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Abo11'000 Tote in der Metropole
Was von New York bleibt

Dunkle Wolken über der Metropole: New York City wurde vom Coronavirus besonders hart getroffen.
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Unter den glücklichen Einwohnern New Yorks gehöre ich zu den besonders glücklichen, die über einen Balkon verfügen. Ohne den Balkon wäre ich in diesen Corona-Zeiten vermutlich längst wahnsinnig geworden. New York ist keine Stadt zum Drinbleiben. Schon klar, das gilt für jede Stadt, aber in New York wohnen die meisten Menschen in Wohnungen, die so gross sind wie ein Brotkasten. Die Leute müssen raus.

Das Leben dieser Stadt spielt sich in der Öffentlichkeit ab, in Bars und Restaurants, in Parks und Theatern, und vor allem auf der Strasse. Social Distancing? Das ist das Gegenteil von New York. Die Stadt mag harsch sein, schwierig, sperrig, aber sie lebt im Grundsatz von Nähe.

Ich habe in den vergangenen Wochen viel auf dem Balkon gesessen und auf beinahe leere Strassen geblickt. Manchmal hatte ich Angst. Die USA sind zum Epizentrum der Corona-Krise geworden, und New York ist das Epizentrum des Epizentrums. Täglich tickern die Zahlen rein. Gerade sind es rund 145'000 Fälle und mehr als 11'000 Tote, nur hier in der Stadt. Wenn ich von meinem Balkon aus nach Westen blicke, sehe ich einen kleinen Streifen des Hudson River, und wenn da nicht ein Gebäude von der Grösse des Hoover-Staudamms im Weg stünde, sähe ich das Krankenhausschiff USNS Comfort, das am Pier 90 liegt, als stärkstes Symbol der Tatsache, dass die Stadt in der grössten Krise seit ihrer Gründung im 17. Jahrhundert steckt.

Anruf beim Schriftsteller Gary Shteyngart. Eigentlich war die Idee, mit Shteyngart durch die leeren Strassen New Yorks zu spazieren und gemeinsam über den Geist dieser Stadt nachzudenken. Er ist ein überzeugter New Yorker und ein grosser Spaziergänger, zum einen, weil er die U-Bahn hasst, zum anderen, weil er tatsächlich gerne läuft. Aber natürlich hat auch Shteyngart die Stadt verlassen und sich in sein Zweithaus im Norden verzogen.

«Diese Krise ist dabei, das Gefüge der Stadt zu zerstören», sagt er, «insofern ist sie noch schlimmer als die Anschläge vom 11. September 2001.» Bei den Anschlägen kamen knapp 3000 Menschen ums Leben, New York war tief getroffen. «Aber ich bin gleich abends mit Freunden in ein Restaurant gegangen», sagt Shteyngart, «weil es wichtig war, in diesem furchtbaren Moment nicht allein zu sein. Genau das geht jetzt nicht. Alle müssen versuchen, da irgendwie allein durchzukommen.»

Das gilt zumindest für diejenigen, die in der Stadt geblieben sind. Es gibt Statistiken, denen zufolge in manchen Bezirken deutlich weniger Müll anfällt. Wenig überraschend sind es die Gegenden, in denen die reichen Leute ihre Wohnungen haben, die Upper East Side zum Beispiel oder das Greenwich Village. Es gibt weniger Müll, weil dort gerade deutlich weniger Menschen leben. Die Reichen haben sich in die Hamptons begeben. «Ich habe mein letztes New-York-Buch über einen Hedgefonds-Manager geschrieben», sagt Shteyngart, «und es ist nur halb im Spass gemeint, wenn ich sage: Das lag daran, dass es ja keine anderen Leute mehr in New York gibt.»

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