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Reisen wie in der Serie
Wegen «White Lotus» wollen jetzt alle nach Thailand

Aussicht von einer Terrasse mit Infinity-Pool auf tropische Insel und Meer bei Sonnenuntergang.
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In Kürze:
  • Serien wie «White Lotus» verdanken ihren Erfolg nicht zuletzt den attraktiven Drehorten.
  • Seit bekannt ist, dass die dritte Staffel in Thailand spielt, klettern die Besucherzahlen und Hotelpreise rasant in die Höhe.
  • Das Phänomen des Set-Jetting ist nicht neu, hat aber wegen KI ein neues Tempo entwickelt.
  • Die Filmemacher sind sich bewusst, dass sie den Overtourism ankurbeln, sehen aber vor allem die Gastländer in der Verantwortung.

Wollte man nicht eigentlich innere Ruhe finden? Gleich in der allerersten Minute der Serie sagt die Meditationstherapeutin: «Wir bringen das schnatternde Äffchen in uns zum Schweigen und suchen in der Stille das, was zeitlos ist.» Ihrem Patienten und uns zu Hause auf dem Sofa fällt das Runterfahren freilich schwer, denn: Kaum hat man ein paarmal tief ein- und ausgeatmet, da fallen Schüsse und treibt auch schon eine Leiche im Hotelpool.

Alles wie gehabt also in der eben angelaufenen dritten Staffel von «The White Lotus», die uns diesmal nach Thailand entführt. Wieder prallt eine Handvoll Wohlstandsverwahrloster im Mikrokosmos eines Luxushotels aufeinander, wieder wird gemauschelt und gemeuchelt. Und wieder dürfen wir rätseln, wer denn nun das Opfer ist und wer der Täter, wobei uns in jeder der acht Episoden ein paar köstliche Infobrocken hingeworfen werden.

Personen entspannen sich auf Liegestühlen am Strand mit orangefarbenen Sonnenschirmen, während ein Mann in Badehose vorbeigeht.

Ein simples Rezept also, aber saugut gemacht – und drum schauen sich das im Schnitt 10 Millionen Menschen pro Episode an. Was umso beeindruckender ist, wenn man weiss, dass das Ganze ursprünglich aus der Not heraus geboren wurde: Während Corona sollte US-Drehbuchautor und Regisseur Mike White für den Streaming-Anbieter HBO auf die Schnelle ein Format aus dem Hut zaubern, das auch mit einer kleinen Filmcrew und an einem überschaubaren Drehort umsetzbar ist. Herausgekommen ist ein visuell wie emotional fesselndes Kultprodukt, das bisher zehn Emmys und zwei Golden Globes abgeräumt hat (einen davon dank der göttlichen Jennifer Coolidge als psychisch instabile Jetset-Diva; die Serie lohnt allein schon ihretwegen).

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Und jetzt ist etwas aufgepoppt, das «The White Lotus» definitiv im Popkultur-Olymp verankern dürfte: ein nach ihr benanntes neues Wort. Der White-Lotus-Effekt umschreibt, was passiert, wenn unsere Reiselust von unserem TV-Konsum befeuert wird. Das ist in erster Linie mächtig viel Tourismus.

Doch alles schön der Reihe nach.

Hotels in Sizilien und Maui sofort ausgebucht

Als Mitte 2024 die ersten Trailer zur dritten «White Lotus»-Staffel durchblicken liessen, dass es diesmal nach Thailand gehen würde – die erste Staffel hatte auf Hawaii gespielt, die zweite auf Sizilien, wobei jeweils ein echtes Hotel als Filiale der fiktiven namensgebenden Luxushotelkette diente – , meldeten internationale Buchungsplattformen einen schlagartigen Anstieg der entsprechenden Suchanfragen. Fast ebenso rasch reagierten die Anbieter: Laut dem Newsportal «The Nation Thailand» kletterten die Hotelpreise innert Wochenfrist um bis zu 40 Prozent in die Höhe, Fluggesellschaften wie Finnair nahmen kurzerhand zusätzliche Flüge nach Phuket auf.

Filmklappe mit ’White Lotus’ Schriftzug vor tropischer Landschaft in Thailand.

Der nächste, noch grössere Schub kam mit dem Start der Staffel am 17. Februar 2025. Das Online-Reisebüro Opodo verzeichnete im Vergleich zum Vorjahr ein Suchanfragenplus von 61 Prozent für Bangkok, 66 Prozent für Phuket – und von astronomischen 88 Prozent für Koh Samui.

Das Krasse ist: Dies dürfte erst der Anfang gewesen sein. Das Hotel San Domenico Palace in Taormina, Sizilien, wo die zweite Staffel gedreht wurde, war in der Folge sechs Monate lang restlos ausgebucht; das Four Seasons Resort auf Maui, Kulisse für die erste Staffel, verzeichnete nach der Ausstrahlung einen Anstieg der Website-Besuche um sagenhafte 425 Prozent.

Pastellfarbener Pomp mit Krimifüllung: Die zweite Staffel von «White Lotus» spielte auf Sizilien, genauer im und rund um den San Domenico Palace, der zur Four-Seasons-Hotelkette gehört.

Natürlich ist «White Lotus» nicht die erste Serie, welche die Touristenströme umlenkt. Nach «Game of Thrones» gab es in Dubrovnik bekanntlich kein Durchkommen mehr. Die Wehklagen der Parisiens über den zusätzlichen Ansturm wegen «Emily in Paris» gehen fast schon als eigenes Social-Media-Genre durch.

Sogar die Schweiz erlebte ihren Overtourism-Moment, als der koreanische Überraschungs-Hit «Crash Landing on You» dazu führte, dass an einem darin vorkommenden Schiffssteg am Brienzersee ein Drehkreuz verbaut werden musste, zwecks Kontingentierung der Besuchermassen. «Crash Landing» lief Ende 2019 auf Netflix an, das Drehkreuz kam im Frühling 2023 – und die Postautolinie von Interlaken ins 500-Seelen-Dorf Iseltwald ist seit ein paar Monaten auch auf Koreanisch angeschrieben.

Dies an die Adresse all jener, die abwinken, das seien doch nur kurze Peaks, das ginge schnell vorüber. Bitte nicht vergessen: Wer sich in der Filmkiste bis zum Jahr 1960 durchwühlt, stösst in Fellinis «La dolce vita» auf eine ganz bestimmte Szene, dank der in Rom noch heute regelmässig Selfie-Jäger aus dem Trevi-Brunnen gefischt werden, Verbotsschilder hin oder her.

Chat-GPT und Co. helfen bei der Suche nach Drehorten

Neu in unserem hyperdigitalen Zeitalter ist freilich das Tempo, in dem man zu Informationen über eine Filmlocation kommt. Und es wird, je nach Sichtweise, immer toller beziehungsweise schlimmer: Musste man sich noch vor fünf Jahren sein Wissen zu Drehorten fleissig zusammensuchen, tippt man jetzt, mit Chat-GPT und Co., nebenher beim Bingewatchen «Wo wurde die Szene X in der Serie Y gedreht?» ins Smartphone, schon bekommt man die Antwort frei Haus geliefert.

Ein Pavillon an einem ruhigen Teich umgeben von üppiger grüner Vegetation und blühenden Seerosen.

Doch wie wird ein «normaler» Ort eigentlich zu einem Drehort? Es gab wohl nie einen günstigeren Moment, sich dieser Frage zu widmen, denn gerade hat einer ein Buch geschrieben, der es wissen muss: Mark Kamine, Mitproduzent von «White Lotus» und die rechte Hand von Serienerfinder Mike White. Seine Karriere als sogenannter Location Scout – also Drehortsucher – begann einst bei der Mafia-Saga «The Sopranos». So beschreibt er in seinen (vorerst nur auf Englisch verfügbaren) Memoiren «On Locations» (Random-House-Verlag, 208 Seiten, ca. 25 Fr.) detailliert und durchaus amüsant, wie man sich auf der Suche nach der perfekten Kulisse schon mal mit dubiosen Stripclub-Besitzern herumschlagen muss oder wie man Hausbesitzer wieder auf den Teppich bringt, nachdem sie realisiert haben, dass in ihrem trauten Heim ein Mord inszeniert wurde.

Ein Mann in einem dunkelblauen Anzug und Brille steht vor einem Hintergrund mit der Aufschrift ’HBO Original The White Lotus’.

40 Millionen für die dritte «White Lotus»-Staffel

Musste Kamine in seiner Anfangszeit noch mit knappstem Budget einigermassen ansprechende Drehorte organisieren, konnte er bei der jüngsten «White Lotus»-Staffel aus dem Vollen, sprich: einem 40-Millionen-Dollar-Budget schöpfen. Chef White habe vorgeschwebt, «etwas zu östlicher Philosophie zu machen», also habe er Locations in Korea, den Philippinen, Japan, Bali, Sri Lanka und Thailand geprüft.

In die engere Wahl kamen Japan und Thailand, und so gönnten sich White und Kamine Recherchereisen an beide Orte, um zu erkunden, «was am besten funktionieren würde». White, so verrät Kamine, checke, sobald man sich entschieden habe, jeweils gleich für längere Zeit ein, um das Drehbuch stilecht am Ort des Geschehens zu schreiben. «Wir haben den Jackpot geknackt», gibt Kamine schelmisch zu. «Wir haben rausgefunden, wie man Zeit an diesen unglaublichen Orten verbringen und das Arbeit nennen kann. What a life!»

Und wo genau checkten White und Crew nun für die dritte Staffel ein? Erstmals beschränkte man sich nicht auf ein einzelnes Hotel, sondern filmte gleich in vier verschiedenen. In die Kränze kamen das Four Seasons Resort sowie das Anantara Bophut Resorts auf Koh Samui, die Anantara Mai Khao Villas auf Phuket – und, Trommelwirbel: das Mandarin Oriental Bangkok.

Luftaufnahme einer Person, die unter einem Sonnenschirm am Pool inmitten von Palmen liegt.

Die Gerüchteküche begann schon zu brodeln, nachdem White Ende 2023 in dessen legendärer Bamboo Bar gesichtet worden war. Als man dann die besagten Hotels auf Koh Samui und Phuket plötzlich für mehrere Wochen nicht mehr buchen konnte und busweise Requisiten angekarrt wurden, war die Katze endgültig aus dem Sack.

Elegante Bar mit Korbsesseln, verzierten Holztischen und einem Klavier, umgeben von gedimmter Beleuchtung und Regalen voller Flaschen.

Doch warum vier Hotels nehmen, wenn es eines doch auch täte? Einen Grund haben ortskundige Serienfans schon in einschlägigen Internetforen aufgedeckt, und man kann ihn hier wiedergeben, ohne zu viel zu spoilern: Das Hotel-Spa – so etwas wie die Kommandozentrale des Wellness-unterstützten Selbstfindungstrips der Figuren – am Hauptdrehort Four Seasons ist, obgleich wunderhübsch, schlicht zu klein, um eine ganze Filmcrew aufzunehmen. Also sind die Showrunner für diese Szenen in die grosszügige Anlage des Anantara ausgewichen.

Luxuriöses tropisches Anwesen mit Blick auf das Meer, Palmen und Infinity-Pool bei sonnigem Wetter.

«Etwas künstlerische Freiheit muss sein», schreibt Kamine denn auch in seinem Buch. Schon auf Sizilien habe man beim vermeintlichen Hotelstrand geschummelt. «Der Trick ist, alles bis ins Detail so zu arrangieren, dass der Zuschauer es am Ende als stimmiges Ganzes wahrnimmt.» Wobei das mit dem Detail wirklich durchgezogen wird: Wer genau hinschaut, erkennt beispielsweise über dem mondänen King-Size-Bett, das in einer Szene der neuen Staffel auftaucht, jenes Bild, das auch im Intro eingeblendet wird.

Frau liest ein Buch auf einer Liege am Pool, umgeben von anderen entspannenden Menschen.

Apropos King-Size: Die Suite, in der das erwähnte Superbett steht – vier Schlaf-, ebenso viele Badezimmer und zwei Privatpools inklusive –, kostet im richtigen Leben locker 10’000 Franken pro Nacht. Da bleibt einem als Zuschauer nur die Wahl, sich zurücklehnen und wohlig dem Eskapismus zu frönen – oder aber sich zerknirscht einzugestehen, dass man sich das nie und nimmer wird leisten können. Nach der Ausstrahlung der neuesten Staffel erst recht nicht, denn die Preise dürften dann noch einmal in die Höhe schiessen.

Overtourism wurde vor Drehbeginn diskutiert

Sind sich die Serienmacher der Auswirkungen ihrer Präsenz auf die Drehorte bewusst? Kamine lässt durchblicken, man habe mit den Hotelmanagern aller «White Lotus»-Staffeln intensiv über Overtourism debattiert. Allerdings, argumentiert er, habe man auch stets Destinationen gewählt, die bereits über eine solide Tourismusinfrastruktur verfügen und eine gewisse Anzahl von Extrabesuchern verkraften könnten.

Die Aussicht ist so krass, hier würde auch ein Butterbrot zum Festessen: Eines der Restaurants im Four Seasons Hotel auf Koh Samui.

Und doch. Ruft man sich in Erinnerung, wie andere Filme, die in Thailand gedreht wurden, in der Vergangenheit den Tourismus angekurbelt haben, kommt man schon ins Grübeln. «The Beach» mit Leonardo DiCaprio etwa führte regelrecht zu Dichtestress auf der Insel Ko Phi Phi Leh – es war so schlimm, dass der Strand auf Drängen von Meeresbiologen schliesslich gesperrt werden musste.

Noch irritierender ist jedoch, dass beim Gastland kein Plan zu existieren scheint, wie man den zu erwartenden Ansturm durch «White Lotus» abzufedern gedenkt. Als unlängst die BBC bei Tourism Thailand anklopfte, verwies ein Sprecher kurz angebunden darauf, dass man schliesslich immer noch daran sei, den Tourismus nach Covid wieder hochzufahren. Und wer den Rummel scheue, der solle doch in der Nebensaison anreisen.

Am Ende der Staffel werden sich diese fünf erfahrungsgemäss wünschen, nie hier angeheuert zu haben. Wenn sie denn noch leben … Screenshot aus der dritten Staffel «The White Lotus».

Also vielleicht heuer lieber nicht nach Thailand? Wenn es aber doch ein Serien-inspiriertes Ferienziel sein soll, gibts durchaus Alternativen. Die zweite Staffel von «Wednesday», die ebenfalls 2025 erscheint, spielt in einer fiktiven Stadt im US-Staat Vermont, gedreht wurde sie allerdings in Rumänien und in Irland. Und das sehnsüchtig erwartete Finale von «Stranger Things», das für Ende Jahr erwartet wird, führt erneut nach Hawkins, Indiana – das in Wirklichkeit Jackson heisst und im Bundesstaat Georgia liegt.

Schon «The Walking Dead» und «The Vampire Diaries» sind dort gedreht worden. Das Städtchen – eine wenig ereignisreiche Autostunde von Atlanta, der Hauptstadt des US-Bundesstaats, entfernt – ist offenbar eine beliebte Kulisse, wenn verschlafene Suburbanität gefragt ist. Die örtliche Tourismusbehörde hat aus Zitronen Limonade gemacht – und listet auf ihrer Website zig Ideen auf, wie Filmfreaks aus einem Besuch das cineastische Maximum herausholen können. Nur mit etwas könne man, liebe «Stranger Things»-Fans, bei bestem Willen nicht dienen: mit dem «Upside Down».