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Meinung

Wahlen im Iran
Und die Menschen hätten so viel zu sagen

In this photo released by the office of the Iranian Supreme Leader, Supreme Leader Ayatollah Ali Khamenei speaks in a meeting with a group of people in Tehran, Iran, Wednesday, Feb. 28, 2024. Khamenei urged people to vote on March 1 for parliamentary and Assembly of Experts elections and addressed those who may boycott the vote, "There is no reasoning behind not voting, it does not solve any problem, it does not solve any problem of the country." (Office of the Iranian Supreme Leader via AP)
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Es ist eine leichte Form des Protests, eine traurige ist es auch. Weil die letzte. Die einzig noch verbliebene, die nicht ins Gefängnis führt. Sie werden massenweise von ihr Gebrauch machen, die Iranerinnen und Iraner, die diesen Freitag zur Parlamentswahl aufgerufen sind. Sie werden zu Hause bleiben. Vermutlich in der grossen Mehrheit.

Weshalb teilnehmen an Wahlen, die selbst frühere Präsidenten des Landes als Farce beschrieben haben? Politiker, die sich nicht ganz auf der Linie von Ali Khamenei bewegen, des Obersten Führers, kandidierten gar nicht erst oder wurden von den Wächtern des Regimes ausgeschlossen. Die Abstimmung sei ein «Akt des Widerstands» gegen Israel und die USA, sagte der 84 Jahre alte Khamenei kürzlich.

Im Iran sind sie solche Sprechblasen der Propaganda seit langem gewöhnt, sie lassen diese an sich vorüberziehen. Dabei hätten sie einiges zu sagen. Wenn sie dürften. Sie sagen es, wenn man sie im Ausland trifft. Dann ziehen sie die Bilanz einer zerstörerischen Politik, im Iran selbst wie in den Ländern des Nahen Ostens, in denen Teheran einflussreich ist. Sie erzählen von einem Unterdrückungsapparat, den man überall spürt, gerade seit den grossen Protesten im Herbst 2022. Von einem Regime, das sich immer weiter radikalisiert hat, das jeden Diskurs erstickt.

Die Garden beherrschen alles

Es gab früher mal Wahlen im Iran, die den Namen verdienten. Klar, auch damals bewegte sich das Meinungsspektrum innerhalb der Grenzen des theokratischen Staates. Aber da waren auch Reformer, nicht nur Hardliner. Vorbei, unter Khamenei und seinem treu ergebenen Präsidenten Ebrahim Raisi liegt die Macht vor allem bei den Revolutionsgarden. Jener Streitmacht, die damals die Proteste niederschlug und die das Atomprogramm vorantreibt. Inzwischen beherrscht sie auch grosse Teile der Wirtschaft.

Die Garden sind ein Staat im Staat geworden, der die Regeln macht. Wofür sie stehen? Ein Land im Niedergang. Hyperinflation. Angst auf den Strassen, Brutalität in den Gefängnissen. Todesurteile gegen Demonstranten. Gegen Teenager. Wären die Wahlen frei, all das fände keine Mehrheit.

Noch schlimmer ist es in den anderen Ländern. Dort, wo der Iran sich eingenistet hat. Im Libanon gibt es kaum noch einen Staat. Syrien ist vom Krieg entstellt. Der Irak findet nicht aus der Dauerkrise. Im Gazastreifen liess das iranische Regime es geschehen, dass die Hamas mit ihrem Angriff auf Israel ein nicht kalkulierbares Risiko einging. Finanziert mit Geld aus Teheran. Jetzt sieht es in Gaza aus wie in Aleppo.

Das Schweigen ist ohrenbetäubend

Das ist die Politik, über die das iranische Volk jetzt nicht abstimmen darf. Eine aggressive Expansionspolitik in der Region, eine Radikalisierung im Innern. Nicht nur im Iran fände das bei Wahlen keine Mehrheit, auch im Libanon, in Syrien oder im Irak nicht. Die iranische Macht basiert auf dem Ausspielen von Volksgruppen gegeneinander, auf Krieg. So eine Macht verlässt nicht friedlich die Bühne. Sie wird weitermachen, wie sie gross geworden ist: mit Gewalt.

Die Iranerinnen und Iraner, die der Wahl fernbleiben, haben recht. Wer gewinnt, steht schon fest. Die Verlierer aber auch. Alle, die unter dem Regime leiden. Und leiden werden. Fragt sich nur, weshalb sich noch jemand der Stimme enthält: Europa etwa. Kaum noch ein Wort darüber, was im Iran geschieht. Die Proteste sind lange her, das Schweigen ist ohrenbetäubend.