Leitartikel zu VenezuelaMan kann nur hoffen, dass Maduro jetzt stürzt
Der frühere Staatschef Hugo Chávez war eine Linken-Ikone, sein Nachfolger Nicolás Maduro hat Venezuela ruiniert. Bringen die Wahlen am Sonntag die Wende?
Es fällt schwer, sich das heute noch vorzustellen, aber vor gar nicht allzu langer Zeit war Venezuela mal ein Symbol der Hoffnung. Damals, Mitte der Nullerjahre, brummte die Wirtschaft in dem Land. Die Einnahmen aus dem Erdölhandel füllten die Staatskassen, und der damalige Präsident Hugo Chávez gab das Geld mit vollen Händen aus, für Sozialprogramme und kostenlose Gesundheitsversorgung, für den Kampf gegen Analphabetismus und verbilligte Nahrungsmittel.
Chávez wurde zum Volkshelden und zu einer Ikone der globalen Linken – teilweise auch hier in der Schweiz. Er starb 2013, sein Erbe aber lebt fort, bis heute: Die von ihm gegründete Partei PSUV ist weiterhin an der Regierung, und der von Chávez einst persönlich auserwählte Nachfolger, Nicolás Maduro, ist immer noch Staatschef.
Insgesamt ist der Chavismus so nun schon ein Vierteljahrhundert an der Macht. Wenn am Sonntag Wahlen stattfinden in Venezuela, dann kann man aber eigentlich nur hoffen, dass damit endlich Schluss ist. Denn das Land ist heute kein Symbol der Hoffnung mehr, sondern ein Realität gewordener Albtraum. Ein Schreckgespenst, das die ganze Region umtreibt.
Verrosteter Reichtum
Dabei ist das Land reich gesegnet: Venezuela verfügt über die grössten bekannten Erdölreserven der Welt, 303 Milliarden Barrel. Ein gigantischer Schatz, der den Menschen über Jahrzehnte beispiellosen Wohlstand bescherte. Das Land hatte die besten Unis, die breitesten Strassen, die aufregendsten Metropolen.
Doch von all dem ist nichts geblieben. Die einst so stolze Erdölindustrie liegt in Ruinen, buchstäblich. Anlagen verrosten, es tropft aus maroden Leitungen, ganze Landstriche sind verseucht. Die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Und war Venezuela früher ein Magnet für Einwanderer, wollen viele Menschen heute nur noch weg. Fast 8 Millionen von 30 Millionen Einwohnern haben in den vergangenen Jahren das Land verlassen. Es ist der grösste Massenexodus in der Geschichte Lateinamerikas.
Schuld an der ganzen Misere, sagt die chavistische Regierung, seien die bösen Imperialisten in den USA. Stimmt ja auch: Die Politiker in Washington blockieren schon seit Jahren die venezolanische Ölindustrie mit ihren Sanktionen. Dass diese aber überhaupt erst verhängt wurden, nachdem es bei Wahlen 2017 massiven Betrugsverdacht gegeben hatte, das verschweigt man lieber in Caracas. Ebenso wenig gibt die Regierung zu, dass sie selbst massgeblich zum Abstieg beigetragen hat, mit Misswirtschaft und Korruption. Diese zieht sich heute durch so gut wie alle Lebensbereiche im Land.
Im lateinamerikanischen Ausland ist Venezuela so längst zur Drohung geworden. Rechte Politiker wie Jair Bolsonaro in Brasilien oder Javier Milei in Argentinien warnen gern vor «venezolanischen Verhältnissen», sollten in ihren Ländern die Linken an die Macht kommen.
Die wiederum distanzieren sich bis heute nur widerwillig von dem Regime in Caracas. Zu schön sind wohl die Erinnerungen an früher: ein links regiertes Südamerika, stark und vereint! Da spielt es anscheinend auch keine Rolle, dass in Venezuela politische Gegner verfolgt werden, dass die Regierung die Presse gängelt und die Vereinten Nationen Folter beklagen und Hinrichtungen ohne Gerichtsurteil.
Maduros Rivale liegt vorne
Nun also die Wahlen. Allein dass sie stattfinden, ist ein Hoffnungsschimmer. Nur unter grösstem Druck und nach zähen Verhandlungen hatte sich die Regierung darauf eingelassen. Die aussichtsreichste Oppositionskandidatin María Corina Machado wurde dann aber gleich von ihr blockiert, ein Ex-Diplomat füllt nun ihren Platz aus, Edmundo González Urrutia, 74 Jahre alt und bis vor kurzem noch vollkommen unbekannt im Land. Trotzdem: In allen seriösen Umfragen liegt er vorn, mit weitem Vorsprung.
Den Venezolanern scheint es fast egal zu sein, wer am Sonntag gewinnt – Hauptsache, es ist nicht Nicolás Maduro. Umso schlimmer, dass diese Hoffnung höchstwahrscheinlich enttäuscht werden wird. Denn erstens steht einfach zu viel auf dem Spiel für das Regime. Posten, Pfründe, Privilegien. Und im schlimmsten Fall könnten nach einem Regierungswechsel den Angehörigen des Regimes ja auch Gerichtsprozesse drohen, ihnen wird Vetternwirtschaft vorgeworfen, ebenso Drogenhandel.
Und wieso sollten sie auch die Macht abgeben? Nach einem Vierteljahrhundert an der Regierung ist der Chavismus als System viel zu gut geölt. Vielleicht hat sich die Regierung überhaupt nur auf die Abstimmung eingelassen, weil sie sich sicher ist, dass sie – dank Wahlbetrug – am Ende eben doch einen Sieg erklären kann. Die Wahlen in Venezuela würden dann endgültig vom Symbol der Hoffnung zu einem der Hoffnungslosigkeit.
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