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Neue Klimaschutz-Steuer
Wenn Benzin an der Grenze teurer wird

Mehr Klimaschutz: Besonders CO₂-lastige Produkte sollen verteuert werden. 
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Werden Produkte aus dem Ausland teurer? Die EU-Kommission will eine Art Klimazoll auf Importgüter einführen. Heute dürfte sie ihre Pläne konkretisieren. Dieser sogenannte CO₂-Grenzausgleich soll verhindern, dass Unternehmen in EU-Staaten ihre Produktion und Investitionen ins Ausland verlagern.

Das Risiko dafür ist real. Bis 2030 will die EU ihre Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent senken, bis 2050 klimaneutral werden. Eine der Folgen dieser forcierten Klimapolitik sind steigende CO₂-Preise im europäischen Emissionshandel. CO₂-Preise werden weltweit erst in 46 Staaten erhoben, dazu auf verschiedenen Niveaus. Das zeigt eine neue Studie, welche die Berliner Stiftung Wissen und Politik (SWP) verfasst hat. Die EU will also den Wettbewerbsnachteil ausgleichen, den ihre Industrie gegenüber der Konkurrenz in Ländern mit weniger Klimaschutzmassnahmen erleidet.

Vom Plan der EU ist auch die Schweiz tangiert. Wird sie sich der EU anschliessen und den Kimazoll ebenfalls einführen? Oder zumindest sicherstellen, dass ihre Exporte in die EU nicht zusätzlich belastet werden? Der Bund steht in Kontakt mit der EU-Kommission, wie das Bundesamt für Umwelt (Bafu) auf Anfrage sagt. «Wir verfolgen die Entwicklungen in der EU sehr aufmerksam», sagt ein Bafu-Sprecher. Noch keine Aussage macht das Bundesamt zur Frage, welche Konsequenzen ein solcher Mechanismus für die Schweiz hätte. Für eine Beurteilung sei es zu früh.

«Die inländische Bevölkerung müsste mehr für das Gleiche bezahlen.»

Hans-Ulrich Bigler, Gewerbeverband

Anderswo ist man weiter. Hans-Ulrich Bigler warnt davor, den Klimazoll einzuführen. «Das wäre eine Abschottung im Klimaschutzkleid», sagt der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands. «Die inländische Bevölkerung würde schlechter gestellt, weil sie mehr für das Gleiche bezahlen müsste.» In einem ersten Schritt will die EU-Kommission allerdings nur jene Importprodukte verteuern, die als besonders klimabelastend gelten, denkbar sind etwa Zement, Erdöl, Strom aus Kohlekraft, Eisen, Stahl und Aluminium.

Klare Erwartungen hat auch die exportierende Industrie. «Die Schweiz sollte von diesem Instrument ausgenommen werden», sagt Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Für Swissmem wäre das der einzig logische Schritt, ist doch seit 2020 das Schweizer mit dem Europäischen Emissionshandelssystem verknüpft. Damit sind die EU- und die Schweizer Hersteller emissionsintensiver Produkte im gleichen System und bezahlen den gleich hohen CO₂-Preis.

«Die EU könnte die Schweiz hier als nicht genügend ambitioniert einstufen.»

Claudia Egli, Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen

Auch die Strombranche geht davon aus, dass die Schweizer Exporte in die EU vom Klimazoll nicht betroffen wären. Der EU ist es allerdings wichtig, dass Drittländer ähnlich ehrgeizige Klimaschutzpläne haben wie sie. «Es ist also nicht auszuschliessen, dass sie die Schweiz hier als nicht genügend ambitioniert einstufen könnte – vor allem aufgrund der klimapolitischen Unsicherheit nach der Ablehnung des CO₂-Gesetzes», sagt Claudia Egli vom Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen. Sollte die EU den Klimazoll auf helvetische Produkte einführen, würden Schweizer Firmen «doppelt belastet», warnt Kohl von Swissmem: durch den Preis im Emissionshandelssystem sowie den neuen Zoll. Das aber werde kaum WTO-konform sein.

Das Geschäft treibt inzwischen auch das Parlament um. Die nationalrätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben fordert, die Schweiz solle sich am CO₂-Grenzausgleich der EU beteiligen. Im Mai hat sie eine entsprechende Kommissionsmotion beschlossen. Bereits im Dezember zuvor hat der Nationalrat den Bundesrat beauftragt, einen Bericht zur Thematik zu verfassen – unabhängig von der Entwicklung in der EU. Die drängende Frage lautet: Welche Instrumente tilgen die Wettbewerbsnachteile im internationalen Handel, die entstehen können, weil hierzulande Umweltstandards und Umweltabgaben höher als im Ausland sind?

Klimaclub als Alternative?

Nationalrat Roland Fischer (GLP, LU) gehört zu den treibenden Kräften hinter einem Anschluss der Schweiz ans EU-System. Da der Schweizer Emissionshandel mit jenem der EU verlinkt ist, sieht Fischer auch für die Schweiz das Risiko, dass energieintensive Sektoren ihre Emissionen ins Ausland verlagern oder ihre Produkte durch Importe aus Ländern ohne oder mit nur tiefen CO₂-Preisen konkurrenziert werden. «Ohne Anschluss besteht deshalb die Gefahr, dass die Klimaziele der Schweiz unterlaufen werden und Schweizer Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil erleiden.»

Patrick Dümmler von Avenir Suisse plädiert für einen einheitlichen Strafzoll für alle Importe aus Ländern, welche die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens nicht genügend stark vorantreiben.

Skeptisch ist dagegen Patrick Dümmler von der Denkfabrik Avenir Suisse. Die Schweiz, so macht er geltend, sollte den CO₂-Grenzausgleich nicht übernehmen, aber sicherstellen, dass Schweizer Exporte in die EU nicht verteuert werden. Fast die Hälfte der Ausfuhren gehen in die EU. «Ein CO₂-Grenzausgleich würde unsere Exportwirtschaft und damit unseren Standort schwächen», sagt Dümmler.

Er plädiert dafür, stattdessen einen Klimaclub zu gründen. Die Idee: Klimaschutzwillige Länder erheben einen einheitlichen Strafzoll für Importe aus Ländern, welche die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens nicht genügend stark vorantreiben, und zwar für alle Importe, nicht nur für ausgewählte Produkte. Ein solches System, so Dümmler, sei weniger bürokratisch, effektiver und effizienter.

«Es ist zu begrüssen, dass die EU hier vorangeht.»

Roland Fischer, Luzerner GLP-Nationalrat

Nationalrat Fischer sieht indes im CO₂-Grenzausgleich einen wichtigen Anreiz für die Handelspartner, ebenfalls CO₂-Preise einzuführen, damit deren Produkte an der Grenze nicht belastet werden und wettbewerbsfähig bleiben. «Es ist deshalb zu begrüssen, dass die EU hier vorangeht.»

«Die EU sollte einen Alleingang vermeiden»: Kurt Lanz von Economiesuisse.

Zweifelhaft ist indes, ob die EU-Handelspartner das gleich beurteilen. Ihre Reaktionen sind bislang überwiegend skeptisch bis negativ ausgefallen. Einen möglichen Angriffspunkt bietet ihnen das internationale Handelsrecht, das im Grundsatz einen diskriminierungsfreien Handel verlangt. Die Berliner SWP-Studie nennt die Vereinbarkeit des Grenzausgleichs mit den WTO-Regeln denn auch als den «rechtlich und politisch offensichtlichsten Fallstrick».

Ein Zusammenschluss mit weiteren grossen Handelspartnern, etwa China und den USA, wäre jedoch wichtig, um dem Ziel eines global einheitlichen Umgangs mit Treibhausgasemmissionen näherzukommen. Als Handelsmacht sei die EU dafür zu klein, sagt Kurt Lanz vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. «Insofern sollte sie einen Alleingang vermeiden.»