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7 Fragen und Antworten zu K-Pop
Weltverbesserer aus der Retorte

Blackpink sind die zurzeit erfolgreichste Popband aus Südkorea. 2019 waren sie als erste K-Pop-Headliner beim weltberühmten Coachella-Festival in Kalifornien.
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Sie haben Macht, und sie mögen Trump nicht, das wissen sie jetzt auch im Weissen Haus. K-Pop-Fans waren massgeblich daran beteiligt, dass US-Präsident Donald Trump am 20. Juni in Tulsa, Oklahoma, vor nur 6000 Menschen auftreten musste. In einem Stadion, das über 19’000 Personen fasst. Tausende hatten Tickets für die Veranstaltung reserviert und ungenutzt verfallen lassen.

Der Plan, Trump auflaufen zu lassen, wurde dort ausgeheckt und verbreitet, wo den K-Pop-Fans derzeit niemand was vormacht: auf den Social-Media-Kanälen Twitter und Tiktok. Es gibt weltweit rund 100 Millonen K-Pop-Fans, schätzt die Korea Foundation. Ihre Onlinemuskeln lassen die Fans nun auch für politische Anliegen spielen. Anfang Juni haben mehrheitlich US-amerikanische K-Pop-Fans Twitter mit Zehntausenden Beiträgen mit dem eigentlich rassistischen Hashtag #WhiteLivesMatter geflutet: Sie fügten den Posts Videoausschnitte und Bilder ihrer liebsten K-Pop-Stars oder antirassistische Statements an – wodurch die #WhiteLivesMatter-Tweets von rechtsradikal ausgerichteten Usern überschwemmt und kaum auffindbar wurden.

Wie politisch sind die K-Pop-Fans tatsächlich? Was sind ihre Anliegen? Wofür fanen sie, und was hat das mit Trump zu tun? Wir klären die wichtigsten Fragen zum Pop- und Politphänomen.

Was ist K-Pop?

Das «K» steht für «Korea». K-Pop ist also ganz einfach Popmusik aus Korea – und zwar aus Südkorea. Im totalitären Nordkorea ist Pop staatlich geprüfte Folklore mit einigermassen moderner Instrumentierung.

Wie klingt K-Pop?

K-Pop vereint alle Stilelemente, die derzeit bei jungen Hörerinnen und Hörern am besten performen: Da gehen zähe Trap-Beats in synthiebeladene EDM-Strecken über, gefolgt von kaugummigen Mitsing-Refrains – und zwar in einem einzigen Song. Dieser wilde Stilmix kann für West-Pop gewohnte Ohren unzusammenhängend klingen, nimmt aber das sprunghafte und auf Dauerstimulation ausgelegte Konsumverhalten seiner Fans ernst wie kein anderes Genre. K-Pop baut auch sprachlich auf Vielfalt: Textfragmente in Mandarin, Japanisch oder Englisch sind verbreitet in den Songs, oftmals werden von Songs und Alben auch englische oder japanische Versionen veröffentlicht. Die Mehrsprachigkeit macht klar: Die Acts sind auf internationalen Erfolg angelegt. Die Mitglieder der Bands schreiben an den Songs oft selbst mit.

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Ist K-Pop neu?

Nein. Stilprägend waren in den 1990ern die Boygroups Seo Taiji Boys und H.O.T., die rappten und breakdancten dazu in Skikleidern. Ihre Vorbilder: die Retorten-Boybands, die damals in den USA und Europa erfolgreich herangezüchtet wurden und den Markt über Jahre prägten. Vor ihnen war Pop auch in Südkorea patriotisch und zahm – was der Wirkung der ersten westlich beeinflussten Bands Superstar-Schub verlieh und K-Pop zu einem Businessmodell machte. Den ersten Korea-Welthit lieferte Psy 2012 mit «Gangnam Style»: Der Song trieb K-Pop-Elemente auf die Spitze und überfuhr die Welt mit penetranter Synthiemelodie und Zwei-Wörter-Refrain, die clownige Cowboy-Choreo trug das Ihre zum Hype bei. Das Video zum Song übertraf als Erstes die Marke von 1 Milliarde Views auf Youtube. Der Erfolg von «Gangnam Style» zeigt exemplarisch: K-Pop weiss, dass Pop mehr ist als der Song. Dazu gehören der Look, das Tanzen, das Video.

Psy schaffte mit «Gangnam Style» 2012 den ersten koreanischen Welthit.

Wie gross ist K-Pop?

2019 rangierte Südkorea (Einwohnerzahl: 51 Millionen) gemäss Global Music Report des Branchenverbands IFPI auf Platz 6 der weltweit grössten Musikmärkte, hinter den USA, Japan, Grossbritannien, Deutschland und Frankreich. Mit ihrer Welttournee kletterte die bekannteste koreanische Boygroup BTS 2019 auf Platz 15 der «Forbes»-Liste der bestbezahlten Musikerinnen und Musiker – sie liessen damit Pop-Riesen wie Ariana Grande oder die Rolling Stones hinter sich. K-Pop-Bands sind digitale Kraftwerke: BTS sind mit insgesamt 8 Milliarden Streams auf Spotify und 14 Milliarden Plays auf Youtube bei den Grössten des Fachs, die oft schon viel länger im Geschäft sind. Besonders mit den Videos setzt K-Pop neue Massstäbe – visuell, aber auch bei den Zahlen. Das neuste Video der Girlband Blackpink zu «How You Like That» hat am Wochenende innert 24 Stunden 86 Millionen Youtube-Views geholt und damit die Bestmarke ihrer Kollegen BTS um 12 Millionen übertroffen. Bei jedem neu veröffentlichten Song verabreden sich Fans online zu Streamingpartys und spielen die Stücke nonstop.

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Woher kommen die Bands?

K-Pop-Gruppen sind Produkte, gezüchtet in der Pop-Retorte. Sie werden gecastet, jahrelang trainiert und zielgerichtet zusammengestellt. Vier Firmen kontrollieren den Markt. Die aktuell erfolgreichsten Acts sind die Boygroup BTS und die Girlgroup Blackpink. Die Bandmitglieder, genannt Idols, sind an strikte Verträge gebunden: K-Pop-Stars sind immer anständig, sie verursachen keine Skandale, sind drogenfrei und führen öffentlich keine Beziehungen, weil sie den Fans vorbehalten sind. In den Gruppen haben die Mitglieder ebenfalls klare Rollen: Es gibt den Leader, der am meisten Erfahrung hat, gut Englisch kann und das Bindeglied zum Management ist. Dann gibt es den Rapper, den Cheftänzer, den Jüngsten, den Schönsten. Dasselbe gilt für weibliche Acts. Gemischte K-Pop-Bands gibts ebenfalls – sie sind aber weniger erfolgreich. Der Druck, der auf den Bands lastet, ist enorm, und das Versprechen der perfekten Fassade hält nicht immer: ein Prostitutionsskandal und Suizide mehrerer Idols haben jüngst die Branche erschüttert.

Wie ticken die Fans?

K-Pop-Fans sind jung, divers, genderfluid, antirassistisch, queer. 2019 haben sie gemäss Twitter über 6 Milliarden Tweets abgesetzt und damit K-Pop zum grössten Thema auf der Plattform gemacht. Die grössten K-Pop-Acts haben Social-Media-Followerschaften im zweistelligen Millionenbereich. Die globale Vernetzung der Fans ist einzigartig: In Nord- und Südamerika, in Europa und im ganzen asiatischen Raum gibt es riesige Communitys. Es gibt sogar ein eigenes Kommunikations-Tool, über das sie sich austauschen: eine Chat-App namens Amino. Die Fan-Gruppen haben je nach Lieblingsband eigene Namen und nennen sich Army, Stars oder Blinks. Egal, wo ihre Idole auftreten: Es bilden sich meist schon Tage vor dem Event – sehr gesittete – Warteschlangen vor den Venues. Als BTS erstmals in den USA landeten, sagte Talkshow-Host Ellen DeGeneres: «Es ist wie bei den Beatles.»

BTS stehen für einen androgynen Typ Popstar.

Ist K-Pop politisch?

Nicht grundsätzlich. Aber gerade die bekannteste und damit einflussreichste Band, BTS, hat politische Power. Allein schon ihr Auftreten kann als Statement gesehen werden: Die Jungs schminken sich, sie färben ihre Haare in allen Tönen des Regenbogens, tragen Ohrringe und sprechen in Interviews über ihre liebsten Beautyprodukte für die Haut. BTS hat eine Kampagne mit Unicef gegen Gewalt an Jugendlichen lanciert, thematisiert den Leistungsdruck der kapitalistischen Gesellschaft und toxische Männlichkeit in den Texten. Nach George Floyds Tod rief die Band zum Geldsammeln auf – 2 Millionen Dollar kamen für die Black-Lives-Matter-Bewegung zusammen. K-Pop-Acts äussern sich kaum zu politischen Prozessen, aber sie repräsentieren eine neue Art Popstar: Sie spielen mit Genderbildern – und sie sind ein weltweites Signal für mehr Diversity. Der Erfolg von K-Pop macht Bands und Musik aus dem asiatischen Raum weltweit sichtbar.

Die Fans wiederum dürften gerade erst auf den Geschmack gekommen sein. Die Communitys leben davon, sich Ziele zu setzen und Streaming-Rekorde, Twitter-Bestmarken oder Spendenaufrufe auf neue Levels zu hieven. Nun haben sie gemerkt, dass sie ihre Onlinevernetzung auch gegen rassistische Bewegungen oder Donald Trump einsetzen können. Ein 16-jähriger US-amerikanischer K-Pop-Fan sagte gegenüber dem Magazin «Wired»: «Wir haben alles, was Trump nicht will. Und wir wollen nicht, dass Trump regiert.» Es ist davon auszugehen, dass sie sich noch ein paar weitere Ziele setzen. Wieso nicht politische?