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Meinung

Vorschnelle Urteile auf Twitter und bei der NZZ

Laut dem Gericht hat Carola Rackete richtig gehandelt. Foto: Keystone
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Der Fall Carola Rackete zeigt, wie schnell ein Teil der Rechten bei migrationspolitischen Fragen ins Schäumen gerät. Typisch für die vielstimmige Empörung in den sozialen Medien war der Tweet des Zürcher SVP-Nationalrats Roger Köppel, wonach die deutsche Kapitänin zur Heldin geworden sei, weil sie «illegal» gehandelt und «im Namen der Moral» Gesetze gebrochen habe. Damit war der Frontverlauf gezeichnet. Auf der einen Seite standen angeblich Italiens Rechtsstaat, seine Gesetze und deren Hüter Matteo Salvini. Auf der anderen sogenannte Gutmenschen, die sich aus Idealismus, Verblendung oder Arroganz mit einer Kriminellen verbündet hatten.

Dieser Argumentation folgte auch die «Neue Zürcher Zeitung». Rackete sei «in einen italienischen Hafen eingedrungen«, was ein «unerhörter Rechtsverstoss und eine Missachtung, ja Verhöhnung der italienischen Staatsautorität» gewesen sei. Deutsche Prominente, Politiker und der deutsche Bundespräsident hätten sich mit ihren Solidaritätsadressen zugunsten Racketes an der Geringschätzung Italiens beteiligt.

«Pflichtsinn» stünde auch den Medien gut

Unerhört ist eher, dass ein Journalist solche Behauptungen in die Welt setzte, noch ehe die italienische Justiz über den Fall befunden hatte. Selbst einem juristischen Laien müsste klar gewesen sei, dass im Fall Rackete unterschiedliche, teils widersprüchliche und auch in sich selbst nicht immer eindeutige Gesetze und Rechtssysteme zählten: Das sogenannte Sicherheitsdekret des italienischen Innenministers Salvini, die italienische Verfassung, das internationale Seerecht, die Genfer Flüchtlingskonvention.

Die zuständige italienische Richterin hat nun nach den von den Rackete-Kritikern angerufenen rechtsstaatlichen Prinzipien entschieden. Sie kam zum Schluss, dass es gesetzeswidrig gewesen wäre, die Migranten nach Libyen oder Tunesien zu bringen, weil «es dort keine sicheren Häfen» gebe. Der Zusammenstoss zwischen der Sea Watch 3 und einem Schiff der italienischen Finanzpolizei während des Anlegemanövers am Hafen von Lampedusa sei ohne Absicht der Kapitänin erfolgt. Die NZZ hatte behauptet, Rackete habe ein «italienisches Patrouillenboot gerammt und dessen Besatzung gefährdet». Damit übernahm die Zeitung ungeprüft und abermals tatsachenwidrig die Sichtweise Salvinis.

Laut Urteil hatte die Kapitänin der Sea Watch 3 einen «Rechtfertigungsgrund», um sich über das Anlegeverbot im Hafen von Lampedusa hinwegzusetzen: Sie habe Menschenleben gerettet – und deshalb «aus Pflichtsinn» gehandelt. Den würde man im publizistischen Bereich und auf sozialen Medien auch jenen wünschen, die eilig irgendwelche Vorverurteilungen aussprechen.