Porträt von Adrian NikciWäre da nur nicht diese Hirnhautentzündung gewesen
Der Ex-FCZ-Spieler war nie ein Fussballstar, spielte nie in der Fussballnati. Seine Karriere ist dennoch erzählenswert. Auch wegen einer schweren Krankheit.
Klar, es treten viele Fussballer zurück. Immer wieder. Das ist der Lauf der Dinge. Schliesslich mag der Körper irgendwann nicht mehr, der Geist ebenso wenig. Der ehemalige Bayern-Stürmer Sandro Wagner gab diesen Sommer seinen Rücktritt. Auch die Weltmeister von 2014 Benedikt Höwedes und André Schürrle. Genauso hatten Schweizer Fussballer genug: der langjährige Nati-Captain Stephan Lichtsteiner, Goalie Diego Benaglio.
Und mit 30 Jahren: Adrian Nikci. Doch bei ihm ist die Geschichte eine andere. Schliesslich war er, der gebürtige Kosovo-Albaner, aufgewachsen in Uster, nie ein Fussballstar. Er nahm nie an einer Europa- oder Weltmeisterschaft teil, wurde nie für die Schweizer A-Nationalmannschaft aufgeboten. Nikci kam lediglich zu sechzehn Einsätzen in der Schweizer U-21. Wie viele Basel- oder St.-Gallen-Fans ihn kennen, ist ungewiss. FCZ-Fans kennen ihn immerhin mit Sicherheit. In der Saison 2008/2009 gewann er mit dem FC Zürich den Schweizer-Meister-Titel.
«Der Goalie konnte nur hinterherschauen»
«Das war bombastisch», sagt der 30-Jährige. Noch heute weiss er seinen Leistungsnachweis von jener Saison auswendig. 34-mal sei er in der Startelf gestanden, erzählt er. Vier Tore und sechs Assists seien ihm gelungen. Und: «Als 20-Jähriger war es für mich eine geile Zeit. Zuerst die Saison, dann der Titel, am Schluss das Feiern mit den Fans auf dem Helvetiaplatz.»
Noch jetzt, wenn Nikci zurückblickt, von seinen Anfängen erzählt, hört man ihm seine Freude an. Er lacht viel, wenn er darüber spricht. Verständlich. Schliesslich fasste er als Jungspund im Profibusiness schnell Fuss. Spielte viel, machte seine Tore. Er durfte mit dem FCZ in der Champions und der Europa League antreten. In Letzterer gelang ihm gar «das schönste Tor» seiner Karriere, wie er sagt. Im Spiel gegen Lazio Rom (1:1) im Oktober 2011 schoss er den Ball per Innenrist direkt ins Kreuz. «Der Goalie konnte nur hinterherschauen.»
Doch weshalb ist seine Geschichte eine andere? Schliesslich klingen seine Anfänge wie die vieler Fussballer. Und das stimmt auch. Doch die Betonung liegt auf Anfänge.
Der «falsche» Ehrgeiz
Nikci wähnte sich, nachdem er beim FCZ so schnell reüssiert hatte, auf der Überholspur. Er hatte das KV auf der Stadtverwaltung in Zürich abgeschlossen – und in seiner Begeisterung glaubte er: Jetzt kommt meine Zeit in der Bundesliga. Sorgen kannte er keine. Zu Recht, schien es. Hannover 96 rief 2012 mit einem schönen Lohn und einem Vertrag bis 2015. Eine Million Franken Ablöse zahlte 96 für ihn. Und beim Debüt erzielte er gleich sein erstes Tor für Hannover. Trainer Mirko Slomka vertraute ihm, prophezeite dem Schweizer eine grosse Zukunft.
Alles war gut – bis Ende September 2012. Bis der Tag kam, an dem er sich unwohl fühlte. Das Spiel gegen den HSV stand bevor, und Slomka versprach ihm: «Du bist von Anfang an dabei.» War er nicht. Nikci fuhr nämlich nicht ins Stadion, sondern ins Spital. Dort erschrak er bei der Diagnose: Hirnhautentzündung. «Ich dachte, ich habe eine Grippe», so der Ex-Fussballer. Zwei Wochen lag er im Spital, durfte nichts machen.
Nachher konnte er nach Hause gehen – und beging dann einen verhängnisvollen Fehler. Nikci fing überstürzt wieder mit dem Training an. Permanent litt er unter Kopfweh, hatte Mühe mit der Wahrnehmung, und zu allem Überdruss plagte er sich mit einer Speiseröhrenentzündung herum. Nikci sagt: «Ich konnte nicht richtig essen. Und ein Sportler, der nicht isst, funktioniert nicht.» Trotzdem habe er unbedingt spielen wollen.
Es war ein Teufelskreis für den damals 23-Jährigen. Nikci fühlte sich nicht fit, trainierte dennoch normal. Er musste Tabletten nehmen. Zunächst gegen den Schmerz, dann gegen die Speiseröhrenentzündung. Dabei sei er überhaupt kein Fan von Tabletten. «Ich versuchte, sie nur dann zu nehmen, wenn es gar nicht mehr anders ging», sagt er. Doch es wollte nicht mehr so wie vor der Hirnhautentzündung. Trotz des enormen Einsatzes und Willens.
«Ich habe den Körper überanstrengt», weiss er heute. Nikci spricht ruhig, im Zürcher Dialekt. Im Nachhinein wünschte er sich, dass er gebremst worden wäre. Mehrere Monate vollkommen pausiert hätte. «Ich wollte damals einfach wieder auf den Platz», sagt er. Aber er war getrieben vom Ehrgeiz, «vom falschen Ehrgeiz», wie er selber sagt. Und das erklärt vieles in der Geschichte eines Fussballers, der auf der Bühne der Bundesliga schnuppern durfte. Schliesslich aber nur vier Partien in dieser bestritt.
In einem Jahr heiratet er
Nach Hannover, Slomkas Nachfolger Tayfun Korkut versetzte ihn gar noch in die Reserve, suchte er einen Ausweg. Und nahm in Thun einen neuen Anlauf. Alles sollte besser werden bei seinem Jugendtrainer Urs Fischer. Das wurde es auch. Er machte seine sechzehn Spiele, legte drei Tore auf, schoss drei selber. Es folgte der Wechsel zu den Young Boys, später dann wieder nach Deutschland: in die 2. Bundesliga zu Nürnberg und Union Berlin.
Obwohl Nikci zu seinen Spielen kam, richtig fit, das war der Mann aus Uster lange nicht. Im Kopf sei er immer auf der Höhe gewesen, doch sein Körper bereitete ihm Probleme. «Er war nicht mehr der gleiche wie zuvor», so Nikci. Mit zuvor meint er: vor der Hirnhautentzündung.
Wer jetzt aber denkt, dass der 30-Jährige hadert, mit sich, seiner Karriere, seinem Schicksal, der liegt falsch. Komplett. Nikci gibt zwar ohne Umschweife zu, dass seine Karriere anders gelaufen wäre. Anders, wenn nicht die Erkrankung Ende September 2012 gewesen wäre. Aber er hat auch das Wissen, dass er sich in der Bundesliga durchgesetzt hätte. «Hundertprozentig», wie er sagt. Ebenso weiss er, dass er seinen Traum leben durfte. Nikci war Fussballprofi. «Das kann mir keiner nehmen. Ich bin stolz drauf», sagt er.
Und er hat ja viel erreicht. Den Schweizer-Meister-Titel, Champions und Europa League. Die 1. und 2. Bundesliga. Ebenso ist er gesund. Was vielleicht überhaupt das Wichtigste ist. «Ich freue mich auf die Zeit, die jetzt noch kommt», sagt er. Meint der Mann, der im August seine Karriere beim FC Schaffhausen beendete und dessen Geschichte eine andere ist. «Ich heirate nächsten Sommer, dann gründe ich eine Familie.»
Klingt nach einem guten Plan, den Adrian Nikci da hat.
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