Cannabis in den USAWarum Joe Biden gerade jetzt Kiffer begnadigt
Der US-Präsident lockert das Cannabisverbot in den USA – und verkündet das auf ungewohnte Weise. Es ist kein Zufall, dass er das kurz vor den Wahlen tut.
Amerikanische Cannabisgesetze sind schwierig zu verstehen, selbst mit klarem Kopf. Besonders verwirrend sind sie in der Hauptstadt Washington. Der Besitz von Marihuana ist hier erlaubt, und obwohl der Handel eigentlich verboten ist, florieren dank einer Gesetzeslücke die Cannabisläden.
Legal nach Hause tragen lässt sich das Marihuana aber kaum: Ein Drittel der Stadtfläche gehört dem Bund – und dessen Gesetze bezeichnen den Besitz von Cannabis als Verbrechen, zu bestrafen mit mindestens 1000 Dollar Busse oder auch Gefängnis. Zu spüren kriegen das jedes Jahr auch Dutzende Kiffer, wenn sie auf einem Trip in einem Nationalpark an den falschen Ranger geraten.
Überraschend hat US-Präsident Joe Biden am Donnerstag nun das strenge Cannabisverbot gelockert. Allen, die basierend auf Bundesrecht wegen Besitzes von Marihuana verurteilt worden sind, hat er die Strafe erlassen.
Symbolisch ist das ein grosser Schritt, auch wenn er unmittelbar nur geringfügige Auswirkungen hat. Faktisch gehen die Bundesbehörden kaum gegen Kiffer vor; sie konzentrieren sich vielmehr auf den Handel. Niemand sitzt derzeit allein wegen Besitzes von Marihuana in einem amerikanischen Bundesgefängnis.
Afroamerikaner übermässig betroffen
Bidens Begnadigungen betreffen darum nur rund 6500 Personen sowie eine unbekannte Zahl von Verurteilten in der Hauptstadt Washington, deren Strafregister sie als Verbrecher ausweist. Sie konnten bisher Schwierigkeiten kriegen bei der Suche nach Arbeit, einer Wohnung oder auch einem Kredit.
Überproportional betroffen vom strengen Cannabisverbot sind dunkelhäutige Amerikaner, obwohl Weisse ähnlich häufig kiffen. «Wir müssen dieses Unrecht korrigieren», sagte Biden dazu. Zu viele Leben seien kaputtgemacht worden durch zu strenge Strafen. Er lässt nun prüfen, ob die Bundesbehörden Cannabis in eine neue Drogenkategorie einteilen sollen; bislang wird Marihuana gleich beurteilt wie zum Beispiel Heroin. Dieser Prozess dürfte Jahre dauern. Eine volle Legalisierung müsste jedoch der Kongress beschliessen. Im Abgeordnetenhaus haben die Demokraten für ein solches Gesetz bereits eine Mehrheit gefunden, doch die Republikaner im Senat blockierten es bisher.
Die meisten Kiffer werden in den USA ohnehin gestützt auf Gesetze der Bundesstaaten verurteilt. Darauf hat Biden keinen direkten Einfluss. Er hat aber alle Gouverneure dazu aufgerufen, ebenfalls Begnadigungen auszusprechen. Das ist selbstverständlich auch mit den bevorstehenden Wahlen zu erklären. In vielen Staaten stehen Gouverneurswahlen an, und Biden hat nun alle Kandidaten der Republikaner unter Druck gesetzt, Stellung zu beziehen in einem Politikfeld, in dem die Demokraten die Mehrheit auf ihrer Seite wissen. In Umfragen sprechen sich bis zu zwei Drittel der Bevölkerung für eine Legalisierung von Cannabis aus, in 20 Bundesstaaten ist das bereits teilweise umgesetzt.
Bidens fesches Video
Auch der Zeitpunkt von Bidens Ankündigung ist mit den in einem Monat stattfindenden Wahlen zu erklären. Nach den Sommerferien verspürten die Demokraten in den Umfragen Aufwind, doch jüngst haben die Republikaner wieder Boden gut gemacht. Nun setzt Biden ein Wahlkampfversprechen um, das ihm nie besonders am Herzen zu liegen schien, jüngeren und progressiven Wählergruppen jedoch sehr wichtig ist.
Als Senator hatte Biden strenge Drogengesetze noch befürwortet. Jetzt jedoch ist er ein alter weisser Präsident mit ziemlich begrenzter Anziehungskraft auf junge und auf afroamerikanische Wähler. In den vergangenen Monaten hat Biden darum mehrmals Anliegen von Jungen berücksichtigt, etwa, als er Ende August beschloss, einen Teil der Studienkredite zu erlassen.
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Auch die Lockerung des Cannabisverbots soll nun vor allem junge und afroamerikanische Wähler davon überzeugen, am 8. November an die Urnen zu gehen und Demokraten zu wählen. Biden gab sich keinerlei Mühe, diese Absicht zu verbergen: Die Cannabisbegnadigungen verkündete er nicht wie üblich an einer Medienkonferenz, sondern salopp per Video, das er in den sozialen Medien verbreitete. Er habe versucht, sich direkt an die Bevölkerung zu wenden, erklärte das Weisse Haus.
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