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Auffällige Korrelation
Mehr AfD-Wähler, mehr Corona-Tote?

Dutzende von Corona-Toten jeden Tag: Die Sarghalle eines Krematoriums im sächsischen Meissen Mitte Januar.
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Monatelang wurde die Corona-Seuche in Dresden, Leipzig, Magdeburg oder Erfurt als etwas betrachtet, das den Osten Deutschlands allenfalls am Rande betrifft. Die Regionen mit den höchsten Werten lagen in der ersten Welle alle im Westen und im Süden, vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen oder Nordrhein-Westfalen.

Seit November hat sich das drastisch geändert. Nun trifft es den Osten am stärksten, vor allem Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Nirgends in Deutschland infizierten sich in den letzten Wochen pro Kopf der Bevölkerung mehr Menschen mit dem Virus, nirgends starben mehr Menschen als hier.

Im Dezember geriet erst Sachsen in Not. Auf einmal verstarben doppelt so viele Menschen wie im langjährigen Durchschnitt. Die Krematorien waren hoffnungslos überlastet, Särge wurden über Hunderte Kilometer transportiert, um eingeäschert zu werden. Nach Sachsen überrollte die Welle Thüringen, nun Sachsen-Anhalt.

Auf der Suche nach den Gründen machten Soziologen und Politiker bald auf einen Zusammenhang aufmerksam. Nirgends in Deutschland wählen mehr Menschen die Alternative für Deutschland (AfD) als in diesen östlichen Bundesländern. Gegen 30 Prozent beträgt ihr Anteil, in gewissen Landstrichen des Osterzgebirges oder der Sächsischen Schweiz sogar noch mehr. In all diesen Regionen infizierten sich zuletzt besonders viele Menschen.

Gleichzeitig protestierte keine Partei heftiger gegen die Corona-Massnahmen als die AfD. Umfragen und Studien zeigen, dass viele Menschen, die gegen Masken, Impfungen und «Lockdown» auf die Strasse gehen, der AfD zuneigen. Deren Anhänger wiederum glauben mehrheitlich, Corona sei keine Gefahr, sondern eine Verschwörung, um freie Bürger zu unterdrücken.

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Dass das Virus zuletzt vor allem in Gegenden grassierte, wo die AfD besonders stark ist, haben verschiedene statistische Auswertungen eindeutig belegt. Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena fand den Zusammenhang sogar noch stärker ausgeprägt als erwartet. «Aber Korrelation heisst noch nicht Kausalität.» Anders gesagt: Nur weil in einer Gegend viele AfD-Anhänger leben, heisst das noch lange nicht, dass sie das Virus bekommen – oder dass sie an dessen starker Verbreitung schuld sind.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz von der CDU, hält die These dennoch für plausibel: Die AfD leugne Corona weitgehend. Für das Virus sei das ein Geschenk. Quent und sein Zittauer Soziologenkollege Raj Kollmorgen sehen es ähnlich. Im Osten sei das Misstrauen gegen staatliche Vorgaben und «bevormundende Eliten» viel stärker ausgeprägt als im Westen. Viele Bürger fühlten sich schon länger im Widerstand gegen die Regierungspolitik und sähen sich darin von der AfD vertreten.

Von diesem Misstrauen zeugen im Osten eine Vielzahl von Protesten und Drohungen gegen Politiker und Behörden, die die Corona-Politik umsetzen. An manchen Orten gilt die Maske eher als Alibi denn als Bekenntnis.

Es gibt noch viele andere Faktoren

Dass die grössere Ablehnung der Corona-Massnahmen die Verbreitung des Virus im Osten zumindest begünstigt, halten viele Beobachter für wahrscheinlich. Alles erklären kann der Zusammenhang aber nicht.

Das zeigt bereits ein flüchtiger Blick auf den südlichen Nachbarn Bayern. In dessen Grenzgebieten zu Österreich und Tschechien lagen die Inzidenzen in den letzten Wochen nicht viel weniger hoch als in Sachsen. Trotzdem hätte niemand behaupten wollen, die dort dominante CSU habe die Lage verursacht – oder die jeweiligen Regierungen von CDU, SPD und Grünen die «Hotspots» des Frühlings.

Gerade weil der Osten im Frühling so wenig betroffen war, breiteten sich Sorglosigkeit und Leichtsinn aus.

Der entscheidende politische Faktor für die Entwicklung war vermutlich weniger die oppositionelle AfD als die zuständigen Regierungen. Gerade weil der Osten im Frühling vom Virus so wenig betroffen war, breiteten sich Sorglosigkeit und Leichtsinn aus. Die Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU, Sachsen), Rainer Haseloff (CDU, Sachsen-Anhalt) und Bodo Ramelow (Linke, Thüringen) verhinderten noch im Oktober Einschränkungen, die längst überfällig waren. Heute sagen sie alle, sie hätten sich geirrt.

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Ein weiterer wichtiger Faktor für die Virusverbreitung war geografischer Art: Wie in Bayern machte es im Osten die Grenznähe schwierig, die Pandemie unter Kontrolle zu halten. In Polen und in Tschechien, beide im Frühling ebenfalls wenig getroffen, verbreitete sich das Virus seit September geradezu rasend. In Sachsen oder Brandenburg ist der Verkehr über die Grenze aber traditionell intensiv, in beide Richtungen, für Einkauf und Arbeit.

Auch für demografische Risikofaktoren lässt sich die AfD schwerlich verantwortlich machen. Nirgends in Deutschland etwa ist die Bevölkerung älter als im Osten, insbesondere auf dem Land – also dort, wo jetzt am meisten Menschen an den Folgen von Covid-19 sterben. Und wo vor wenigen Monaten noch Corona-Leugner mit leeren Särgen demonstrierten, auf denen geschrieben stand: «Wo sind die Toten?»