Absturz bei der DeutschlandwahlWarum die CDU im Osten hinter die AfD zurückfällt
In Sachsen und Thüringen haben die Christdemokraten fast alle ihre Wahlkreise an die rechtsradikale AfD verloren. Kanzlerkandidat Laschet ist nur ein Grund dafür.
Kurt Biedenkopf, der vor knapp zwei Monaten 81-jährig gestorben ist, wurde in dem Jahrzehnt nach der deutschen Wiedervereinigung von seinen Sachsen wie ein König verehrt. Bei Wahlen kamen seine Christdemokraten nahe an die 60 Prozent. Bernhard Vogel war im benachbarten Thüringen ähnlich erfolgreich.
Die Zeiten, da die CDU die sechs Millionen Menschen in Sachsen und Thüringen wie ein Familienerbe regierte, sind lange vorbei und kommen vermutlich auch nicht wieder. In beiden Bundesländern fiel die Partei bei der Bundestagswahl vor einer Woche auf Platz 3 zurück, hinter AfD und SPD. In Sachsen verlor die Partei fast 10 Punkte und landete bei 17 Prozent, in Thüringen mit Verlusten von fast 12 Punkten ebenfalls.
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Besonders demütigend war, dass die rechtsradikale AfD der CDU fast alle Direktmandate abnahm: 2017 hatte sie noch in 12 von 16 Wahlkreisen gewonnen, nun noch in 4 – die AfD hingegen in 10. Der CDU bleiben noch das Vogtland und drei Kreise in Leipzig und Dresden. In Thüringen hatte die CDU 2017 noch alle 8 Wahlkreise gewonnen, jetzt noch einen. 2013 kam sie noch auf fast 40 Prozent der Stimmen, vier Jahre später auf knapp 30, jetzt auf nicht mal mehr 20.
Der Absturz der CDU war denn auch weit bemerkenswerter als der Erfolg der AfD. In Sachsen verlor die AfD im Vergleich zu 2017 vielmehr ein Zehntel ihrer Stimmen, in ganz Deutschland sogar jede fünfte. Die Partei profitierte davon, dass die SPD auf Kosten der CDU stark gewann und sie selbst so an der Spitze blieb. Die Direktmandate musste die AfD nicht erobern, sie fielen ihr quasi in den Schoss.
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Die Wahlergebnisse belegen im Übrigen auch, dass Ostdeutschland in sich scharf geteilt ist: Im Norden – in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern – dominieren schon lange die Sozialdemokraten, nur im Süden – Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt – sind die Christdemokraten überhaupt noch regierungsfähig.
In der CDU Sachsens und Thüringens war der Grund für den beispiellosen Absturz schnell gefunden: Armin Laschet. Der Aachener CDU-Vorsitzende und Unions-Kanzlerkandidat kam im Osten nicht nur nicht an, er vertrieb die Wählerinnen und Wähler in Scharen.
In ganz Ostdeutschland klebten kaum Plakate von ihm, dafür schmierten Gegner den Schmähspruch «Lasch, lascher, Laschet» auf zahllose Strassen. Dreimal, so schimpften CDUler, habe die Partei nun ihren Willen missachtet: 2018 wollte man Friedrich Merz als Vorsitzenden und bekam Annegret Kramp-Karrenbauer. Im Januar dieses Jahr unterlag Merz erneut, gegen Laschet.
Und schliesslich hätte man sich CSU-Chef Markus Söder als Kanzlerkandidaten gewünscht – und stand am Ende trotzdem mit Laschet da. Auch frühere Kritik an der «Demokratieferne» der Ostdeutschen hielt man diesem im Wahlkampf wieder vor. «Laschet hasst und verachtet uns Sachsen!», brüllten die Rechtsextremen im Chor.
Der Aufstand gegen den ungeliebten Kandidaten erklärt freilich nicht alles, die Erosion der christdemokratischen Machtbasis hatte schon viel früher begonnen. Seitdem die im Osten besonders radikale AfD der CDU die nationalistischen und rassistischen Wähler streitig macht, ringt die CDU um den richtigen Umgang mit ihr.
Bei der jüngsten Wahl zeigte sich erneut, dass die beiden am häufigsten empfohlenen Wege gleichermassen in die Irre führen. In Sachsen grenzte sich Marco Wanderwitz rabiat von der AfD und ihren Wählern ab, in Thüringen kandidierte Hans-Georg Maassen mit deren Parolen. Das Resultat war dasselbe: Beide verloren – und nicht knapp.
Die Irrtümer von Wanderwitz und Maassen
Wanderwitz, der sogenannte Ostbeauftragte der Bundesregierung, war im Wahlkampf zu einer Hassfigur vieler geworden – und zum besten Wahlhelfer der AfD. Die Ostdeutschen seien auch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der DDR noch so diktaturgeschädigt, sagte der 45-Jährige, dass man eigentlich nur auf die nächsten Generationen hoffen könne. Von da an galt Wanderwitz selbst bei gemässigten Konservativen nur noch als «Ostbeschimpfungsbeauftragter».
Maassen, der frühere Chef des Bundesverfassungsschutzes, hatte auf der anderen Seite des politischen Spektrums polarisiert. Er hausierte mit radikalen Aussagen zu Einwanderern, Islam, Medien und Corona, sehr zur Begeisterung von Anhängerinnen und Anhängern der AfD. Wählen taten viele dann doch lieber das Original: Der AfD-Kandidat lag am Ende nur einen Prozentpunkt hinter Maassen – der frühere Biathlon-Olympiasieger Frank Ullrich von der SPD aber mehr als 10 Punkte voraus.
Die Beispiele der christdemokratischen Ministerpräsidenten von Sachsen und Sachsen-Anhalt, Michael Kretschmer und Reiner Haseloff, haben bei den letzten Landtagswahlen bewiesen, dass ein mittlerer Kurs eher Erfolg verspricht: Beide hatten die Heimatliebe ihrer Bürgerinnen und Bürger gestreichelt, unentwegt den Dialog gesucht, sich dabei auch anbrüllen lassen, eine scharfe Grenze zur AfD gezogen, ohne je deren Wähler zu beschimpfen.
Als Laschet vor einer Woche seine Niederlage noch nicht zugeben wollte, sprach Kretschmer bereits von einem «Erdbeben». Der 46-Jährige aus Görlitz hatte 2017 sein Direktmandat für den Bundestag selbst an Tino Chrupalla, den heutigen AfD-Chef, verloren. Jetzt kritisierte er den Kurs der letzten Jahre, die Politik von Angela Merkel in der Corona-Krise und den Kandidaten Laschet. «Wenn wir weitermachen wie bisher, dann mache ich mir grosse Sorgen, was in vier Jahren übrig bleibt.»
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