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Wenn die Partnerin plötzlich Frauen liebt

Die sexuelle Reifungskrise zählt zu den am wenigsten psychiatrisch erforschten Diagnosen.
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Wie hoch ist das Risiko, dass eine Frau nach dem letzten Kind ihre sexuelle Orientierung wechselt?

Laut dem ICD-20 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen der WHO) leidet bei einer sexuellen Reifungskrise die betroffene Person unter einer Unsicherheit hinsichtlich ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung. Das geht mit Ängsten oder Depressionen einher. Die Reifungskrise kommt überwiegend bei Heranwachsenden vor, welche sich hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierung nicht sicher sind.

Weniger häufig jedoch trifft man sie auch bei älteren Menschen an, die nach einer Zeit scheinbar stabiler sexueller Orientierung (sei es homo- oder heterosexuell) die Erfahrung machen, dass sich ihre sexuelle Orientierung ändert. Für kaum eine andere «psychische Störung» werden die möglichen Ursachen so vielseitig beschrieben. So bedient sich die Epidemiologie einer Reihe verschiedenster psychologischer, hormoneller, genetischer, physiologischer und tiefenpsychologischer Hypothesen zur Entstehung.

Verlässliche Zahlen fehlen

Dennoch tappt man bezüglich der konkreten Ursachen nach wie vor im Dunklen. Dies unter anderem deswegen, weil die sexuelle Reifungskrise zu den am wenigsten psychiatrisch erforschten Diagnosen zählt. Denn sie wird – zum Glück – nicht von jedem Arzt als Störung im klassischen Sinne angesehen, sondern erst dann als ernsthaft eingeschätzt, wenn eine komorbide Störung wie eine Depression hinzukommt. Zudem suchen die Betroffenen gerade im späteren Erwachsenenalter nur sehr vereinzelt den Therapeuten auf.

Aufgrund der mangelnden Fälle und der spärlichen Forschung ist es schwierig, verlässliche Aussagen dazu zu machen, inwieweit eine Schwangerschaft ein Risiko für eine sexuelle Reifungskrise darstellt oder bei wie vielen Frauen dies der Fall ist. Fakt ist, dass eine sexuelle Reifungskrise durchaus in einem späteren Lebensabschnitt eines Menschen auftreten kann. Manchmal werden homosexuelle Tendenzen ein Leben lang unterdrückt oder nur in der Fantasie oder heimlich ausgelebt. Dies kann unter Umständen am gesellschaftlich vermittelnden Druck liegen, dem das heranwachsende Kind ausgesetzt ist. Denn eine heterosexuelle Beziehung wird nach wie vor als «Norm» angesehen und oft auch innerhalb der Familie so vermittelt.

Neue Lebensqualität schaffen

Es ist durchaus möglich, dass nach erfülltem Kinderwunsch eine homosexuelle Neuorientierung stattfindet, deren endgültige Ausgestaltung eben erst nach dem Muttersein einsetzt. Letztlich geht es bei Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung nicht darum, einer Norm gerecht zu werden. Und zu einer Störung avanciert eine sexuelle Reifungskrise hauptsächlich dann, wenn man seine eigenen Gefühle und Wünsche negiert und ihnen kein Gehör verschafft. Eine neu erlangte Offenheit oder Reorganisierung der Geschlechtsorientierung kann nämlich auch befreiend wirken und neue Lebensqualität schaffen.

Dieser Artikel wurde erstmals am 8. Juni 2017 publiziert und am 31. Juli 2023 in dieses Redaktionssystem übertragen.