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Studie zur Corona-Berichterstattung
Was die Medien in der Pandemie gut gemacht haben – und was nicht

Ist seit dem Ausbruch der Pandemie stark im Fokus der Medien: Gesundheitsminister Alain Berset scannt sein Covid-Zertifikat vor einer Pressekonferenz (13. Oktober 2021).
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Seit fast zwei Jahren dominiert die Corona-Pandemie: Politik, Gesellschaft, das soziale Leben. Natürlich hat diese Ausnahmesituation auch starke Auswirkungen auf den Journalismus. Doch wie manifestiert sich das? Was haben die Medien im vergangenen Jahr gut gemacht – und was nicht? Diesen Fragen geht das Jahrbuch Qualität der Medien 2021 nach, das am Montag vom Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (FÖG) veröffentlicht wurde. Wir haben die sechs wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst:

Die Medien haben keine Panikmache betrieben

Der immer wieder erhobene Vorwurf, Medien würden im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie «Panikmache» betreiben, wird durch die Studie entkräftet. Während der ersten Welle, als die Situation neu und vieles noch unbekannt war, berichteten Journalistinnen und Journalisten in 16 Prozent der untersuchten Artikel alarmistisch über das Virus. Während der zweiten Welle traf das gemäss der Inhaltsanalyse des FÖG nur noch auf 6 Prozent der Artikel zu.

Das heisst also: Ein Grossteil der fast 18’700 untersuchten Beiträge aus 60 Schweizer Medien war nicht alarmistisch. Die Studienautoren kritisieren sogar, dass die Corona-Berichterstattung ihrer Frühwarnfunktion teilweise nicht nachgekommen sei. So hätten die Medien etwa die psychischen Beeinträchtigungen in der Bevölkerung zu wenig thematisiert.

Nach der ersten Welle entkoppelte sich die Intensität der Berichterstattung von der Entwicklung der Fallzahlen. In der zweiten Welle war die mediale Aufmerksamkeit respektive der Anteil der Covid-Beiträge an der Gesamtberichterstattung deutlich tiefer – trotz viel höherer Fallzahlen. Auf dem Höhepunkt der ersten Welle verzeichnete die Schweiz durchschnittlich 1000 Neuinfektionen pro Tag, während der zweiten Welle waren es über 8000.

Der Vorwurf der «Hofberichterstattung» ist haltlos

Die Studie hat auch die Behauptung untersucht, dass die Medien nur als Sprachrohr des Bundes agieren würden. Davon kann keine Rede sein. Schon während der ersten Welle lag der Anteil der Artikel, der als unkritisch gegenüber den Behörden eingeschätzt wurde, bei nur 6 Prozent. Während der zweiten Welle sank dieser Anteil auf 0,3 Prozent.

Gleichzeitig stellte die Untersuchung fest, dass es von der ersten zur zweiten Welle eine positive Entwicklung gab, was Zahlen und Statistiken anbelangt. Diese wurden vermehrt kontextualisiert und eingeordnet. Das spreche für die Qualität des Informationsjournalismus, der einen Lernprozess im Umgang mit der Pandemie durchgemacht habe.

Das Vertrauen in die Medien ist gestiegen

Auch im Corona-Jahr 2020 standen laut der Analyse Medientypen wie der öffentliche Rundfunk oder die Abo-Newssites für eine besonders hohe Qualität. Und diese wurde offenbar auch von den Leserinnen und Lesern geschätzt. Gerade in der Anfangsphase der Pandemie war der Wissensdurst der Bevölkerung gross, Qualitätsmedien waren als glaubwürdige Informationsquellen stark nachgefragt und verzeichneten teils überdurchschnittlich hohe Zugriffszahlen.

In einer Umfrage für die Studie gaben 51 Prozent der Befragten an, dass sie den Nachrichtenmedien überwiegend bis komplett vertrauen. Das ist im europäischen Vergleich ein hoher Wert, der 7 Prozentpunkte über dem Vorjahr liegt. Erstmals seit längerem ist das Medienvertrauen also wieder gestiegen. Dieses Ergebnis könne als Hinweis darauf gedeutet werden, «dass dem professionellen Journalismus in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie wieder mehr Vertrauen geschenkt wird», so die Forschenden.

Der Fokus war zu einseitig, die Vielfalt zu gering

Die Studie fördert aber auch Defizite zutage, zum Beispiel die mangelnde Vielfalt bei der Auswahl von Fachleuten. Ein grosser Teil (78–83 Prozent) der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in der Berichterstattung zu Wort kamen, stammte demnach aus dem medizinischen Bereich. Sozial- und geisteswissenschaftliche Disziplinen wurden zu wenig berücksichtigt.

Kritisiert wird auch das Geschlechterverhältnis. Der Untersuchung zufolge sind Frauen im Vergleich zu Männern stark unterrepräsentiert und werden weniger oft in statushohen Positionen dargestellt. Positionen und Anliegen von Frauen haben so weniger eine Chance, Beachtung zu finden. Auch sind Wissenschaftlerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen weiterhin deutlich untervertreten. Die Forschenden eruieren die Vielfalt als grösste Problemzone in der Berichterstattung.

Desinformation ist eine wachsende Gefahr

Eine wichtige Feststellung der Studie ist, dass das Ausmass oder zumindest die Sichtbarkeit von Desinformation während der Corona-Pandemie zugenommen hat. Damit ist die absichtliche Verbreitung von Falschnachrichten gemeint. Menschen sind bekanntlich vor allem in Krisenphasen und der damit verbundenen Unsicherheit empfänglich für desinformative Inhalte abseits des professionellen Informationsjournalismus. Nicht alle sind sich dessen bewusst: Die Hälfte der Befragten schätzt Desinformation als ein grosses oder sehr grosses Problem ein. Genauso viele beurteilen das Problem aber als nicht besonders gefährlich.

Gemäss Selbstauskunft treffen Schweizerinnen und Schweizer besonders auf Social Media, Videoportalen und Messaging-Apps sowie Websites alternativer Medien auf Desinformation. Als Hauptquellen von Falschinformationen nehmen sie Aktivisten, Bürgerinnen, Politiker und Social Bots wahr. Grundsätzlich gelten eher Individuen als Urheber und weniger Organisationen.

Die meisten fühlen sich genug kompetent, um Desinformation zu erkennen. Um potenzielle gefälschte Texte zu verifizieren, werden am häufigsten Websites von Bund und Behörden konsultiert. Wichtig sind aber auch Google und Websites von journalistischen Medien. Angebote wie die Faktenchecks von Tamedia sind demzufolge essenziell (Hier finden Sie zudem eine Anleitung, wie Sie Desinformation erkennen können.)

Die ökonomische Krise hat sich akzentuiert

Der Journalismus profitiert davon, dass das Bedürfnis der Bevölkerung nach glaubwürdigen Informationsquellen stark zugenommen hat. Trotzdem leiden auch die Medien wirtschaftlich unter dem Krisenmodus. 2020 haben sich vor allem die Werbeeinnahmen dramatisch nach unten entwickelt. Die Erlöse der Medienbranche brachen um 380 Millionen Franken ein, was einen Rückgang von 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Erstmals seit sieben Jahren sind auch die Einnahmen aus dem Online-Werbemarkt rückläufig.

«Die Corona-Pandemie hat die ökonomische Krise des Informationsjournalismus weiter akzentuiert», schreiben die Forschenden. Und die finanzielle Lage sei bereits vor der Krise angespannt gewesen. In der Studie wird deutlich, dass die tatsächliche ökonomische Entwicklung des Journalismus und die Wahrnehmung der Bevölkerung auseinanderdriften. 54 Prozent der Befragten sind gar nicht bis wenig besorgt über die finanzielle Situation der Medien.

Immerhin 37 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass der Staat die privaten Medien finanzieren soll, wenn diese in finanzielle Schieflage geraten. Das ist zwar keine Mehrheit – im Vergleich zu den anderen zwölf Referenzländern, die das FÖG ausgewählt hat, belegt die Schweiz damit jedoch den Spitzenplatz. Auch die persönliche Zahlungsbereitschaft für Online-News hat leicht zugenommen. Sie ist mit 17 Prozent der Befragten aber immer noch viel zu tief, um die wirtschaftlich negative Entwicklung der Medien zu stoppen.