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TV-Kritik «Tatort»
Wie aggressiv waren Sie als Kind, Frau Odenthal?

So wütend war Marlon an seinem letzten Lebenstag: Hanna Lazarakopoulos als Madita, Klassenkameradin des Verstorbenen.
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Alle, die Kinder haben, kennen das. Irgendwann einmal nerven diese einfach, irgendwann einmal ist man müde, hilflos, überfordert. Und dann …

Im Fall von Marlon geht es drastisch aus. Am Tag des Schulfests liegt der Neunjährige tot im Treppenhaus. Die Spurensicherung erkennt sofort, dass er nicht selbst gefallen sein kann. Jemand muss ihn gestossen haben, ein Erwachsener oder gar ein Kind. «Haben Sie eine Ahnung, wer das gewesen sein könnte?», wird die Mutter gefragt. «Jeder», antwortet sie.

Der Tod eines Neunjährigen ist harte Kost für den Sonntagabend. Es ist erschütternd, wenn der Kleine in der Gerichtsmedizin auf dem Schragen liegt. Irgendwie sind wir alle froh, wenn er gegen Ende der Szene wenigstens mit einem Tuch abgedeckt wird.

Ein richtiger «Systemsprenger»

Mit diesen Gefühlen spielt der «Tatort» von Karlotta Ehrenberg (Drehbuch) und Isabel Braak (Regie). Der verstorbene Marlon war nämlich ein «Systemsprenger», wie ein vor drei Jahren erschienener Kinofilm hiess. Der Junge überforderte nicht nur seine Eltern, sondern das ganze Umfeld: die Schule, die Sozialarbeit. Und es gibt Personen, die froh zu sein scheinen, dass er nun fort ist.

Da kommt Lena Odenthal ins Spiel. Die von Ulrike Folkerts gespielte Kommissarin ist seit 33 Jahren im Dienst, «Marlon» ist ihr 75. «Tatort». Aber in diesem Fall ist es ein Vorteil, dass wir sie so gut kennen. Wir nehmen ihr ab, wenn sie behauptet, sie sei auch ein unangepasstes Kind gewesen. Und wir verstehen, wenn sie ihre Nerven ebenfalls verliert.

Er wollte Marlon um jeden Preis aus der Schule verbannen: Urs Jucker als Vater der Klassenkameradin Madita.

Kontrollverlust ist das Thema, und klar ist der Fall pädagogisch angelegt. Einige der Figuren, wie der vom Schweizer Schauspieler Urs Jucker gespielte rabiate Vater einer Mitschülerin, wirken deshalb zu Beginn schematisch. Aber auf den zweiten Blick ist auch bei diesen einiges anders. Die Spannung kommt deshalb nicht zu kurz.

Ein eindringlicher Blick in die Kamera

Die drei Kinder in den zentralen Rollen spielen hervorragend. Unvergesslich die Eingangseinstellung, wenn die Kamera dem wild entschlossenen Marlon über den Schulhof und durch die Gänge folgt, bis er sich umdreht. Und ein einziges Mal voll in die Kamera schaut.

Hilft Schreien? Johanna Stern und Lena Odenthal in einer Stresssituation an der Schule.

Insgesamt war dieses Jubiläum einer der besseren Odenthal-«Tatorte» der letzten Jahre. Sogar ihre Ermittlungs­partnerin, die oft recht profillose Profilerin Johanna Stern (Lisa Bitter), findet ihren Platz. Sie hat ebenfalls Kinder, die ab und zu nerven, lebt getrennt vom Kindsvater, der offenbar noch viel mehr nervt.

«Schrei in einen Sack», empfiehlt ihr Lena Odenthal. Wie bitte? Gesagt, getan, ein paar laute Töne in eine Tüte abgeben und alles geht besser. Vielleicht mal ausprobieren?