Resultate zu Stadtratswahlen ZürichFDP-Mann Baumer zittert sich zum Sieg | SP wieder mit vier Sitzen
Der FDP-Stadtrat verteidigt seinen Sitz nach einem bis zum Schluss extrem spannenden Rennen gegen Walter Angst (AL). Die Linke kann ihre Regierungsmehrheit nicht weiter ausbauen.
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Das Wichtigste in Kürze:
Das Kräfteverhältnis zwischen Links und Rechts in der Zürcher Stadtregierung bleibt unverändert, der linke Grossangriff auf den Stadtrat bleibt ohne Wirkung. Die AL verliert ihren Sitz an die SP, die FDP kann ihre Sitze halten. Alle Bisherigen schaffen die Wiederwahl.
Die neu angetretene Simone Brander (SP) erzielt in allen ausgezählten Kreisen gute Ergebnisse. Sie erobert für ihre Partei den 2018 verlorenen vierten Sitz in der Stadtregierung zurück.
Dahinter hat sich der amtierende Michael Baumer (FDP) in einem lange Zeit sehr engen Duell gegen seinen linken Herausforderer Walter Angst (AL) durchgesetzt.
Für wen haben Sie sich entschieden und weshalb? Nehmen Sie hier an unserer Nachwahlbefragung teil.
Hier geht es zu den Resultaten der Gemeinderatswahlen.
Waser und die «Peoplepower»
Dominik Waser steht mit Freundinnen vor dem Café Grande am Limmatquai, eine Selbstgedrehte zwischen den Fingern, in die Sonne blinzelnd. Feiern werde man sowieso, egal wie die Wahlen ausgingen, sagt der dritte grüne Stadtratskandidat, der kürzlich 24-jährig wurde. «Die Kampagne ist sehr erfolgreich verlaufen.» Drei Monate lang habe er quasi hauptberuflich Wahlkampf betrieben, viele junge Menschen hätten ihn unterstützt. «Wir haben mit Peoplepower wettgemacht, was uns an Geld fehlte.»
Wasers Leben würde sich mit einer Wahl komplett verändern. Er habe sich aber mit Gesprächen auf die mögliche Aufgabe vorbereitet, sagt er. Den heutigen Nachmittag wird er zusammen mit Unterstützerinnern und Unterstützern verbringen. «Ich versuche, diesen schönen Sonntag trotz der Anspannung zu geniessen.»
Angst hofft auf die hohe Wahlbeteiligung
Walter Angst tritt zum dritten Mal zur Stadtratswahl an. 2006 erzielte er nicht einmal 3000 Stimmen und landete chancenlos auf dem 17. Platz. Vier Jahre später waren es dreimal so viele Stimmen, aber Angst blieb auf dem 14. Platz dennoch weit davon entfernt, in den Stadtrat einzuziehen. Ganz anders sind die Vorzeichen am heutigen Wahlsonntag. Angst ist als profilierter Gemeinderat in der Stadt bekannter und die AL hat sich 2013 überraschend einen Sitz im Stadtrat gesichert. Diesen soll Angst nun verteidigen. Der Druck lastet in diesem Jahr ungleich höher auf dem 60-Jährigen.
Entsprechend ruhig versucht es Angst heute anzugehen. Um 13 Uhr unternimmt er bei schönem Wetter gut gelaunt einen Spaziergang am Uetliberg. Sein Motto: Möglichst ruhig, möglichst wenig Menschen – bevor dann der Sturm beginnt und um 15 Uhr die ersten Resultate eintreffen. «Wir befinden uns in einem totalen Blindflug», sagt Angst auf die Frage, was er erwartet. Insbesondere wisse er nicht, was er von der hohen Stimmbeteiligung halten soll. Er habe den Eindruck, dass die Stadt vor allem links geprägt sei und die hohe Beteiligung ihm helfen könnte. «Offenbar geht es den Leuten um etwas», sagt Angst. (zac)
Erste Abwahl seit 1998 droht
Es dürften zähe Stunden werden für Michael Baumer, den 47-jährigen FDP-Stadtrat. Zürichs oberster Trämler und Energieminister gilt als Wackelkandidat. Er konnte sich in der vergangenen Amtszeit öffentlich kaum profilieren, sowohl der junge Klimaaktivist Dominik Waser von den Grünen als auch Walter Angst von der AL sind ihm dicht auf den Fersen. Baumer erlebt die Zitterpartie bei sich zu Hause. Ab 17 Uhr, so der Plan, wird er sich im James Joyce Pub in der Innenstadt zur Wahlfeier einfinden.
Für die FDP wäre ein weiterer Sitzverlust in weniger als zehn Jahren ein Desaster. 2013 hatte die Partei einen Stadtratssitz an Richard Wolff von der AL verloren. Hinzu kommt, dass seit 1998 kein bisheriger Stadtrat mehr abgewählt wurde. Damals traf es mit Hans Wehrli ebenfalls einen Freisinnigen. Seine Abwahl war erst die sechste seit dem Zweiten Weltkrieg.
1994 scheiterte der wegen seiner Verkehrsberuhigungspolitik umstrittene Rudolf Aeschbacher (EVP) («Schwellen-Ruedi»). 1986 traf es den wegen eines Finanzdebakels beim Kongresshaus-Umbau in die Kritik geratenen FDP-Hochbauvorstand Hugo Fahrner, 1978 die Freisinnige Regula Pestalozzi nach der Sterbehilfe-Affäre um einen Triemli-Chefarzt. 1958 war der Unabhängige Hans Sappeur nicht wieder gewählt worden, 1946 der Christlichsoziale Anton Higi. (mth)
Der jüngste Stadtrat überhaupt?
Intakte Wahlchancen hat laut Umfrage der Klimabewegte Dominik Waser von den Grünen, der gerade erst 24 Jahre alt geworden ist. Sollte er es tatsächlich in den Stadtrat schaffen, wäre das ein Rekord, wie es ihn im modernen Zürich seit der Stadterweiterung Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht mal annähernd gab.
Der bislang jüngste Stadtrat in dieser Reihe ist einer, dessen Name ebenfalls mit einer Phase linker Dominanz verbunden ist: Emil Klöti, der später als Stadtpräsident dem «Roten Zürich» der 1930er Jahre vorstehen sollte. Bei seiner Wahl in den Stadtrat 1907 war er 29 Jahre alt.
Auf der anderen Seite des Spektrums steht der 60-jährige Walter Angst (AL), der den Sitz von Richard Wolff verteidigen soll. Er wäre bei einer Wahl der bei Amtsantritt drittälteste Stadtrat der letzten 140 Jahre. Vor ihm stehen in dieser Rangliste nur Otto Sing, eine Figur aus den 1930er-Jahren, und Filippo Leutenegger (FDP), der bei seiner Wahl 61-jährig war.
Im Durchschnitt gehen neu gewählte Stadträtinnen und Stadträte auf die Fünfzig zu – dieser Wert ist seit Jahrzehnten recht stabil. (hub)
Auftakt
Willkommen zur Live-Berichterstattung zu den Zürcher Stadtratswahlen. An dieser Stelle informieren wir Sie in den nächsten Stunden über die neusten Resultate, liefern Reaktionen und analysieren den Wahlverlauf. Die Stadtkanzlei erwartet erste Resultate au den Wahlkreisen um circa 15 Uhr. Bis das Endergebnis da ist, kann es durchaus bis 19 Uhr dauern.
Nachwahlbefragung
Für wen haben Sie sich entschieden? Wem geben Sie Ihre Stimme und weshalb?
Sagen Sie es uns und nehmen Sie an der durch die Forschungsstelle Sotomo durchgeführten Wahlumfrage teil.
Wer holt sich die Plätze 8 und 9 im Stadtrat?
Die «Tages-Anzeiger»-Umfrage der Forschungsstelle Sotomo hat Anfang Januar gezeigt, dass die Plätze eins bis sieben im Stadtrat relativ klar an die Bisherigen Daniel Leupi (Grüne), Corine Mauch (SP). André Odermatt (SP), Raphael Golta (SP), Karin Rykart (Grüne), Andreas Hauri (GLP) und Filippo Leutenegger (FDP) gehen dürften.
Dahinter wird es gemäss der Umfrage spannend. Die Plätze acht bis zehn trennten damals bloss 3 Prozentpunkte. Simone Brander (SP) platzierte sich knapp vor Michael Baumer (FDP, bisher), Dominik Waser (Grüne) und Walter Angst (AL).
Die grösste Überraschung wäre es, wenn Dominik Waser für die Grünen einen dritten Sitz holen würde. Der 24-Jährige wurde durch sein Engagement in der Klimabewegung landesweit bekannt. Er ist in der parlamentarischen Politik noch gänzlich unerfahren. Simone Brander politisiert am linken Rand der SP, und weil sie keine Bisherige ist, schneidet sie von den Sozialdemokraten klar am schlechtesten ab. Es wäre aber eine grosse Überraschung, wenn es der SP nicht gelingen würde, den vierten Sitz wieder zu erobern.
Knapp könnte es für den Stadtrat der FDP, Michael Baumer, werden. Der Vorsteher der Industriellen Betriebe hat in den vergangenen vier Jahren für wenig Aufsehen gesorgt. Nachdem die FDP ihren dritten Sitz 2013 an Richard Wolff von der Alternativen Liste verloren hat, wäre ein weiterer Sitzverlust in weniger als zehn Jahren für die Freisinnigen ein Desaster. Hinzu kommt, dass seit 1998 kein bisheriger Stadtrat mehr abgewählt wurde. Damals traf es mit Hans Wehrli auch einen Freisinnigen.
Die Bisherigen bleiben
Dass es aktuell nur ein Rennen um die letzten beiden Plätze gibt, hat damit zu tun, dass die amtierenden Stadträtinnen und Stadträte im Frühjahr überraschten. Eigentlich rechneten Journalistinnen und Politbeobachter damit, dass es auf diese Wahlen hin zu mehreren Rücktritten kommen könnte. Auf der Liste der möglichen Rücktrittskandidaten standen vier Namen. Von der SP waren es Corine Mauch und André Odermatt, die beide in diesem Frühjahr schon 13 respektive 12 Jahre an der Macht sein werden. FDP-Mann Filippo Leutenegger sitzt zwar erst, seit acht Jahren in der Stadtregierung, ist aber bereits 69-jährig. Ebenfalls auf der Liste stand AL-Mann Richard Wolff. Zur Überraschung vieler, entschied sich aber einzig Wolff gegen eine erneute Kandidatur. Neun Amtsjahre seien genug, sagte er vor den Medien.
Aber was sind schon neun Jahre Amtszeit im historischen Vergleich? Marco Sieber, Mitarbeiter von Statistik Stadt Zürich, hat kürzlich eine Grafik veröffentlicht, die zeigt, wie lange Stadträtinnen und Stadträte im Amt waren. Den Rekord bei den Stadträten hält Emil Klöti (SP) mit 35 Jahren. Von den Stadträtinnen hat Emilie Lieberherr am längsten regiert, ganze 24 Jahre.
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