Drei überraschende FaktenWer die Schweizer Politik finanziert
Im Wahljahr 2019 flossen 100 Millionen Franken in politische Kampagnen. Ein neues Buch beleuchtet, wer zahlte und wohin das Geld floss.

Wer zahlt wie viel für Abstimmungs- und Wahlkämpfe? Das ist in der Schweiz ein gut gehütetes Geheimnis – noch. Das Parlament hat 2021 neue Transparenzvorschriften erlassen. Politische Spenden von über 15’000 Franken pro Jahr und Person müssen ausgewiesen werden.
Aber noch sind die Auswirkungen der neuen Bestimmungen unklar. So sind die Wirtschaftswissenschaftler Peter Buomberger und Daniel Piazza prädestiniert, Licht ins Dunkel zu bringen: Buomberger war Chefökonom der UBS, Piazza war Finanzchef der CVP und politisiert heute für Die Mitte im Luzerner Kantonsrat.
Die beiden können dank zahlreichen Quellen und Interviews mit Insidern fundierte Schätzungen der geheimen Geldflüsse abgeben. Sie haben ihre Erkenntnisse in einem neuen Buch festgehalten: «Wer finanziert die Schweizer Politik?». Buomberger und Piazza konzentrieren sich in ihrer Untersuchung auf das Wahljahr 2019 und das Nichtwahljahr 2020 mit der Abstimmung über die hoch umstrittene Initiative über die Konzernverantwortung.
Links-grüne NGOs sind heute finanzstärker als Wirtschaftsverbände
2011 kam eine Studie des Politgeografen Michael Hermann noch zum Schluss: «Das Geld liegt rechts der Mitte.» Hermann hatte die Werbeausgaben bei Abstimmungskämpfen ausgewertet. Das Ergebnis: Insbesondere bei ihren Kernthemen müsse die Linke fast immer gegen eine finanzielle Übermacht von bürgerlichen Parteien und Verbänden ankämpfen.
Laut Buomberger und Piazza hat sich das im letzten Jahrzehnt fundamental geändert. 2019 und 2020 betrugen die Beiträge links-grüner NGOs und Gewerkschaften an Abstimmungskampagnen je rund 19 bis 20 Millionen Franken. Damit überstiegen diese die Beiträge der bürgerlichen Wirtschafts- und Branchenverbände um knapp ein Drittel.
Einschränkend muss man allerdings sagen: Die beiden Jahre waren durch Abstimmungen geprägt, in denen sich links-grüne NGOs besonders stark engagierten, etwa die Konzernverantwortungsinitiative. Dennoch sind sich die Autoren sicher: Links-grüne NGOs und Gewerkschaften haben Wirtschafts- und Branchenverbände als wichtigste Finanzierungsquelle von Abstimmungskampagnen abgelöst.
Nicht Firmen, sondern Private sind die grössten Geldgeber von Parteien und Abstimmungskomitees
Im Wahljahr 2019 flossen rund 100 Millionen Franken in Abstimmungs- und Wahlkampagnen. Davon stammten 69 Millionen von Einzelpersonen und nur 24 von Firmen. Der Rest, also nur 7 bis 10 Millionen, kamen vom Staat, in Form von Fraktionsbeiträgen. 2020 kamen noch immerhin insgesamt rund 63 Millionen Franken zusammen, davon 40 von Einzelpersonen, 19 von Firmen und 9 vom Staat.
Für die Autoren ist der hohe Finanzierungsanteil Einzelner «typisch Schweiz» und «die logische Konsequenz» der direkten Demokratie: «Bottom-up» würden Mitglieder, Sympathisanten, Mandatsträger und freie Spender die Finanzierung von Politakteuren und Kampagnen sicherstellen.
Die hohe – und zunehmende – Bedeutung von privaten (Klein-)Spenden ist unter anderem auch eine direkte Folge der Digitalisierung: Die Autoren schreiben, dass Crowdfunding-Aktionen an Wichtigkeit in der Schweizer Politik zulegten – und damit auch in der Politikfinanzierung.
NGOs und Wirtschaftsverbände haben doppelt so viele Mittel zur Verfügung wie die Parteien
Die Parteien sind die armen Leute im Politikbetrieb. In beiden untersuchten Jahren steckten links-grüne Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftsverbände zusammengezählt doppelt so viel Geld in die politische Arbeit wie die Parteien.
Die Parteien seien so schlank gehalten, schreiben die Autoren, dass sich für sie die Frage aufdränge, «wie sie darauf reagieren, dass alle anderen Politakteure immer mehr Geldmittel und weitere Ressourcen in ihre politische Arbeit stecken können». Die Funktion als Rückgrat der Politik drohe den Parteien abhandenzukommen.
Gegen staatliche Parteienfinanzierung
Die Autoren Peter Buomberger und Daniel Piazza betonen, dass sie ihre Studie ohne Auftrag und ohne vorgefasste Meinung verfasst haben. In ihren Schlussfolgerungen kommt aber ihre bürgerliche Prägung zum Ausdruck. Sie lehnen eine staatliche Parteienfinanzierung ab. Denn die private Finanzierung sei dem politischen System der Schweiz angemessen.
Peter Buomberger und Daniel Piazza: Wer finanziert die Schweizer Politik? NZZ Libro, Zürich 2022. 280 Seiten, ca. 35 Fr.
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