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Gartenkolumne «Nachgehackt»
Was macht das Huhn auf dem Tisch?

Federvieh auf Erkundungstour.
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Ich habe immer gemeint, im Winter sei im Garten nicht viel los. Aber da habe ich mich gewaltig getäuscht. Und ich spreche jetzt nicht vom zögerlich spriessenden Spinat oder vom tiefgefrorenen Lauch. Nein! Im Garten haben sich die Hühner einquartiert.

Schuld daran ist natürlich der Mann. Kaum wurde es kühler und der Garten kahler, hat er sich ein neues Projekt ausgedacht. Er lässt die Hühner jetzt regelmässig aus ihrem grosszügig bemessenen Gehege raus. Sie sollen den Garten säubern, düngen und dabei gleich noch ihren Horizont erweitern. Die Erweiterung geht so weit, dass eines der Tiere kürzlich beim Essen mit Gästen, das ja in Zeiten wie diesen auch bei Kälte draussen stattfindet, auf den Tisch flatterte. Und schon stand es auf Augenhöhe mit dem erstaunten Gast und setzte an, von seinem Kuchenteller zu picken. Alle lachten, nur ich schaute böse. Ich hatte ja gewusst, dass dieses Hühnerprojekt einen Haken haben würde. Endlich hatte ich ihn gefunden.

In den Tagen darauf folgte ich den Hühnern, schimpfte und klatschte in die Hände, sobald ich merkte, dass sie ansetzten, in meinen Erdbeerstecklingen oder der frisch gesäten Gründüngung zu scharren. Dann eilte der Mann herbei, legte Gitter auf die zu schützenden Beete, steckte sogar ein Zäunchen. Alles für die Hühner. Und ein bisschen für mich. Obwohl ich schwerer unter Kontrolle zu bringen war.

Bis der Tag kam, an dem ich ein Huhn in erstaunlicher Geschwindigkeit flatternd quer durch den Garten rennen sah. Der Hahn krähte wie wild, alle seine Damen scharten sich um ihn. Da erst hörte ich hoch in den Lüften den Bussard rufen. Der Hahn hatte ihn vor mir gehört und die Hühner beschützt. Das rührte mich. Die Horizonterweiterung hatte die Hühner näher zu ihrem Instinkt gebracht. Und dort hatte Feminismus nichts zu suchen. Wobei: Wer kann es sich heutzutage schon leisten, sich nur durchfüttern zu lassen? Eier legt der Hahn schliesslich nicht.

Mittlerweile warten die Hühner schon am Tor, ungeduldig, um den Garten unsicher zu machen. Würmer, Käfer, Raupen aus dem Boden zu ziehen. Schneckeneier zu fressen. Wenn ich ihnen Körner streue, findet das weit weniger Anklang.

Langsam fruchtet die Überzeugungsarbeit von allen Seiten. Wenn das Schneckenproblem vom Sommer so leicht gelöst werden kann, darf ein Huhn auch mal auf den Tisch flattern. Nur etwas bereitet mir jetzt noch Sorgen: Die Hühner haben sich schon so an die neue Freiheit gewöhnt, dass sie manchmal den Ladenschluss verpassen. Das Türchen des Hühnerstalls schliesst automatisch, angepasst am Stand der Sonne. Und wenn es dann zu ist, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich unter dem Stall einzukuscheln. Zu hoffen, dass der Fuchs nicht kommt und dass der Mann sie bei seinem abendlichen Kontrollgang nicht vergisst.

Dem Hahn passiert das übrigens nie. Der sitzt immer als Erster im Stall. Jetzt müsste dieser Gockel noch lernen, bei seinen Hühnern für Feierabend zu sorgen.