Die Wiederauferstehung des RekordmeistersWährend eines Jahrzehnts nur ein Lichtblick – und jetzt das
Elf Jahre lang bewegten sich die Handballer von GC Amicitia Zürich in dem Bereich, aus dem Mannschaften absteigen. Jetzt sind sie Zweite. Wie kann das sein?
Was ist passiert, Herr Präsident? «Petr Hrachovec», antwortet Philip Hohl. «Der Trainer macht einen grossen Teil aus.» Nach einem düsteren Jahrzehnt mischen die Handballer von GC Amicitia Zürich erstmals wieder an der Spitze der Schweizer Liga mit.
Im Januar 2021 hatte Hrachovec den Tabellenletzten übernommen. Der Abstieg wurde abgewendet, was keine Selbstverständlichkeit war. «Er weiss, wie man das Potenzial der Spieler ausschöpft», sagt Hohl über den 48-Jährigen. «Ich stehe für Disziplin, Präzision, Sorgfältigkeit, Details und Tempospiel», erklärt der Tscheche. Er coacht impulsiv: «Es ist, wie wenn ich selbst spielen würde. Eigentlich bin ich sonst ja eher der ruhige Typ.»
Mit dem neuen Trainer stiess auch Sportchef Gabor Vass zu den Zürchern, gemäss Hohl ist der Ungar der zweite Grund für den Aufschwung. Sie stellten eine massiv veränderte Mannschaft zusammen, wobei Hrachovec viel Einfluss nahm. «Jetzt haben wir ein gutes, homogenes Team», nennt Hohl den dritten Grund, «darauf bauen wir auf.» Die vielen Neuen bewährten sich. Und dabei hat der Beste noch nicht einmal gespielt: Gabor Csaszar (37), bei den Kadetten Schaffhausen jahrelang der dominierende Spieler der Liga, liess einen Knorpelschaden im Knie operieren. Der Ungar dürfte ab Februar einsatzfähig sein.
Die neue Erfahrung
26 Meistertitel vereinen die Grasshoppers und Amicitia Zürich, seit 2009 aber gabs nichts mehr zu feiern. 2010 wurde die neue Spielgemeinschaft noch Zweite, dann gings finanziell und sportlich definitiv bergab. Das düstere Jahrzehnt des Rekordmeisters begann: Ein 6. Platz 2015 war der einzige vage Lichtblick, ansonsten bliebs in der Zehnerliga bei Rängen zwischen 7 und 10. Dreimal spielte man im Playout erfolgreich gegen den Abstieg, zuletzt auch im Frühling 2021 unter Hrachovec.
«Das war nicht das schönste Erlebnis, eine riesige Herausforderung», sagt der Tscheche zum Playout gegen Endingen, das 3:0 endete. Der Abstiegskampf war für ihn eine neue Erfahrung, bisher hatte er nur mit Mannschaften gearbeitet, die sich am anderen Ende der Tabelle aufhalten: ab 2008 zweimal für die Kadetten, drei Saisons an der Seite von Adrian Brüngger bei Pfadi Winterthur und zwei Jahre in Österreich beim HC Hard. Die Trainerbilanz des rechten Flügels, der einst auch bei den Rhein-Neckar Löwen in der Bundesliga spielte, ist beachtlich: viermal Meister mit Schaffhausen, einmal mit Hard, immerhin Cupsieger mit Pfadi.
Obwohl er der erfolgreichste Trainer der Kadetten ist, musste er zweimal früher gehen, als ihm lieb war. Nach drei Meistertiteln in Serie stieg er 2012 in seine fünfte Saison, sie endete bereits im Herbst, als er als Cheftrainer abgesetzt wurde. «Das hat mich getroffen und berührt», sagt er. Trotzdem kehrte er 2018 als Trainer nach Schaffhausen zurück, wo er mit der Familie wohnen blieb.
Die Kadetten holten unter ihm den elften Meistertitel und hätten 2020 sehr wahrscheinlich den zwölften angehängt, wäre die Saison nicht wegen Corona abgebrochen worden. Zu jenem Zeitpunkt war schon klar, dass sein Vertrag nicht verlängert wird. «Ich hätte gerne noch ein Jahr weitergemacht», sagt er.
Die schöne Momentaufnahme
Mit Nachfolger Adalsteinn Eyjolfsson verloren die Schaffhauser ein Jahr später den Playoff-Final gegen Pfadi 0:3. Die laufende Saison aber dominieren sie, führen ohne Punktverlust vor GC Amicitia – ähnlich deutlich wie 2010. Damals war Hrachovec Trainer der Kadetten, jetzt ist er es beim Zweiten aus Zürich.
«Die Momentaufnahme ist schön», sagt Hrachovec, «und wir können in Ruhe arbeiten.» Er sieht nach wie vor andere Teams vorne. «Zwischen 6 und 9 ist etwa unser Platz», meint er noch immer. «Wir wollen schrittweise nach oben.» Das primäre Ziel, das Playoff der Top 8, ist schon so gut wie erreicht. Hohl, der Präsident, rechnet mit einem Rang im Mittelfeld, aber: «In ein, zwei Saisons möchten wir in die Top 4, zurück an die nationale Spitze.»
Den nächsten Hinweis, wo GC Amicitia derzeit effektiv steht, liefert am Samstag das Spiel in Winterthur gegen Titelverteidiger Pfadi, der zum ersten Mal seit 2010 in der Tabelle hinter dem Kantonsnachbarn aus Zürich liegt.
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