Digital LiteracySo finden Sie sich im Mediendschungel zurecht
Die Online-Medienlandschaft ist unübersichtlich geworden. Und gerade in Zeiten von Desinformation rund um die Corona-Pandemie braucht es Orientierung: Mit diesen Anhaltspunkten verlieren Sie nicht den Durchblick.
In dieser Woche veröffentlichte das renommierte Pew Research Center die Ergebnisse einer Umfrage, die Medienschaffenden zu denken geben sollten. Und die vielleicht doch gar nicht so erstaunlich sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen.
Die Organisation mit Sitz in Washington hatte eine repräsentative Gruppe von über zweitausend Amerikanerinnen und Amerikanern gefragt, welche dieser sechs Onlineplattformen selbst journalistische Inhalte erstellt: ABC News, das «Wall Street Journal», die «Huffington Post», Google News, Apple News und Facebook. Auch wenn die Tendenz bei den Antworten grundsätzlich stimmt, der grosse Anteil derjenigen, die mit «Nicht sicher» antworteten, deutet an: Der Online-Informationsdschungel ist nicht so leicht zu durchdringen.
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Zweifelsohne hat sich die Medienlandschaft in den letzten fünfzig Jahren nachhaltiger verändert als je zuvor: Mit dem Aufkommen von Privatfernsehsendern und erst recht mit der weltweiten Verbreitung des Internets entstand ein breit gefächertes Angebot an Informationsmöglichkeiten. Mehr noch, die Gatekeeper-Funktion der gedruckten Zeitung fiel, spätestens seit den Nullerjahren kann jede und jeder, die oder der ein Endgerät und einen Internetzugang hat, sich im Netz mitteilen. Das alles erschwert natürlich den Durchblick. Besonders in der Zeit einer Pandemie, die einhergeht mit der weitreichenden Streuung von Halbwissen und Fehlinformationen.
Doch auch hier kann man sich helfen. Mit diesen Kniffen können Sie erkennen, ob es sich bei einer Website oder einem Social-Media-Kanal um eine vertrauenswürdige Quelle handelt oder nicht.
Der Name
Zuallererst: Kommt Ihnen das Medium bekannt vor? Die grossen Medientitel der Schweiz wie NZZ, «Le Temps» oder «Watson» dürften den meisten Menschen hierzulande bekannt sein. Bei Regionalmedien oder Branchendiensten dürfte der Wiedererkennungseffekt deutlich geringer sein, auch wenn Titel wie «Walliser Bote» oder «Schweizer Bauer» verlässliche Rückschlüsse zulassen. Wenn Ihnen ein Name gänzlich unbekannt vorkommt, hilft oft eine Google-Suche oder einer der weiteren Punkte weiter.
Das funktioniert übrigens nicht nur mit journalistischen Angeboten: Seriöse Studien mit Bezug zur Corona-Pandemie werden beispielsweise oft auf den Websites von Hochschulen veröffentlicht. Die Namen der Einrichtungen können Sie, sollten sie Ihnen nicht geläufig sein, einfach googeln.
Ähnlich verhält es sich mit Statistiken, die im Auftrag von Regierungsstellen erstellt werden, und offiziellen Informationen oder Verlautbarungen: Diese werden in der Regel auf Präsenzen der jeweiligen Stellen veröffentlicht. In den USA sind das Websites, die auf .gov enden (wie www.cdc.gov für die Centers for Disease Control and Prevention), in der Schweiz finden sich die Bundes-Websites unter admin.ch (die Website des BAG also beispielsweise unter www.bag.admin.ch).
Das Impressum
In der Schweiz müssen Website-Betreiberinnen, die ihre Onlinepräsenz gewerblich oder professionell betreiben, ihre Identität in einem Impressum offenlegen und eine Kontaktmöglichkeit bieten. So stellt ein Impressum Transparenz her. Im Impressum des «Tages-Anzeigers» können Sie beispielsweise nachlesen, wer für welches Ressort schreibt. Auch wenn es gute Gründe geben mag, sich anonym im Netz zu bewegen: Hinter einer vertrauenswürdigen Quelle sollte ein Name stehen.
Einige Websites verfügen auch über eine «Über uns»- oder «About us»-Seite, auf der das Team oder zumindest die Geschichte des Mediums vorgestellt werden.
Namensnennung
Die Namensnennung von Autorinnen und Autoren ist ein weiteres Merkmal, das für Transparenz sorgt. Da beispielsweise viele Blogs von Einzelpersonen betrieben werden, muss eine fehlende Kennzeichnung allerdings nicht unbedingt ein Anzeichen dafür sein, dass die Urheberinnen versuchen, ihre Identität zu verschleiern.
Datum der Veröffentlichung
Bei manchen Themenkomplexen ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung eines Artikels von Interesse. So kann beispielsweise ein Stück zur Wirksamkeit von Masken aus dem Frühjahr in Bezug auf die Corona-Pandemie im Dezember längst veraltet sein. Ist dieser Beitrag nicht mit einem Veröffentlichungsdatum versehen, kann er unter Umständen von Maskengegnern heute noch als aktuell verbreitet werden. Vor allem im angelsächsischen Raum ist ausserdem eine Kennzeichnung und Datierung von Korrekturen und Erweiterungen gebräuchlich.
Der Ton ist entscheidend
Die Tonalität von Artikeln, aber auch von Youtube-Videos oder sonstigen Social-Media-Posts erlauben nicht selten Rückschlüsse auf die Qualität des Inhalts. Kommt Ihnen das, was Sie lesen, hören oder sehen, alarmistisch vor? Fühlen Sie sich angeschrien, geht vom vorliegenden Stück etwas Bedrohliches aus? Der rechte Verschwörungstheoretiker Alex Jones hat diese Techniken in seinen Videos auf eine bedenkliche Spitze getrieben.
Youtuberinnen, die Zweifel säen oder Angst verbreiten wollen, bedienen sich oft einer bedrohlichen Musik, mit der die Beiträge unterlegt werden. Ebenso fallen Boulevardmedien mitunter durch alarmistische Tonalität auf. Wenn Sie sich aufgeregt oder angestachelt fühlen, könnte das durchaus beabsichtigt sein. Derartige Medien sind mit Vorsicht zu geniessen.
Klingt eine Headline unglaublich? Dann ist sie es vielleicht auch
Was für den Ton gilt, kann auch auf den Titel eines Videos oder eines Artikels übertragen werden. Nicht immer ist es so einfach wie beim legendären US-Tabloid «Weekly World News», das mit Schlagzeilen wie «Ausserirdische entführen Cheerleader» oder «Dick Cheney ist ein Roboter» fragwürdige Journalismusgeschichte schrieb. Wenn Ihnen ein Titel unglaublich oder vielleicht auch zu gut vorkommt, um wahr zu sein (sagen wir einmal «So einfach kannst du herausfinden, ob du Corona hast»), hegen Sie Zweifel. Der nächste Punkt hilft unter Umständen weiter.
Wer berichtet noch darüber?
Finden Sie die infrage stehende Nachricht auch irgend woanders? Vielleicht sogar bei einem Medium, welches Sie kennen und dem Sie vertrauen? Eine einfache Suchmaschinenabfrage oder Google-News-Suche kann dabei helfen. Wie Sie dabei vorgehen können, erklärt Kollege Matthias Schüssler in diesem Video.
Selbstredend gilt: Finden sich keine Übereinstimmungen oder hat sich gar eine Fact-Checking-Website (siehe unten) mit der von Ihnen gesuchten News beschäftigt, sollten Sie Abstand nehmen.
Werden Quellen genannt?
Wenn in einem Artikel oder einem Video Behauptungen aufgestellt werden, überprüfen Sie: Werden Quellen dafür genannt, die Sie abrufen können? In einem Youtube-Video könnte dies in Form von Links in der Beschreibung unterhalb des Clips geschehen, Onlineartikel sollten zumindest eine Quelle nennen oder direkt auf diese verlinken (wie beispielsweise in diesem Artikel oben im Einstieg mit der Umfrage). Natürlich müssen Sie unter Umständen dann noch prüfen, ob diese Quelle wiederum vertrauenswürdig erscheint. Mitunter kommt es leider auch vor, dass Fake-News-Seiten voneinander abschreiben oder konzertiert aufeinander verweisen.
Wer kommt zu Wort?
Eine zentrale Frage beispielsweise in der Corona-Pandemie ist, wer zu Wort kommt. Sind die Personen tatsächlich Experten für das Thema, zu dem sie sprechen? Was qualifiziert sie dazu, sich zu äussern? Am Beispiel von Corona gesprochen: Wenn eine promovierte Virologin in leitender Funktion an einem anerkannten virologischen Institut und ein seit zwanzig Jahren pensionierter Allgemeinmediziner Statements zur epidemiologischen Entwicklung der nächsten Wochen geben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Virologin mit grösserer Fachkenntnis spricht.
Manchmal geben sich Personen auch den Anstrich scheinbarer Kompetenz, indem sie sich offiziöse Titel anheften. Ein solches Beispiel ist die sogenannte Stiftung Corona-Ausschuss in Deutschland, eine Gruppe von vier Rechtsanwältinnen und -anwälten, die allerdings keinen öffentlichen Auftrag hat.
Fake-News-Add-ons
Für Webbrowser gibt es mittlerweile zahlreiche Add-ons die dabei helfen sollen, Fake News im Netz zu erkennen. In der Regel werden dabei Websites in vertrauenswürdige und nicht vertrauenswürdige Quellen kategorisiert und dies beim Aufrufen einer Website entsprechend angezeigt. Sicherlich sollte man hier die Einstellungen des Add-ons genau überprüfen, um sicherzugehen, dass man sich einem seriösen Anbieter anvertraut. Ein solches Add-on ist beispielsweise Newsguard.
Einordnung durch Profis
Wenn Ihnen eine fragwürdige Aussage immer wieder begegnet, kann es sich lohnen, eine Faktencheck-Website zu besuchen. Die wohl bekannteste im deutschsprachigen Raum ist das österreichische Mimikama. Auch der deutsche Volksverpetzer widmet sich dem Debunking, also dem Entlarven von Fakes im Internet, ebenso die deutsche Rechercheplattform Correctiv. Zu bekannten US-amerikanischen Factcheckern gehören Snopes, Factcheck.org oder die Seite «Politifact» des Poynter-Instituts. Die hier genannten Websites gelten als vertrauenswürdig, es empfiehlt sich grundsätzlich, auch hier mögliche Verbindungen, politische Ausrichtungen oder Agenden zu recherchieren, sofern sie nicht ohnehin offengelegt sind.
Und auf Social Media?
Die grossen Social-Media-Plattformen bieten eine Verifikation für Personen, Unternehmen und Einrichtungen an. Dazu müssen für die infrage kommenden Konten Nachweise erbracht werden. Die erfolgte Verifikation wird an verschiedenen Stellen, in der Regel aber im jeweiligen Profil und als Haken angezeigt. Allerdings werden auch Medien mit einem angespannten Verhältnis zur Wahrheit wie beispielsweise «Breitbart» verifiziert. Aber der Haken ist in der Regel ein Anhaltspunkt, ob man es wirklich mit dem- oder derjenigen zu tun hat, der er oder sie vorgibt zu sein.
Auch das Alter eines Kontos kann Aufschluss über Echtheit und Seriosität geben, ebenso die Follower: Sind das echte Personen oder unter Umständen gekaufte Fake-Follower? Und auch bei den Tweets oder Posts finden sich Hinweise: Zu welchen Themen äussert sich die Person, wessen Inhalte teilt sie?
Spätestens seit diesem Jahr haben die Social-Media-Riesen Twitter und Facebook mit Instagram verstärkte Anstrengungen unternommen, Fake News Einhalt zu gebieten. So werden Inhalte, deren Wahrheitsgehalt angezweifelt wird, mit entsprechenden Warnungen versehen und ihre Reichweite eingeschränkt. Wenn Sie derartige Warnungen zu Gesicht bekommen, ist besondere Vorsicht geboten.
Und zu guter Letzt: Wenn Sie sich umfassend und breit gestreut informieren wollen, schauen Sie sich die Medienlandschaft an. In der Regel lässt sich bei etablierten Medien relativ schnell herausfinden, ob sie politisch links, in der Mitte oder rechts stehen. Mit dem deutschen Dienst Buzzard gibt es sogar einen Anbieter, der zu aktuellen Themen verschiedene Blickwinkel sammelt.
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