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Meinung

Kommentar zu Brexit und Nordirland
Wenn Recht zu Unrecht wird

Während die britische Regierung in Belfast Firmen dazu aufruft, sich auf die neuen Handelsregeln einzustellen, lehnt ein Graffiti-Sprayer die Grenzkontrollen in Nordirland ab.
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Die Briten haben recht, aber mit ihren Aktionen setzen sie sich ins Unrecht: London verkündet, bestimmte Erleichterungen bei der Zollbürokratie in Nordirland einseitig zu verlängern, ohne Zustimmung der EU. Das ist ein Affront, ändert jedoch nichts daran, dass solch ein Aufschub tatsächlich geboten ist. Grossbritannien und die EU einigten sich ja erst an Heiligabend auf einen Handelsvertrag; für Unternehmen ist daher seit gerade mal zehn Wochen klar, worauf genau sie sich einstellen müssen bei den Zollformalitäten.

Ende März laufen nun die Übergangsfristen für Nordirland aus. Danach kommt auf Betriebe noch mehr Bürokratie zu, wenn sie Waren aus dem Rest des Vereinigten Königreichs nach Nordirland transportieren. Die EU-Kommission und London sollten sich auf eine massvolle Verlängerung der Übergangsphase verständigen, damit Zollbehörden und Unternehmen sich ausreichend vorbereiten können. Schliesslich kann niemand ein Interesse daran haben, dass die Nordiren im April vor leeren Supermarktregalen stehen – auch nicht die EU.

Die neue Zollbürokratie ist die logische Folge des harten Brexit-Kurses von Premier Boris Johnson und des Nordirland-Protokolls, das der Konservative mit der EU vereinbart hat. Das Protokoll ist Teil des Austrittsvertrags und soll verhindern, dass zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland Zollkontrollen nötig sind. Dafür gibt es diese Kontrollen jetzt an den Fährhäfen in Nordirland.

Seine Lüge setzt Johnson mächtig unter Druck.

Johnson versprach freilich, es werde keine Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest des Königreichs geben – eine glatte Lüge, aber diese gehen den Brexit-Vorkämpfern ja sehr leicht über die Lippen, wie die Erfahrung lehrt. Zugleich setzt diese Lüge Johnson mächtig unter Druck: Kontrollen und Bürokratie sind unvermeidlich, und doch muss Johnson den Anschein erwecken, dagegen zu kämpfen und sie abwenden zu können. Ansonsten würde er seine treuen Brexit-Anhänger enttäuschen.

Genau dieser Imagepflege dient die Entscheidung der Regierung, Zollerleichterungen eigenmächtig zu verlängern und damit Absprachen aus dem Nordirland-Protokoll zu brechen: Johnson und sein krawalliger Vertrauter Lord David Frost, der für die EU zuständige Minister, können sich als aufrechte Streiter gegen unbotmässige Brüsseler Vorgaben inszenieren.

Brüssel muss aus Prinzip Härte zeigen, obwohl in der Sache Nachgeben angesagt ist.

Den Unternehmen und Bürgern in Nordirland dient dieses Manöver allerdings nicht, denn die EU-Kommission kann und darf nicht den Eindruck erwecken, dass sich solche Provokationen auszahlen. Ansonsten würde die Behörde Johnson nur ermuntern, weiter auf Konfrontation zu setzen. Schliesslich wird der Disput um Zollregeln in Nordirland mit Sicherheit nicht der letzte Streitpunkt in diesem schwierigen Verhältnis frisch Geschiedener sein.

Brüssel muss also aus Prinzip Härte zeigen, obwohl in der Sache Nachgeben angesagt ist. Die Übergangsfristen müssen verlängert werden, den Menschen und dem Friedensprozess in Nordirland zuliebe, aber zugleich darf dies nicht wirken wie ein Triumph des notorischen Lügners und Hasardeurs Johnson. Ein Balanceakt – und der Preis des Scheiterns wäre hoch.