Kolumne «Fast verliebt»Wie Männer mit ihrer Psychotherapie punkten
Wann sollte man beim Kennenlernen die mentale Gesundheit erwähnen? Für Männer und Frauen gelten hier eventuell unterschiedliche Regeln.
In der Liebe empfiehlt es sich, grundsätzliche Bodenkenntnisse über das feindliche Terrain zu haben. Als nicht fussballinteressierte Frau könnten Sie in den nächsten Wochen zum Beispiel Wörter wie «Startelf», «Albärt» und natürlich: das ewige «Abseits» in Ihre Unterhaltungen einstreuen, um Männerherzen zu öffnen (oder Sie beharren darauf, 0,0 Ahnung von Fussball zu haben, und warten stur auf einen Mann, dem es ähnlich geht. Bei mir hat das nur ein paar Jahrzehnte gedauert).
Für Männer hingegen lohnt es sich, die EM-Euphorie auf Dates in Schach zu halten, wenn die Frau nicht glauben soll, einen Klischeemann vor sich zu haben, der exklusiv für die drei grossen B lebt (Ball, Bier, Baumarkt). Da die Welt zunehmend gendergerecht wird, gibt es aber auch für Männer simple Tricks, die Frauen verwehrt bleiben. Etwa das Zücken der Psychotherapie-Karte.
«Gleich zwei Männer in Folge!», berichtet eine meiner Freundinnen von der Dating-Front. Sie hatte gerade zwei erste Treffen mit sehr unterschiedlichen Männern – und beide liessen nach kurzer Zeit Intimitäten aus ihren Therapiestunden in die Unterhaltung einfliessen. «Ich arbeite lieber freiberuflich», sagte der eine, von Beruf Trader: «weil im Finanzwesen leider noch immer die meisten Chefs männlich sind.» Seine Therapeutin helfe ihm dabei, sein Problem mit autoritären Männern so weit in den Griff zu kriegen, dass er beruflich nicht weiter darunter leiden müsse.
Der andere, ein Lehrer, erzählte ihr von einer depressiven Phase, als er neu in der Schule war. Irgendwann habe er verstanden, dass er sich wie ein Mansplainer fühle: der alte weisse Mann, der vorne stehe und den jungen Leuten – viele davon Mädchen mit Migrationshintergrund – die Welt erkläre und ihnen sage, wo es langgehe. Furchtbar! Seine Therapeutin aber helfe ihm, sich eher als sanfter Unterstützer zu sehen, als jemand, der der Jugend bei der Entfaltung des eigenen Potenzials helfe.
Wir müssen beide lachen. Der moderne Mann, der – mithilfe einer Frau, seiner Therapeutin – lernt, toxisches männliches Verhalten zu hinterfragen. Und damit bei Frauen punktet. «Das haben die natürlich selber verstanden», sagt meine Freundin: «Aber die konnten beide über sich lachen. Und das fand ich tatsächlich irgendwie sexy.» Ich frage sie, ob sie den Männern auch gleich erzählt habe, dass sie seit vielen Jahren Therapie mache. Sie schüttelt den Kopf. «Ich glaube, damit gewinnt man als Frau keinen Blumentopf», sagt sie: «zumindest nicht beim ersten Date.»
Während ein Mann modern und erfrischend sensibel wirke, wenn er von seiner Psychotherapie erzähle, laufe man als Frau doch vielmehr Gefahr, im Licht der verrückten Katzenlady zu erscheinen, die emotional nicht stabil sei. «Ich warte lieber noch ein paar Dates, bis ich die Katzen aus dem Sack lasse», scherzt sie.
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