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Französische Politik
Vorwürfe häuslicher Gewalt bei den Grünen und Linken 

Nach Missbrauchsvorwürfen ist Julien Bayou als Generalsekretär der französischen Grünen zurückgetreten.
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Als die französischen Grünen zum ersten Mal zu den Missbrauchsvorwürfen gegen ihren Generalsekretär Julien Bayou Stellung bezogen, taten sie das live im Fernsehen. Sie habe sehr lange mit einer Ex-Partnerin Bayous gesprochen, erzählte die Grünen-Abgeordnete Sandrine Rousseau in der vergangenen Woche auf dem Sender France 5. «Ich denke, es gab da Verhalten, das darauf abzielte, die seelische Gesundheit von Frauen zu brechen.»

Die Betroffene sei in einem so schlechten Zustand gewesen, dass sie versucht habe, sich das Leben zu nehmen. Rousseau sagte auch, es gebe weitere Frauen, die Vorwürfe gegen Bayou geäussert hätten. Nach dem Bekanntwerden der Anschuldigungen hatte Bayou zunächst sein Amt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender abgegeben. Am Montag trat er dann auch als Generalsekretär der Grünen zurück.

Potenzielle Hoffnungsträger

Es ist schon das zweite Mal innerhalb kürzester Zeit, dass ein Mitglied des französischen Linksbündnisses Nupes wegen häuslicher Gewalt in der Kritik steht. Beide Male handelte es sich um junge Männer und potenzielle Hoffnungsträger ihrer jeweiligen Partei.

In der vergangenen Woche war bereits Adrien Quatennens, Abgeordneter von La France Insoumise (LFI), von seiner Funktion als Koordinator der Partei zurückgetreten – nachdem er zugegeben hatte, seiner Ex-Frau «inmitten extremer Spannung und gegenseitiger Aggressivität» eine Ohrfeige gegeben zu haben. Das Paar habe sich zuvor gestritten und stecke in einer schwierigen Scheidung, erklärte der 32-Jährige. Zuvor hatte das Wochenmagazin Le «Canard Enchaîné» die Vorwürfe gegen ihn öffentlich gemacht. Quatennens Ex-Frau hatte von einer Anzeige abgesehen, die Staatsanwaltschaft ermittelt trotzdem.

Beide Fälle treffen die französische Linke und deren neues Bündnis Nupes schwer. Der Zusammenschluss, in dem unter anderem die Grünen und die extrem linke LFI vertreten sind, sollte Progressivität in die französische Politik bringen. Aber statt sich gegen Emmanuel Macrons geplante Reformen in Stellung zu bringen, sind zwei der wichtigsten Parteien nun erst mal mit sich selbst beschäftigt.

Hat seiner Ex-Frau eine Ohrfeige gegeben: Adrien Quatennens, Abgeordneter von La France Insoumise.

Die Vorwürfe häuslicher Gewalt passen für beide nicht ins Selbstbild. Sowohl La France Insoumise als auch die Grünen nehmen für sich in Anspruch, besonders für die Rechte von Frauen zu kämpfen. Sandrine Rousseau, die die Vorwürfe gegen Julien Bayou publik machte, ist eine der zentralen Figuren der französischen #MeToo-Bewegung. 2016 zeigte sie einen Parteikollegen wegen sexueller Belästigung an. In ihren Wahlprogrammen versprachen sowohl die Grünen als auch LFI, eine Milliarde Euro für den Kampf gegen sexualisierte Gewalt ausgeben zu wollen.

Allerdings eint die beiden Parteien auch, dass sie mit den Vorwürfen in ihren eigenen Reihen eher ungelenk umgehen. Der LFI-Gründer Jean-Luc Mélenchon, der als politischer Ziehvater von Adrien Quatennens gilt, nahm ihn nach den Vorwürfen zunächst in Schutz. Nach dessen Rücktritt beklagte er auf Twitter «die Böswilligkeit der Polizei» und «medialen Voyeurismus» und schrieb weiter, er begrüsse die «Würde» und den «Mut» Quatennens. Mélenchons Reaktion sorgte für viel Kritik, auch innerhalb der eigenen Partei.

Jetzt nennt Mélenchon die Ohrfeige «nicht akzeptabel»

Quatennens ist schon der dritte Politiker in diesem Jahr, der wegen angeblicher Übergriffe die LFI zu beschädigen droht. Im Mai hatte sich bereits der LFI-Kandidat Taha Bouhafs wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung aus dem Parlamentswahlkampf zurückgezogen, im Juli geriet der Abgeordnete Eric Coquerel in die Kritik. Gegen ihn ermittelt die Justiz wegen sexueller Belästigung und Gewalt. Seinen Posten als Vorsitzender des Finanzausschusses in der Assemblée Nationale hält er bis jetzt aber.

Was seinen Tweet zu Adrien Quatennens angeht, ist LFI-Gründer Mélenchon inzwischen etwas zurückgerudert. «Alle können etwas besser machen, auch ich», sagte er am Wochenende in einem Fernsehinterview. «Eine Ohrfeige ist nicht akzeptabel, keine Form von Gewalt ist akzeptabel in einer Beziehung.» Aber man müsse auch differenzieren: «Die Ohrfeige war vor einem Jahr, seitdem ist nichts mehr passiert, und man muss auch beachten, dass er sich entschuldigt hat.» Noch ist Quatennens weiterhin Abgeordneter der Partei.

Ist etwas zurückgerudert: Jean-Luc Mélenchon. 

Auch bei den Grünen rufen die Vorwürfe gegen den bisherigen Generalsekretär Julien Bayou Unruhe hervor. Bayou gilt als Vertreter des Realo-Flügels, Sandrine Rousseau, die die Anschuldigungen gegen ihn öffentlich machte, vertritt den linken Flügel. Ihren Vorstoss im Live-TV fanden nicht alle elegant. Viel mehr als das, was die grüne Politikerin im Fernsehen berichtet hat, ist von den Vorwürfen gegen Bayou nicht bekannt. Schon im Juli hatte er selbst thematisiert, dass die Anti-Sexismus-Kommission der Partei Vorwürfe gegen ihn prüfe – und mögliches Fehlverhalten bestritten. Es habe sich um eine «schwierige und schmerzhafte Trennung» gehandelt. Die Justiz ermittelt bislang nicht.

«Kafka im Zeitalter der sozialen Medien»

«Ich kann mich nicht verteidigen, solange man sich weigert, mir zuzuhören», schrieb Bayou am Montagvormittag in einem Statement zu seinem Rücktritt. «Das ist Kafka im Zeitalter der sozialen Medien.» Er trete von seinem Amt als Generalsekretär zurück, um Schaden von seiner Partei abzuwenden. Das stelle aber weder sein Mandat als Abgeordneter noch sein politisches Engagement infrage. Ihr Mandant habe «nie irgendeine Form von psychologischem Druck auf seine Partnerinnen» ausgeübt, sagte Bayous Anwältin bei einer Pressekonferenz am Montagnachmittag.

Noch in der vergangenen Woche hatten grüne Abgeordnete Bayou gestützt. Die aktuelle Situation erfordere keinen Rücktritt, schrieben sie in einem Communiqué. Doch dann wurden die Rufe nach einem Rücktritt Bayous lauter. «Es ist normal, dass man gerade von uns Beispielhaftigkeit erwartet», sagte eine Abgeordnete dem Sender Franceinfo. «Wir wollen einfach, dass die Zeugenaussagen ernst genommen werden, damit wir uns wieder auf die restliche Arbeit konzentrieren können.»