeheckt hätten: «Wenn morgen Schnee (genügend Schnee!) fallen sollte, dann werden übermorgen bereits die beiden Skilifts in Betrieb genommen.» Ein Skilift von Unterschaubigen hinauf zur Schaubigenstrasse und von da aus ein weiterer hinauf zur Hochwacht. «Ein Feierabend- und Weekend-Skiparadies» entstand in jenem Winter am Nordhang des Pfannenstiels. Und dies lässt vermuten, dass seit jenem Winter wohl auch manche Horgnerinnen und Horgner ab und an am Hauptbahnhof den Zug in Richtung rechtes Seeufer genommen haben.
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