Direktflug normalerweise verbotenWarum 98 Rabbiner nach Argentinien eingeflogen wurden
Die Fleischbranche ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Argentinien. Rabbiner sollen nun helfen, das Fleisch schneller zu den Kunden in Israel zu bringen.
Es war ein ganz besonderer Flug, der am Ankunftsort schon sehnlichst erwartet wurde. «Wir feiern, dass es uns gelungen ist, die Ankunft der Rabbiner zu beschleunigen», sagte der argentinische Aussenminister Felipe Solá in Buenos Aires nach der Landung des El-Al-Fluges aus Tel Aviv. An Bord des Charterfluges waren ausschliesslich Rabbiner, 98 insgesamt.
Auf sie wartete am vergangenen Wochenende eine wichtige Aufgabe: 15’500 Tonnen Fleisch stapeln sich seit dem Ausbruch der Corona-Krise in den argentinischen Kühlhäusern. Das Rindfleisch, dessen Warenwert auf rund hundert Millionen Dollar geschätzt wird, ist eigentlich für den Export nach Israel vorgesehen. Doch es fehlt ein Hechscher, ein Koscher-Stempel.
Dieses Zertifikat besagt, dass Erzeugnisse unter Beachtung der jüdischen Gesetze, der Halacha, hergestellt und gemäss den Speisegesetzen, der Kaschrut, zum Gebrauch und Verzehr zugelassen wurden. Ohne diesen Koscher-Stempel darf kein Nahrungsmittel Richtung Israel losgeschickt werden – auch nicht Fleisch aus Argentinien.
Obwohl Argentinien mit einer Viertelmillion Mitglieder die grösste jüdische Gemeinde in Südamerika hat, gibt es zu wenige Rabbiner vor Ort, die über diese Spezialkenntnisse verfügen und Koscher-Stempel verteilen können. Ausserdem sind die Mengen zu gross: Rund 24’000 Tonnen Rindfleisch exportiert Argentinien jedes Jahr nach Israel.
Fleisch wird sehnsüchtig erwartet
Bisher reisten bis zu 15 Rabbiner aus Israel zweimal pro Jahr an, um die Überprüfungen vorzunehmen. Aber seit dem Ausbruch der Corona-Krise wird Ausländern die Einreise verweigert, sodass die Rabbiner ihren Frühjahrstrip nicht mehr antreten konnten. Zudem starben tragischerweise Vater und Sohn Yabra, zwei an der Koscher-Zertifizierung beteiligte argentinische Rabbiner. Seit dem 20. März müssen noch dazu alle, die noch ins Land gelassen werden, eine zweiwöchige Quarantäne nach ihrer Einreise antreten.
Aber für die 98 Rabbiner wurde eine Ausnahme gemacht: Sie wurden nach der Landung auf schnellstem Weg in sechs Produktions- und Lagerstätten gebracht, um sich sofort an die Arbeit machen zu können. Denn in Israel wird sehnsüchtig auf den Nachschub an Fleisch aus Argentinien gewartet. Die Vorräte sind schon fast aufgebraucht.
Ausserdem will Argentinien die wegen Corona in Mitleidenschaft gezogene Wirtschaft wieder ankurbeln, und Fleisch ist ein wichtiges Produkt. Argentinien ist der fünftgrösste Fleischexporteur der Welt und Israel der drittwichtigste Abnehmer. Der Rindfleischexport nach Israel soll in diesem Jahr einen Gesamtwert von 170 Millionen Dollar haben.
Erst zweite Ausnahme
Um die Rabbiner möglichst rasch ins Land zu holen, war Argentinien sogar bereit, diplomatische Hürden aus dem Weg zu räumen. Eigentlich sind Direktflüge aus Israel seit 60 Jahren untersagt. Denn im Mai 1960 wurde der frühere SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann durch Mossad-Agenten in Buenos Aires entführt und an Bord einer El-Al-Maschine nach Israel gebracht. Für einen Staatsbesuch von Regierungschef Benjamin Netanyahu wurde 2017 eine Ausnahme gemacht – nun zum zweiten Mal für die Rabbiner zur Fleischbeschau.
Auf dem Weg zurück Richtung Tel Aviv schrieb der Flug EY047 sogar Geschichte: Zum ersten Mal erteilte der mit Israel verfeindete Staat Sudan einer El-Al-Maschine eine Überfluggenehmigung.
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