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Treffen der Industriestaaten
Welche Themen beim G-7-Gipfel in England wichtig sind

Der britische Premierminister Boris Johnson und US-Präsident Joe Biden bei ihrem gemeinsamen Treffen am Donnerstag im englischen Carbis Bay, einen Tag vor dem G7-Gipfel.
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Am Freitagnachmittag beginnt der G-7-Gipfel in Cornwall. Es ist das erste Aufeinandertreffen dieser Art seit Beginn der Corona-Pandemie – und die erste grosse Europareise für den neuen US-Präsidenten. Joe Biden hat sich in den ersten Monaten seiner Amtszeit bemüht, die Hoffnung der Europäer auf eine neue Ära zu erfüllen. Bei dem Treffen in Cornwall – und auch auf den übrigen Stationen von Bidens Europareise – geht es für Biden aber nicht nur um eine neue Annäherung.

Aus Bidens Sicht findet derzeit eine Art globaler Wettkampf zwischen zwei politisch-ideologischen Systemen statt: den liberalen Demokratien, allen voran die USA und die Europäer, auf der einen Seite, und aggressiven Autokratien wie Russland und China auf der anderen Seite – auch wenn Chinas Staatschef Xi Jinping gerade zu einer Charmeoffensive aufgerufen hat. Ein EU-Diplomat formulierte das vor dem Treffen ganz ähnlich: Es gehe um den Umgang mit dem «systemischen Rivalen» China, und auch darum, der Welt zu zeigen, «was der Mehrwert von Demokratien sei». Die grosse Grundfrage findet sich im Kleinen in fast allen Punkten, die beim G-7-Treffen auf der Tagesordnung stehen. Ein Überblick.

Klimaschutz

Was er sich von seinem Gipfel in Sachen Klima verspricht, das hat Boris Johnson neulich in der ihm eigenen Klarheit gesagt: einen «substanziellen Haufen cash». Zwar haben sich die G-7-Staaten zuletzt mit Bekenntnissen zum Klimaschutz gegenseitig übertroffen. Bei den Hilfen für ärmere Staaten aber hapert es.

Schon 2009 hatten die Industriestaaten versprochen, bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar aufzubringen, aus öffentlichen wie aus privaten Mitteln. Das Geld sollte Entwicklungsländern helfen, Antworten auf den Klimawandel zu finden, etwa durch klimafreundliche Technologien. Rund 80 Prozent dieser Mittel müssten aus den G-7-Staaten kommen, historisch gesehen die Hauptverursacher des Klimawandels. Doch die 100 Milliarden Dollar kamen nie zusammen.

Auf die Klimazusagen der Reichen können sich ärmere Staaten nur bedingt verlassen.

Für Johnson geht es aber um mehr als nur um Geld. Im November ist Grossbritannien Gastgeber des nächsten Klimagipfels der Vereinten Nationen. In Glasgow will das Vereinigte Königreich dann beweisen, dass es auch nach dem Brexit noch international Verantwortung übernimmt. «Finanzielle Zusagen der anderen sechs wären eine Grundlage für den Erfolg in Glasgow», sagt Julian Havers, der für den europäischen Thinktank E3G die Finanzfragen der G 7 verfolgt. Es gehe beim Geld um das Vertrauensverhältnis zwischen den Staaten, «und damit um die Dynamik zwischen Nord und Süd».

Denn auf die Klimazusagen der Reichen können sich ärmere Staaten nur bedingt verlassen. Zwar haben alle sieben zuletzt versprochen, spätestens 2050 klimaneutral zu sein; Deutschland will das neuerdings sogar 2045 erreichen. Von blossen Zusagen aber haben Entwicklungsländer nichts. Hilfen für den grünen Umbau dagegen lassen sich zählen. Flankieren würde Johnson das Ganze gern mit einer Art grünem «Marshall-Plan», der auch klimafreundliche Infrastrukturen unterstützen soll, und mit einer Absage an fossile Energien, spätestens in den 30er-Jahren – in jenen sieben Staaten, die am meisten davon profitierten.

Covid-Impfstoff

Um Solidarität mit ärmeren Staaten geht es auch bei einem anderen grossen Thema, dem Kampf gegen die Pandemie. Die G 7 wollen sich wohl verpflichten, mindestens eine Milliarde Dosen Corona-Impfstoff an Entwicklungsländer zu spenden. US-Präsident Joe Biden versprach nun, eine halbe Milliarde Dosen zu kaufen und weiterzugeben. Die EU hatte bereits vor drei Wochen gelobt, bis Jahresende 100 Millionen Dosen zu verteilen. Die gleiche Menge wollen die Briten bis 2022 zur Verfügung stellen. Ausserdem werden die Staats- und Regierungschefs über den umstrittenen Vorschlag diskutieren, die Patente auf Corona-Vakzine zeitweilig auszusetzen, um armen Ländern mehr Impfstoff zu verschaffen. Dann könnte zum Beispiel die Mainzer Firma Biontech nicht mehr klagen, wenn andere Pharmakonzerne mit ihren Patenten das Vakzin produzieren.

Indien und Südafrika brachten diese Forderung im Herbst bei der Welthandelsorganisation (WTO) ein, und die US-Regierung verkündete Anfang Mai überraschend, die Idee zu unterstützen. Das sehr umfassende Konzept Indiens und Südafrikas gilt jedoch als chancenlos. Und die USA sind eigene Vorschläge bislang schuldig geblieben. Die EU-Kommission und einige Mitgliedstaaten, etwa Deutschland, lehnen eine Aufhebung des Patentschutzes ab. Das Europaparlament verabschiedete dagegen am Donnerstag einen – unverbindlichen – Aufruf, bei der WTO über eine Freigabe zu verhandeln.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen verwies am Donnerstag wieder darauf, dass die EU die Hälfte der hier gefertigten Vakzine exportiere – eine Spitze gegen die USA und Grossbritannien. Die Deutsche zeigte sich daher erfreut, dass die Abschlusserklärung des G-7-Treffens wohl ein Bekenntnis zu unbeschränkten Impfstoff-Ausfuhren enthalten werde.

Mit dabei in Carbis Bay: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (Mitte) und der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel.

Mindeststeuer

Ein bisschen ungerecht ist es schon, dass jetzt alle Joe Biden loben, wo sich doch eigentlich Olaf Scholz für den Erfinder der globalen Mindeststeuer für Unternehmen hält. Fakt ist allerdings: Hätten die USA unter ihrem neuen Präsidenten nicht eine 180-Grad-Wende in dieser Frage vollzogen, wäre die Idee des Bundesfinanzministers wohl für immer ein Hirngespinst geblieben. Ziel ist, dafür zu sorgen, dass die internationale Staatengemeinschaft den jahrzehntelangen Wettlauf um immer niedrigere Unternehmensteuersätze beendet und grossen Konzernen nicht länger dabei hilft, ihre Gewinne gezielt in jene Länder zu verschieben, in denen das Finanzamt gerade besonders generös ist.

Dass jetzt neben den anderen G-7-Regierungschefs auch Biden auf den Zug aufgesprungen ist, hat zwei Gründe. Da ist zum einen wohl tatsächlich die Überzeugung, dass es so, wie es bisher war, nicht weitergehen kann und insbesondere die grossen Tech-Konzerne endlich einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Allgemeinwohls leisten müssen. Und wichtiger noch: Biden braucht für seine zahlreichen Reformprogramme Billionen Dollar an Mehreinnahmen, die er unter anderem durch höhere Unternehmenssteuersätze generieren will. Diese liessen sich innenpolitisch aber sehr viel leichter verkaufen, wenn die Weltgemeinschaft in dieselbe Richtung marschierte.

Sobald ein entsprechender Beschluss der G-7-Staaten steht, wird es darum gehen, auch grosse Schwellenländer wie China, Südafrika und Argentinien ins Boot zu holen. Gelegenheit dazu wird in vier Wochen beim Treffen der Finanzminister aus den 20 wichtigsten Volkswirtschaften der Welt (G 20) in Venedig sein.