Studie zur TrinkwasserinitiativeWeniger Pestizide in der Schweiz, dafür mehr Importware im Einkaufskorb
Die Trinkwasserinitiative erhöht die Umweltbelastung unserer Ernährung – selbst wenn es gelingt, Food-Waste zu verringern und Importe nachhaltiger zu machen. Das zeigt eine neue Studie des Bundes. Sie weckt Kritik.
Weniger Pestizide und Nutztiere, weniger Importfutter und Antibiotika, dafür «sauberes Wasser und eine intakte Umwelt»: Die Trinkwasserinitiative, die am 13. Juni zur Abstimmung gelangt, verspricht mehr Ökologie. Doch kann sie dieses Versprechen halten?
Die Forschungsanstalt für Land- und Ernährungswirtschaft des Bundes (Agroscope) hat in einer Studie untersucht, welche Folgen die Initiative auf die Umweltbelastung unserer Ernährung hat.
Das Ergebnis: Bei der grossen Mehrheit der Öko-Indikatoren bewirkt sie eine Verschlechterung, zum Beispiel bei der CO2-Belastung, der Wasserknappheit und dem Risiko für Artenverlust. Einzig bei der Gewässerverschmutzung durch Pestizide und andere Stoffe schneidet sie besser ab.
Initiative führe zu Importen
Wie kommt Agroscope zu diesem Befund? Die Forscher gehen davon aus, dass eine Landwirtschaft mit weniger Pestiziden und weniger Nutztieren auch weniger produktiv ist, also weniger einheimische Produkte liefert. Die Folge: mehr Importe von Nahrungsmitteln und damit verknüpft ein Anstieg der Umweltbelastung insgesamt. Die Experten des Bundes haben in der Folge auch die ungünstigsten 25 Prozent der Importe identifiziert, dazu gehören zum Beispiel Maiskörner und Milch aus Frankreich, Schweinefleisch aus Spanien sowie Rindfleisch und Sojaöl aus Brasilien.
Zwar liesse sich der ökologische Fussabdruck verbessern, wenn diese Nahrungsmittel vermehrt aus Ländern stammen, in denen die landwirtschaftliche Produktion besonders umweltfreundlich ist. Das zeigt eine neue Studie, die Agroscope letzte Woche publiziert hat. Je nach untersuchtem Szenario und Umweltwirkung sänke die Umweltbelastung um bis zu 27 Prozent. Noch wirksamer wäre es, Nahrungsmittelverluste und -abfälle möglichst zu vermeiden. Die Umweltwirkungen liessen sich so bis zu 38 Prozent mindern.
Indes, selbst wenn diese zwei Massnahmen umgesetzt würden, so das Fazit von Agroscope, bliebe der frühere Befund derselbe: Das Volksbegehren verursacht bei der Ernährung unter dem Strich mehr Umweltbelastung als eine landwirtschaftliche Produktion nach heutigen ökologischen Vorgaben.
Initianten halten Studie für mangelhaft
Der Befund ist umstritten. Initiantin Franziska Herren monierte schon früher, Agroscope ignoriere wichtige Faktoren, etwa dass man die Importe nachhaltiger gestalten und Food-Waste reduzieren könne. Auf diese Kritik hat die Forschungsanstalt nun mit der neuen Studie reagiert.
«Die Schlussfolgerungen von Agroscope sind wissenschaftlich nicht haltbar.»
Herren qualifiziert nun aber auch diese Arbeit als mangelhaft: Agroscope habe die Szenarien der Studie so gewählt, dass weiterhin in grossem Umfang umweltschädigende Produkte in die Schweiz gelangen würden. Beispielsweise würden Importe, für die in den Herkunftsländern Wälder abgeholzt werden, in den Annahmen der Forscher nicht einmal halbiert, so Herren. Auch habe Agroscope die Frage veränderter Konsummuster nicht untersucht und ausgeblendet, dass die Schweizer Landwirtschaft ihre Umwelt- und Klimaziele seit Jahrzehnten nicht erreiche.
«Die Schlussfolgerungen von Agroscope können aus den Studienergebnissen nicht abgeleitet werden und sind wissenschaftlich nicht haltbar», sagt Herren. Sie seien aber so formuliert, dass sie mühelos als Steilpass gegen die Trinkwasserinitiative dienen könnten. Problematisch sei dies, findet Herren. Für die Initiantin ist klar: Mit weniger Nahrungsmittelverschwendung und nachhaltigen Importen ist eine extensivere Landwirtschaft möglich. Genau das sei der Weg der Trinkwasserinitiative.
Bauernverband sieht sich bestätigt
Es sind Aussagen, die im gegnerischen Lager für heftigen Widerspruch sorgen. «Die Initiative», sagt Bauernpräsident Markus Ritter, «hat weder auf die Ökobilanz der importierten Nahrungsmittel noch auf Food-Waste einen Effekt.» Das Volksbegehren setze anderswo an.
Künftig sollen nur noch jene Bauern Direktzahlungen erhalten, die auf Pestizide und in der Tierhaltung auf den prophylaktischen und regelmässigen Einsatz von Antibiotika verzichten. Auch dürfen sie nur noch so viele Tiere halten, wie sie «mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter» ernähren können.
Der Bauernverband sieht sich durch die Agroscope-Studie bestätigt. «Mit der Initiative verlagern wir die negativen Auswirkungen der Produktion ins Ausland», sagt Ritter. Und weil die inländische Produktion nachhaltiger sei, sei der negative Effekt dort grösser.
«Wir weisen den Vorwurf, parteiisch zu sein, zurück. Wir liefern fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse.»
Applaus vom Bauernverband, Schelte von den Initianten: Agroscope steht unter politischer Beobachtung wie selten zuvor – und wehrt sich gegen die Kritik der Initianten, parteiisch zu sein. «Wir weisen diesen Vorwurf zurück», sagt Sprecher Marc Andrey. Agroscope liefere fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse, so auch in diesem Fall. «Diese abzuwägen und Entscheide zu treffen, obliegt der Politik und der Bevölkerung.» Die Publikation der neuen Studie will Agroscope nicht als Einmischung in den Abstimmungskampf verstanden wissen. «Diese Themen», sagt Andrey, «sind für die Öffentlichkeit von grossem Interesse, unabhängig von Volksabstimmungen.»
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