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Auf den Paukenschlag folgte Stille. Vergangene Woche hat der Bundesrat die Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen abgebrochen. Nur schemenhaft umriss er dabei einen Plan B, der aus drei Teilen besteht: Die EU erhält die Kohäsionsmilliarde, die Schweiz übernimmt einseitig EU-Recht, um Hürden abzubauen, der Bundesrat will mit Brüssel regelmässige Gipfeltreffen abhalten. Vor allem bei der einseitigen Übernahme von EU-Recht blieb der Bundesrat äusserst vage.
Nun beginnt sich aber abzuzeichnen, wohin es gehen könnte. Im Bundeshaus wird bereits gemunkelt, Dossierführerin Karin Keller-Sutter suche einen neuen grossen Deal mit den Gewerkschaften, um sie in die europapolitische Allianz zurückzuholen. Die Arbeitnehmerorganisationen sind ein wesentlicher Grund dafür, dass der Bundesrat das Rahmenabkommen als nicht mehrheitsfähig beurteilt. Allerdings haben dazu bisher offenbar keine Gespräche zwischen Bundesrat und Sozialpartnern stattgefunden. Wann diese beginnen sollen, ist offen.
Mehr Bildung, höhere Löhne
Die Gewerkschaften haben aber bereits in einem gemeinsamen Manifest ihre Wünsche zusammengetragen. «Die Schweiz muss zu einem sozialen Europa beitragen», fordern darin der Gewerkschaftsbund SGB, Unia, Syna und Travailsuisse. Dabei liesse sich auch die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz fördern, findet SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard: «Das Land braucht eine Bildungsoffensive. Damit würde die Wirtschaft mehr dringend benötigte Fachkräfte im Inland finden. Innovation und Technologietransfer sollten auch gefördert werden.» Die Schweiz müsse zudem die Arbeitsbedingungen aufwerten und die Kaufkraft stärken. «Sie sollte die Mindeststandards bei Arbeitsverträgen verbessern und die Lohngleichheit entschlossen durchsetzen. Und wir brauchen mehr Gesamtarbeitsverträge mit Mitbestimmungsrechten und gute Vollzugsmassnahmen. Das ist das beste Fitnessprogramm.»
So liessen sich Lohnniveau und Arbeitsbedingungen in der Schweiz schützen, ohne dass die EU daran Anstoss nimmt, einer der Knackpunkte beim Rahmenabkommen. Die Schweiz könne sich dabei sogar dem Europäischen Recht annähern, findet Maillard. «Die Europäische Säule sozialer Rechte der EU geht in die richtige Richtung.» Da die Umsetzung entscheidend sei, brauche es den autonomen Lohnschutz aber weiterhin. Auch solle die Schweiz unbestrittene Elemente der Unionsbürgerrichtlinie einseitig einführen, zum Beispiel indem die EU-Bürger aus allen EU-Ländern gleich behandelt werden oder Sozialhilfebezug nicht mehr zur Ausweisung führt.
Sucht Keller-Sutter den Kompromiss?
Mehr Rechte für Arbeitnehmer, mehr Mittel für die Bildung: Die gewerkschaftlichen Forderungen gehen in die Gegenrichtung des Fitnessprogramms, das FDP-Chefin Petra Gössi im Interview mit dieser Redaktion forderte. «Frau Gössi will den Arbeitsmarkt liberalisieren. Aber das sind Rezepte aus den 1990ern, die keine geeignete Antwort sind auf die Herausforderungen von heute», sagt Maillard.
Wie FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die dem Wirtschaftsverband Economiesuisse stets nahestand, auf die Ideen der Gewerkschaften reagieren wird, ist offen. Sie hat aber wiederholt bewiesen, dass sie bereit ist, ideologische Hürden zu überwinden, um mehrheitsfähige Lösungen zu schmieden. Sie war als Ständerätin eine der Architektinnen des AHV-Steuer-Deals, bei dem die Linke einen AHV-Zustupf errang und dafür eine Senkung der Unternehmenssteuern akzeptierte. Und sie setzte sich für eine neue Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose ein, damit die Gewerkschaften mit ihr die SVP-Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit bekämpften.
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Fabian Fellmann schreibt seit mehr als 20 Jahren über politische Themen. Seit Sommer 2021 berichtet der Politologe als USA-Korrespondent aus Washington, D.C. Davor war er unter anderem als Brüssel- und als Bundeshaus-Korrespondent für verschiedene Zeitungsredaktionen tätig.Mehr Infos@fabian_fellmann