Kolumne «Miniatur des Alltags» Wer wurde schon gefedert?
Eine halbe mittelalterliche Strafe erlebte der Autor, als er die Waschküche betrat.
Einen Feierabend stellt man sich anders vor. Zwar wusste ich, dass zu Hause der Hund der Freundin meiner Frau wartete. Mit Dogsitting war den beiden der unbeschwerte Kinoabend gesichert. Aber dann kam noch dieser atemlose Anruf. «Du, Schatz, irgendwas ist mit einem Daunenkissen im Tumbler passiert. Ich bin schon unterwegs zum Bahnhof, konnte es leider nicht mehr machen. Ciao!»
Daheim kam zunächst der Hund dran: Kurz Gassi gehen, dann Futter zubereiten. Erst dann wagte ich den Weg in die Waschküche. Mit jeder Stufe zum Keller stellte ich mir konkreter vor, was mich erwarten würde. Die Wirklichkeit übertraf alles.
Die Klappe des Tumblers auf der Waschmaschine stand nur einen kleinen Spalt offen, aber daraus quoll ein Haufen Daunen. Der Boden war übersät von den Federn aus dem gerissenen Kissen. Dass dies ein Bruchteil der Gesamtmenge war, wurde offensichtlich, als ich den Tumbler ganz öffnete. Die Trommel war voll – mit Betonung auf «war». Denn jetzt suchten die Daunen ungebremst ihren Weg nach draussen. Im Nu war ich von oben bis unten gefedert. So müssen sich Übeltäter im Mittelalter gefühlt haben. Zum Glück wurde ich nicht zuvor geteert.
Mit blossen Händen und einem Kehrichtsack versuchte ich den Bergen beizukommen. Keine Chance, die Haufen zerstieben ob der Leichtigkeit sofort zwischen den Fingern. Nur vereinzelte Federn landeten im Sack – so leicht kann Sisyphusarbeit sein.
Nach zwei Stunden stand ich da mit einem 35-Liter-Sack Federn und drei prall gestopften Staubsaugersäcken zu meinen Füssen. Und ich lachte laut. Denn die Vorstellung, dass das demnächst alles beim schwungvollen Beladen des Kehrichtwagens aufplatzt und ganz Stäfa gefedert wird, ist zu köstlich. Wenns hier bald schneit, dann war ich es, der Frau Holle auf die winterlichen Sprünge geholfen hat.
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