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Zweifel an Corona-Impfstoff
Warum die AstraZeneca-Impfung ausgesetzt wird

«Es ist sehr selten aufgetreten»: Jens Spahn erklärt in Berlin die überraschende Massnahme.
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Die Aussetzung des Impfstoffs von AstraZeneca in Deutschland geht nach Angaben von Gesundheitsminister Jens Spahn auf sieben Krankheitsfälle zurück. «Es ist sehr selten aufgetreten», sagte Spahn am Montag in Berlin.

Zuvor hatte sein Ministerium mitgeteilt, dass die Impfungen mit dem Vakzin vorerst aus Vorsicht gestoppt seien, weil es Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gegeben habe. «Bis jetzt gibt es sieben berichtete Fälle, die im Zusammenhang mit einer solchen Hirnvenenthrombose stehen bei mittlerweile über 1,6 Millionen Impfungen in Deutschland», erklärte Spahn. «Es geht um ein sehr geringeres Risiko – aber falls es tatsächlich im Zusammenhang mit der Impfung stehen sollte, um ein überdurchschnittliches Risiko.»

Laut dem zuständigen Paul-Ehrlich-Institut solle man sich in ärztliche Behandlung begeben, wenn man sich mehr als vier Tage nach der Impfung unwohl fühlen sollte, etwa mit starken oder anhaltenden Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen, sagte Spahn.

Die EMA ist nun am Zug

Bis Sonntag waren laut dem deutschen Robert Koch-Institut 1,65 Millionen Dosen AstraZeneca-Impfstoff in der Bundesrepublik verabreicht worden. Bis auf wenige hundert Fälle betreffen alle diese Impfungen die erste von zwei für den Impfschutz nötige Impfungen. Die Aussetzung betreffe nun auch alle Folgeimpfungen, sagte Spahn.

Nun ist die Europäische Arzneimittelbehörde EMA am Zug, denn dort wird an einer erneuerten Bewertung des Impfstoffs gearbeitet. Der Minister setzt darauf, dass die EMA «idealerweise noch im Laufe dieser Woche zu ihrer Entscheidung» kommt. Falls der Impfstoff weiter zugelassen wird, sollten auch die Impfungen wieder anlaufen.

EMA hält an Bewertung fest

Die EMA meldete sich noch am Montag zu den neuesten Entwicklungen. Sie hält vorerst an ihrer Bewertung des Impfstoffes von AstraZeneca fest. Bisher gebe es keine Hinweise darauf, dass das Mittel ein ernstes Gesundheitsrisiko darstelle, sagte der Chef der EMA-Abteilung für Impfstrategien, Marco Cavaleri, bei einer Anhörung im EU-Parlament. «Wir sehen kein Problem darin, die Impfkampagne mit diesem Impfstoff fortzusetzen.»

Laut Cavaleri basiert diese Bewertung vor allem auf Informationen aus Grossbritannien, wo der Impfstoff seit Dezember massiv verabreicht wurde. «Wir nehmen natürlich alle Daten unter die Lupe, insbesondere die tödlichen Fälle, die gemeldet wurden.» Das Nutzenrisiko des Impfstoffs werde aber weiterhin positiv bewertet. Die EMA will nun am Donnerstag auf einer Sondersitzung über das weitere Vorgehen beraten, die WHO in Genf kündigte schon für Dienstag ein Treffen ihres Expertenteams für Impfsicherheit an.

Der britisch-schwedische Hersteller des Impfstoffes wies die Bedenken zurück. Mitentwickler Andrew Pollard, Leiter der Oxford Vaccine Group, erklärte, es gebe «sehr beruhigende Beweise», dass das Vakzin in Grossbritannien – bislang sein Haupteinsatzgebiet in Europa – nicht zu einer Zunahme von Blutgerinnseln geführt habe.

Auch Frankreich, Italien und Spanien setzen aus

Nach Deutschland haben am Monat auch Frankreich, Italien und Spanien erklärt, dass sie das Impfen mit dem Vakzin des schwedisch-britischen Herstellers vorderhand aussetzen. Frankreich wolle bis zur Einschätzung der EMA den Impfstoff erstmal nicht mehr einsetzen, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beim französisch-spanischen Gipfel mit dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez im südwestfranzösischen Montauban. Es handle sich um eine «Vorsichtsmassnahme», und es bestehe die Hoffnung, dass die Impfungen mit AstraZeneca schnell wieder aufgenommen werden könnten. Macron gab an, AstraZeneca bis mindestens Dienstagnachmittag aussetzen zu wollen.

Brisant ist, dass auch Schweden den Einsatz des Wirkstoffes pausiert, bis die Untersuchung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA zu vermuteten Nebenwirkungen des Mittels abgeschlossen sei, wie die Nachrichtenagentur DPA berichtet. Sie bezieht sich auf eine Mitteilung der schwedischen Gesundheitsbehörde. Astrazeneca ist 1999 aus dem Zusammenschluss des schwedischen Unternehmens Astra und dem britischen Konzern Zeneca entstanden. «Der Entschluss ist eine Vorsichtsmassnahme», erklärte Staatsepidemiologe Anders Tegnell gemäss DPA.

Es machen sich Zweifel an einem Impfstoff breit: Das Covid-19-Vakzin von AstraZeneca.

Auch die Arzneimittelbehörde in Rom erklärte, sie warte die Stellungnahme der EU-Aufseher ab. Bis dahin sei der Einsatz des Impfstoffs in ganz Italien untersagt. Mittlerweile sind es 15 europäische Länder, die mit der Benützung des Vakzins von AstraZeneca aussetzen.

Bereits letzte Woche hatte zunächst Dänemark die Impfungen mit dem Vakzin ausgesetzt. Es folgten Norwegen, Island sowie die EU-Länder Bulgarien, Irland und die Niederlande. Österreich, Estland, Lettland, Litauen und Luxemburg setzten die Nutzung von einer bestimmten AstraZeneca-Charge aus, Italien und Rumänien stoppten die Nutzung einer anderen Charge. Thailand, die Demokratische Republik Kongo und Indonesien verschoben den Impfstart.

Heftige Kritik von deutschen Linken und Grünen

In Deutschland stösst die Massnahme von Spahn bei Politikern von Grünen, SPD und Linkspartei auf Kritik. «Ich halte das für einen Fehler», sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dem ZDF. Der Impfstopp werde das Vertrauen in AstraZeneca weiter reduzieren, «dabei gibt es keine neuen Daten, die den Stopp rechtfertigen», sagte Lauterbach weiter.

«Die AstraZeneca-Aussetzung zerstört Vertrauen in einen guten Impfstoff», schrieb auf Twitter der Linken-Europapolitiker Erik Marquardt, «bloss weil niemand mehr Verantwortung für Entscheidungen übernehmen» wolle. «Mit dieser bürokratischen Lethargie würde man bei Seenot auch nicht vom sinkenden Schiff springen, weil man dabei nass werden könnte», kritisierte er weiter.

Irritiert äusserte sich auch die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley. «Die neueste Generation der Antibabypille hat als Nebenwirkung Thrombosen bei acht bis zwölf von 10’000 Frauen», schrieb sie auf Twitter. «Hat das bisher irgendwen gestört?»

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«Herr Spahn muss seine erratische Kehrtwende erklären», verlangte FDP-Fraktionsvizepräsident Michael Theurer in Berlin. Dazu gehöre auch die Frage, warum die Entscheidung unmittelbar nach den Landtagswahlen vom Sonntag bekanntgegeben werde und ob dafür neue Daten vorlägen, erklärte Theurer weiter. Der Politiker wies darauf hin, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA die bislang bekannt gewordenen Fälle von Thrombosen als «statistisch völlig unauffällig» einstufe, und empfehle, den Impfstoff von AstraZeneca weiter zu nutzen.

Vor gravierenden Konsequenzen der Entscheidung warnte auf Twitter der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen. Die Aussetzung der Nutzung von AstraZeneca treffe nun mit dem «Hereinbrechen der dritten Welle» der Corona-Pandemie zusammen. Die Konsequenz müsse sein: «Die Corona-Schutzmassnahmen müssen nun hochgefahren werden.»

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Die Deutsche Stiftung Patientenschutz machte Spahn schwere Vorwürfe. Am Montagvormittag habe es mit Blick auf AstraZeneca noch «Weiter so» geheissen. «Und am Nachmittag wird alles gestoppt», sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der Nachrichtenagentur AFP. Spahn «zündet einen Flächenbrand».

AFP/SDA/fal