Grüne VersprechenWaldkäufe der Post lösen bei Expertinnen Skepsis aus
Der Staatsbetrieb will bis 2040 das Netto-null-Ziel erreichen – und kauft unter anderem in Deutschland Waldflächen. Das sorgt für Irritationen.
Firmen, die Klimaneutralität versprechen, verbrennen sich oft die Finger. Vom CO₂-freien Käse bis hin zur klimaneutralen Skidestination – vieles entpuppt sich als Greenwashing. Weil die Versprechen auf billigen Zertifikaten basieren und teils gar keine Emissionen reduziert werden.
Die Schweizerische Post versucht sich nun an einem neuen Modell. Sie will bis 2040 klimaneutral sein, von der Auslieferung des Zalando-Päckli bis zum Lieferanten. Sie rechnet damit, dass trotz Elektrorollern und Solardächern auf den Paketzentren weiterhin 10 Prozent an Restemissionen bleiben. Um diese zu kompensieren, kauft sie keine umstrittenen Zertifikate – sondern Wald.
Deutsche Bäume sollen 9000 Tonnen CO₂ im Jahr binden
Der Staatsbetrieb hat im deutschen Bundesland Thüringen einen Waldbesitzer gefunden, der ihm eine Fläche von 2400 Hektaren verkaufen will. Das sind fast 3400 Fussballfelder. Die Übernahme ist auf Herbst geplant. Auf dieser Fläche will sie möglichst viel CO₂ aus der Atmosphäre ziehen und in den Bäumen speichern.
«Wir wollen die Waldfläche nicht kaufen, weil sie in Deutschland liegt», sagt Sprecher Stefan Dauner. «Sondern wir suchen generell nach genügend grossen Waldflächen in der Schweiz und im umliegenden Ausland, wo wir eine seriöse und nachhaltige Waldbewirtschaftung betreiben können.»
Die Bäume in Thüringen werden längst nicht ausreichen. Die Post rechnet nämlich damit, dass sie ab 2030 jährlich unvermeidbare 124’000 Tonnen CO₂ ausstösst. Sie plant deshalb eine Reihe von Massnahmen, um die Emissionen langfristig zu speichern. Heute geht die Post davon aus, dass sie mit der Waldfläche in Thüringen «grob geschätzt» 9000 Tonnen CO₂ pro Jahr aus der Atmosphäre ziehen kann.
Eben diese groben Schätzungen wurden anderen Klimaschutzvorhaben in den letzten Monaten zum Verhängnis. Weil die erwarteten und die effektiv erfolgten CO₂-Einsparungen weit auseinanderklafften. Die Post gesteht denn auch, dass es sich um ein neues Forschungsfeld handle, weshalb man mit diversen Partnern und Hochschulen zusammenarbeite.
Waldforscherin warnt vor doppeltem Kassieren
Esther Thürig von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) forscht intensiv zum Wald als Kohlenstoffspeicher. Sie sagt, es gebe zwar mittlerweile relativ verlässliche Berechnungsmethoden, um den Zuwachs eines Waldes zu messen – und zu wissen, wie viel CO₂ die Bäume speichern.
Trotzdem ist sie skeptisch: «In der Waldbewirtschaftung ist es normal, dass ein Wald nur alle 10 bis 30 Jahre bewirtschaftet wird.» Bei einem Holzschlag werde der Holzvorrat verringert, um die verbleibenden Bäume danach in Ruhe weiter wachsen zu lassen.
«Ein Unternehmen wie die Post sollte sehr genau prüfen, ob der gekaufte Wald nicht in einer normalen Wachstumsphase nach einer Holzernte ist», so Thürig. Dann nämlich würde das gespeicherte CO₂ einfach den Vorratsverlust der Ernte kompensieren. «Denn das klingt nach Greenwashing.» In so einem Fall könnte der Bewirtschafter doppelt kassieren: Indem er das gefällte Holz verkauft und danach durch Wiedererlangen des Ursprungvorrats nochmals Geld verdient. Nachhaltig sei eine solche CO₂-Speicherung nur, wenn der Baumvorrat langfristig höher sei und nachhaltig genutzt werde.
Ebenso wichtig ist gemäss Thürig, wie das geerntete Holz verwendet wird. Aktuell endet lediglich ein kleiner Teil der Baumbiomasse in einem Holzprodukt. Der Rest wird entweder im Wald gelassen, fällt als Abfall bei der Produktion an oder wird zur Wärmegewinnung verbrannt. «Ein Baum speichert beim Zuwachs zwar CO₂, nach der Ernte wird ein Grossteil des Baumes aber verbrannt oder abgebaut und gelingt als CO₂ wieder zurück in die Atmosphäre.» Darum werde intensiv an Techniken und Materialien geforscht, mit welchen aus möglichst vielen Teilen der Bäume Produkte hergestellt werden könnten.
Axel Michaelowa, Experte für internationale Klimapolitik an der Universität Zürich, findet das Vorhaben der Post grundsätzlich fragwürdig: «Wenn die Post professionell handeln würde, würde sie Emissionsgutschriften aus Waldprojekten erwerben, die unter einem internationalen freiwilligen Kohlenstoffmarktprogramm mit hoher Reputation ausgegeben wurden.»
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