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Gletschersturz in den Dolomiten
Suche nach Opfern nur mit Drohnen und Helikoptern möglich

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Nach dem Gletscher- und Lawinenunglück an der Marmolata in den Dolomiten wird die Suche nach weiteren Opfern seit Dienstagmorgen fortgesetzt. Wegen der Gefahr von weiteren Eis- und Felsabgängen beschränken sich die Arbeiten vorerst aber auf Überflüge des Gebietes mit Drohnen und Helikoptern, wie eine Sprecherin der Bergrettung schilderte.

Einsatzkräfte dürfen den Gletscherkegel nicht betreten. Nach dem Unglück vom Sonntag werden nun 13 Menschen vermisst. Sieben Tote wurden bestätigt. Zudem gab es acht Verletzte, die in einer Klinik der Provinz Belluno liegen. Die Bergretter befürchten, dass es Wochen oder sogar noch länger dauern könnte, bis alle Toten unter den Eis- und Geröllmassen lokalisiert und geborgen werden.

Die Lawine, die am Sonntagmittag etliche Alpinisten erfasst hatte, habe sich inzwischen festgesetzt und sei sehr hart geworden. Graben könne man nur mit technischem Gerät, was aber unter diesen Umständen nicht an Ort und Stelle gebracht werden könne, sagte Bergrettungschef Maurizio Dellantonio.

Begeherter Interviewpartner: Maurizio Dellantonio, der Präsident der italienischen Bergrettung, erklärt den Medien die schwierigen Verhältnisse auf de Gletscher.

Am Montag wurde eine weitere Leiche entdeckt, wie die Polizei in Trient bestätigte. Damit stieg die Zahl der Todesopfer auf sieben, acht sind verletzt. Am Montag waren es noch 14 Personen, die vermisst wurden. Angehörige hätten diese den Behörden gemeldet, weil sie keine Nachrichten mehr von ihnen erhielten.

Die Behörden suchten weiter nach den Haltern von vier Autos mit ausländischen Kennzeichen – darunter auch ein deutsches. Diese parkten auf dem Stellplatz, den in der Regel die Bergsteiger nutzen, die Richtung Marmolata-Gipfel wandern.

Dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) liegen nach Anfrage keine Informationen über Schweizer Opfer vor. Die Abklärungen seien aber noch im Gang. Das Schweizerische Generalkonsulat in Mailand sei in Kontakt mit den zuständigen Behörden vor Ort.

Keine Hoffnung auf Überlebende

Die Such- und Rettungsarbeiten am mehr als 3340 Meter hohen Berg auf der Grenze der Regionen Trentino-Südtirol und Venetien mussten wegen des schlechten Wetters unterbrochen werden. Ohnehin schickten die Einsatzkräfte keine Leute mehr direkt auf den Lawinenkegel, weil sie befürchteten, dass weitere Gletscherstücke wegbrechen könnten. Ein Brocken von 200 Metern Breite, 60 Metern Höhe und 80 Metern Tiefe hänge gefährlich über dem Abhang, teilte der Zivilschutz mit.

Der Gletscherbruch ist deutlich erkennbar. (4. Juli 2022)

Bevor sie wegen des Schlechtwetters vom Gletscher abgezogen wurden, lokalisierten die Drohnen am Vormittag Leichenteile und Material wie Seile und Rucksäcke, sagte Alex Barattin von der Bergrettung Belluno.

Es gebe aber praktisch keine Chance mehr, noch Überlebende unter den Eis- und Geröllmassen zu finden. Vielmehr dürfte nach Einschätzung der Bergungsteams die Identifizierung der Leichen schwierig werden in Anbetracht der Kräfte, mit der die Lawine die Leute erwischt hatte.

Für die Mittagszeit hatte sich Italiens Ministerpräsident Mario Draghi im Lagezentrum der Einsatzkräfte in dem Ort Canazei angekündigt, musste seine Anreise per Helikopter wegen des schlechten Wetters aber abbrechen. Er stieg stattdessen auf ein Auto um. Der 74 Jahre alte Regierungschef wollte sich mit dem Chef des Zivilschutzes über die aktuelle Situation informieren. In Canazei trafen am Montag erste Verwandte von Vermissten ein, um nach Informationen zu ihren Angehörigen zu fragen und die geborgenen Toten zu identifizieren. Auch eine Servicenummer für Angehörige wurde eingerichtet.

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi spricht im Lagezentrum in Canazei zu den Vertretern der Medien. (4. Juli 2022)

Staatschef Sergio Mattarella telefonierte mit den Präsidenten der beiden Regionen, um seine Anteilnahme auszudrücken, wie sein Amtssitz mitteilte. Auch andere Politiker drückten ihre Anteilnahme aus.

Papst Franziskus betete für die Opfer. «Die Tragödien, die wir gerade mit dem Klimawandel erleben, müssen uns dazu drängen, dringend neue menschen- und naturbewusste Wege zu finden», forderte das 85 Jahre alte Oberhaupt der katholischen Kirche bei Twitter.

«Die Erderwärmung frisst die Gletscher weg»

Nach Einschätzung von Klimaexperten und Gletscherforschern ist das Unglück auch auf die steigenden Temperaturen zurückzuführen. Diese lassen die Gletscher immer weiter schmelzen und bröckeln; wegen des geringen Niederschlags in diesem Winter fehlte Schnee, der den Gletscher zusätzlich vor der Sonne hätte schützen können.

Auch der Extrembergsteiger Reinhold Messner hat eine Erklärung für das Unglück und war nicht überrascht. «Der Hauptgrund ist die Erderwärmung und der Klimawandel. Diese fressen die Gletscher weg», sagte der 77-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Reinhold Messner, italienischer Extrembergsteiger, hat schon 14 Achttausender erklommen. (Archivbild)

An den Abbruchkanten der Gletscher bilden sich dann sogenannte Eistürme – Seracs genannt – «die so gross sein können wie Wolkenkratzer oder Häuserzeilen», erklärte Messner. Vorfälle wie an der Marmolata «werden wir häufiger sehen», prognostizierte er, denn «heute gibt es viel mehr Fels- und Eisabbrüche als früher». Der Südtiroler, der als erster Alpinist alle 14 Achttausender der Welt bestiegen hatte, kennt Seracs, etwa aus dem Himalaya. Er mahnt, Touren auf Eis nur mit Bergführer zu machen. 

«Die globale Erwärmung kommt aus den Ballungszentren und Städten, von den Autobahnen und Fabriken», sagte Messner. «Aber wir in den Bergen merken sie, schon seit 30 Jahren sehen wir mit blossem Auge, wie die Gletscher schmelzen. Dazu muss man kein Wissenschaftler sein.»

Und diese können dann furchtbare Folgen haben wie am Sonntag auf dem Massiv an der Grenze zwischen den Regionen Trentino-Südtirol und Venetien. Der sichtlich geschockte Bergretter Luigi Felicetti berichtete von dem Einsatz: «Als wir vor Ort ankamen, bot sich uns ein unglaubliches Bild. Überall lagen Eisblöcke und riesige Steine.»

Die Nachrichtenagentur Ansa zitierte Ermittler, wonach sich an dem Berg ein «unvorstellbares Blutbad» abgespielt habe, nach dem «es schwer sein wird, die Identität der Opfer festzustellen, denn die Körper wurden zerstückelt» von den Eis- und Steinbrocken.

SDA/AFP/red