Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Verbrecherjagd mit DNA
Was genetische Täterprofile können – und was nicht

Die individuelle Erbinformation von Menschen, die DNA, kann enorm viele Daten über den Träger liefern – noch darf die Polizei allerdings nur das Geschlecht herauslesen. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Wie alt ist er? Welche Haarfarbe hat er, und aus welchem Kontinent stammt der gesuchte Verbrecher? Alles Hinweise, die den Ermittlern bei der Fahndung weiterhelfen können. Doch solche Informationen aus dem Erbgut von Verdächtigen oder von Tatspuren zu ziehen, war ihnen bisher verboten. Das neue DNA-Profil-Gesetz soll das ändern.

Die eidgenössischen Räte sind sich einig, dass solche genetischen Täterprofile künftig erstellt werden dürfen. In der aktuellen Wintersession werden sie letzte Differenzen bereinigen. Voraussichtlich können Polizei und Staatsanwaltschaft das neue Instrument bereits im Verlauf des nächsten Jahres einsetzen.

Hoffnung in zwei spektakulären Fällen

Doch was kann diese neue Methode – Kriminologen sprechen von Phänotypisierung – wirklich? Und könnte sie mithelfen, zwei der spektakulärsten Schweizer Kriminalfälle der letzten Jahre zu lösen?

Fall 1: Dieser ist sogar der Auslöser für die Revision des DNA-Profil-Gesetzes. An einem Sommerabend im Jahr 2015 wurde eine junge Frau auf dem Nachhauseweg vom Fahrrad gerissen, vergewaltigt und schwer verletzt liegen gelassen. Seither ist sie querschnittgelähmt. Die DNA des Täters konnte zwar sichergestellt werden. Aber der Abgleich mit der Datenbank des Bundes und ein Massentest bei fast 400 Männern lieferten keinen Treffer. Der Fall ist sistiert, doch die Luzerner Staatsanwaltschaft will ihn wieder aufnehmen, wenn die Gesetzesänderung in Kraft ist.

Fall 2: Beim zweiten Fall stellt sich die Frage, ob gar ein Serientäter in der Schweiz unterwegs ist. Am 15. Dezember 2010 wurde im Zürcher Seefeldquartier eine Psychoanalytikerin tot aufgefunden. Auf den Tag genau fünf Jahre später wurde in Laupen ein Ehepaar getötet. An beiden Tatorten fand man die gleiche DNA. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich um diejenige des Täters handelt. Ein Massentest im Umfeld des Zürcher Tatorts brachte jedoch keinen Erfolg. Noch ermitteln die Polizeien.

Thomas Sollberger, Chef der Berner Kriminalpolizei,  hat beim Aufbau des Analysesystem zur Verknüpfung von Gewaltdelikten (Viclas) entscheidend mitgewirkt, jetzt macht er sich für einen Ausbau der DNA-Datenanalyse stark

Thomas Sollberger leitet seit über zehn Jahren die Kriminalabteilung der Berner Kantonspolizei. Zu viele Hoffnungen will er den Betroffenen und Hinterbliebenen dieser schrecklichen Taten nicht machen. Es sei zwar durchaus möglich, dass ein Täterprofil aus DNA den entscheidenden Hinweis liefern könne: «Es gibt aber zu viele falsche Vorstellungen, was solche Profile können und was nicht.» Bis anhin konnte nur das Geschlecht eruiert und abgeglichen werden, ob die DNA bei der Datenbank des Bundes registriert ist. Neu können Informationen des menschlichen Genoms in fünf Bereichen für die Fahndung verwendet werden: die Augen-, Haar- und Hautfarbe, das Alter und die biogeografische Herkunft.

«Was nützt es uns, wenn wir wissen, dass der gesuchte Verbrecher wahrscheinlich braune Augen hat, etwa 30-jährig ist und hellhäutig?»

Thomas Sollberger, Chef Kriminalabteilung bei der Berner Kantonspolizei

Aber dies seien oft Merkmale, welche bei der Suche nach einem Verbrecher nur bedingt hilfreich seien, sagt Sollberger: «Was nützt es uns, wenn wir wissen, dass der gesuchte Verbrecher wahrscheinlich braune Augen hat, etwa 30-jährig ist und hellhäutig?» Das grenze oft zu wenig ein, um die Fahndung entscheidend voranzutreiben, ist Sollberger überzeugt. Ein eigentliches Phantombild lasse sich aufgrund genetischer Information nicht erstellen. Zum gleichen Schluss kommt auch die vor einem Jahr publizierte Studie der Stiftung TA-Swiss für Technologiefolgen-Abschätzung.

Wichtig auch für den Ausschluss von Verdächtigen

Das spreche jedoch nicht grundsätzlich gegen diese neue Methode, betont Sollberger: «Für polizeiliche Ermittlungen hilfreich wäre es aber, eine DNA-Auswertung etwa auch in Bezug auf genetische Alleinstellungsmerkmale zuzulassen. Zum Beispiel: Hat die gesuchte Person einen Gendefekt? Schielt sie etwa besonders stark?» Gerade in den beschriebenen Fällen, wo es um Schwerstkriminalität geht, sollte der Polizei laut Sollberger auch der Zugriff auf weitere Informationen des menschlichen Genoms erlaubt werden.

Sehr hilfreich könne die Phänotypisierung beim Ausschluss von Verdächtigen sein, sagt Sollberger. Er verweist auf ein Beispiel aus den Niederlanden, wo solche DNA-Täterprofile schon lange genutzt werden. Im Sommer 1999 wurde ein 16-jähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet. Schnell gerieten die Bewohner eines Asylheims, das sich in der Nähe des Tatorts befand, unter Generalverdacht. Die Auswertung von DNA-Spuren des mutmasslichen Täters zeigten jedoch, dass dieser mit grosser Wahrscheinlichkeit aus Nordwesteuropa stammt.

Für den Berner Chef der Kriminalabteilung ist die angelaufene Gesetzesrevision zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Aber sie sei immer noch geprägt von diffusen Ängsten vor einem zu starken Eingriff in die Persönlichkeitsrechte: «In solchen Fällen greifen die Gesetzgeber dann gerne zu einem Deliktskatalog.» So geschehen im Ständerat, der die Vorlage mit einem solchen Katalog ergänzte: Demnach soll die Phänotypisierung nur für die Aufklärung von schweren Gewaltverbrechen gegen Leib und Leben sowie einigen wenigen weiteren Delikten wie Raub erlaubt werden. Für Sollberger eine unnötige Einschränkung, zumal dieses Instrument nur eines von vielen in den Ermittlungen sei und etliche Kontrollmechanismen griffen: «Bereits die Abnahme von DNA bedarf etwa im Kanton Bern der Anordnung der Staatsanwaltschaft.»