Mini-Netzwerke auf dem HandyWas sind Whatsapp Communities, und wie funktionieren sie?
Der Messengerdienst bietet neu die Möglichkeit, mit vielen Leuten gleichzeitig zu kommunizieren. Wir haben es ausprobiert und erklären, was dahintersteckt.
Es ist eines der faszinierendsten Gedankenexperimente rund um Smartphones, Apps und Techkonzerne: Was wäre passiert, wenn Facebook 2014 den aufstrebenden Messagingdienst Whatsapp nicht aufgekauft hätte oder ihn nicht hätte aufkaufen dürfen? Letzteres stand zwar bei staatlichen Kontrollgremien kurz zur Debatte, Whatsapp wurde letztlich aber – anders als heute – als zu unbedeutend abgetan.
Erstaunlicherweise hat sich seit der Übernahme durch Facebook bei Whatsapp wenig getan. Mal abgesehen von gelegentlichen Datenschutzskandalen, Bussgeldern und Kontroversen um neue Nutzungsbedingungen. Ja selbst das Wechseln der Whatsapp-Nachrichten von einem Handy aufs andere sorgt immer noch für rote Köpfe, wie zahlreiche Leserbriefe immer wieder aufs Neue belegen.
Bei Whatsapp kaum Neues
Die App ist im Kern dieselbe geblieben: die App-Version von SMS. Man schickt einer Person (oder mehreren) eine Nachricht und bekommt Antwort. Gratis. Während Konkurrenzdienste mit mehr Funktionen oder mehr Sicherheit werben, hat Whatsapp nur hier und da kleine Korrekturen vorgenommen und vielleicht mal eine neue Funktion wie verbesserte Statusmeldungen, Umfragen («Warum Whatsapp jetzt Umfragen anbietet») oder selbstlöschende Bilder («Trügerische Sicherheit mit Einmal-anguck-Fotos») lanciert.
Aber die grossen Würfe sind ausgeblieben. Ein Bezahldienst fehlt. Die Möglichkeit, Whatsapp bequem auf mehreren Geräten parallel zu nutzen, ist seit Jahren in Arbeit. Von Apps fürs iPad oder für die Apple Watch ganz zu schweigen. Gerade im Vergleich mit Messenger-Apps wie Wechat oder Telegram mit ihrer Vielzahl an Funktionen mutet Whatsapp reichlich altmodisch oder – netter gesagt – fokussierter an.
Umso hellhöriger musste man werden, als der Dienst Ende letzten Jahres mit Communities eine neue Funktion aus der Taufe hob, die den Dienst grundlegend verändert und erweitern kann. Bislang war Whatsapp der Inbegriff der zwischenmenschlichen Kommunikation. Anders als etwa Telegram, das neben den normalen Chats und Gruppenchats mit Kanälen auch eine Art Massenmedium anbietet. Mit diesen Kanälen kann man ähnlich wie bei Twitter einseitig Meldungen an die eigenen Follower verschicken. Der ukrainische Präsident Selenski etwa hat mit seinem Kanal fast eine Million Abonnentinnen und Abonnenten und informiert dort alle paar Tage und teilweise auch mehrmals täglich über das aktuelle Geschehen.
Baut Whatsapp also diese Funktion nach? Es wäre nicht das erste Mal, dass beim Meta-Konzern (ehemals Facebook) aufstrebende Konkurrenten durch Kopieren der wichtigsten Funktion ausgebremst werden («Meilensteine auf dem Weg zur Social-Media-Dominanz»). Doch nein! Whatsapp hat einen anderen Weg gewählt. Und der erschliesst sich einem nicht auf den ersten Blick. Darum ein praktisches Beispiel.
Man stelle sich eine Pfadi-Abteilung mit unterschiedlichen Stufen, Gruppen, Leiterinnen und Leitern vor. Zu meiner Zeit war das alles mühsam über Telefonketten geregelt. Mit der neuen Whatsapp-Funktion könnte man das nun einfacher gestalten. Für jede Gruppe von den kleinen Bibern bis hinauf zu den Älteren gibt es eine eigene Whatsapp-Gruppe mit Eltern und Gruppenverantwortlichen. All diese Gruppen werden wiederum in einer sogenannten Community zusammengefasst. Diese Whatsapp Community wird von den Chefs der Pfadi-Abteilung erstellt und betreut. Wenn nun eine wichtige Info an alle rausmuss, können sie diese in der Community publizieren, worauf sie automatisch an alle Gruppen der Community geschickt wird.
Diese Art von Über-Gruppe wäre auch ideal für Schulleiterinnen oder Firmenchefs, die Klassen und Teams informieren wollen. Freilich ist Whatsapp an vielen Schulen ein rotes Tuch, aber falls die App doch genutzt wird, wäre diese Funktion einen Versuch wert.
Mit angezogener Handbremse
Die Beispiele zeigen also, Whatsapp Communities dienen kaum dazu, mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Es ist vielmehr eine Funktion, um die Kommunikation über Gruppen hinweg zu vereinfachen. Das bestätigte auch der Whatsapp-Chef Will Cathcart in einem Interview mit dem US-Techmagazin «The Verge», als die Funktion – damals noch als Beta-Version – vorgestellt wurde. Communities würden sich vor allem für Leute eignen, die schon eine Beziehung hätten, und weniger dazu dienen, neue Beziehungen herzustellen. Es sei auch nicht das Ziel, noch einen Ort zu schaffen, wo Leute über Kryptowährungen diskutierten. Ein kleiner Tritt ans Bein von Telegram, wo man in regelmässigen Abständen von Krypto-Spam belästigt wird.
Dass Whatsapp die neue Funktion mindestens vorerst mit angezogener Handbremse lanciert, sieht man auch an den Nutzerlimiten. In einer Community kann man maximal 50 Gruppen zusammenfassen und insgesamt nicht mehr als 5000 Personen. Einzelne Gruppen können dagegen bis zu 1024 Mitglieder haben. Zum Vergleich: Bei Telegram können Gruppen bis zu 200’000 Mitglieder haben, und bei Abos für Kanäle gibt es gar kein Limit.
Insgesamt ist sich Whatsapp mit Communities also treu geblieben. Auch diese Funktion ist nur ein kleiner Fortschritt und weit davon entfernt, ein Paradigmenwechsel oder auch nur ein erster Schritt hin zu einem rundum neuen Whatsapp oder gar einem Nachfolger von Facebook zu sein.
Und so muss man einmal mehr festhalten: Das Erfolgsrezept von Whatsapp ist es seit der Lancierung 2009 eben nicht, wild mit neuen Funktionen um sich zu werfen, sondern der Grundidee stur treu zu bleiben.
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