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Der fliegende Holländer
Vor vier Wochen war er noch ein Nobody

«Jetzt reite ich diese Welle und sehe, wohin sie mich trägt.» Tim van Rijthoven nach dem achten Sieg in Serie.
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«Come on, Tim!», riefen die Fans auf Court 12 immer wieder. Jahrelang war das der Schlachtruf in Wimbledon, als die Briten sehnlichst auf den ersten Heimsieg seit Fred Perry 1936 warteten. Doch Tim Henman enttäuschte die Hoffnungen immer wieder, scheiterte viermal im Halbfinal. Der neue Tim im All England Club ist Holländer, und an seinen Nachnamen muss man sich zuerst gewöhnen: Van Rijthoven. Wobei man das «ij» als «ei» ausspricht.

Wer den 25-Jährigen noch nicht kennt, dem sei die Ignoranz verziehen. Denn vor vier Wochen war Van Rijthoven noch ein Nobody. Da hatte er noch kein Spiel im Haupttableau eines ATP-Events gewonnen und war gerade in der Qualifikation zum Challenger-Turnier von Surbiton an der Weltnummer 375 (Otto Virtanen) gescheitert. Dann bekam er eine Wildcard für das Heimturnier in ’s-Hertogenbosch, und seitdem hat er achtmal in Serie gewonnen.

In ’s-Hertogenbosch schlug er auf dem Weg zum Titel unter anderem Taylor Fritz (ATP 14), Felix Auger-Aliassime (9) und im Endspiel Daniil Medwedew (2). «Du musst dich ziemlich gut fühlen», scherzte der Russe danach auf dem Platz. «Das erste Mal bist du an einem ATP-Turnier dabei, und dann zerstörst du gleich die Nummer 2 der Welt im Final in zwei Sätzen. Ein fantastischer Match von dir, weiter so!»

Nun gegen Djokovic

Der Aussenseiter nahm sich die Worte des Russen zu Herzen und hat sich in Wimbledon, erneut mit einer Wildcard angetreten, in den Achtelfinal gespielt. Dabei schlug er mit Reilly Opelka (18) und Nikoloz Basilashvili (26) zwei weitere Top-30-Spieler, nun fordert er am Sonntag Novak Djokovic. Er gab zu, dass er von diesem Duell geträumt habe, als die Auslosung herauskam, und sagt: «Ich steige in jedes Spiel mit der Einstellung, dass ich es gewinnen kann. Also auch gegen Djokovic.»

Aber wie kann es sein, dass ein 25-Jähriger, der zuvor auf der Profitour noch nichts gewonnen hatte, plötzlich so gross aufspielt? «Für mich macht der Kopf den Unterschied», sagt er. Der positive Vibe an seinem Heimturnier in ’s-Hertogenbosch habe ihn beflügelt, «jetzt reite ich diese Welle und sehe, wohin sie mich trägt». Zudem spiele er sehr gerne auf Rasen.

Von Verletzungen geplagt

Van Rijthoven war kein Ausnahmetalent, schaffte es an den Junioren-Grand-Slams nur einmal in den Viertelfinal (2014 in Wimbledon) und auf Rang 13. Seit er 2015 Profi wurde, tingelte er meist auf Ranglistenpositionen zwischen 200 und 400 herum. «Ich hatte meine Höhen und Tiefen und einige Verletzungen. Auch mental habe ich mit mir gekämpft», sagt er. Dreimal fiel er länger aus wegen Verletzungen: Er hatte eine Handgelenkoperation, einen Eingriff wegen einer verschlossenen Arterie (wie Ritschard) und einen Tennis-Ellbogen.

Sein märchenhafter Durchbruch zeigt, wie gering der Unterschied zwischen den Top-300-Spielern und den Besten ist. Zumindest, was das Tennis angeht. Ein Challenger-Turnier gewann Van Rijthoven nie, in den letzten beiden Jahren verlor er unter anderem gegen Dominic Stricker (zweimal), Alexander Ritschard, Henri Laaksonen und Marc-Andrea Hüsler. 

Seit dem Durchbruch am US Open 2021 läuft es ihm: Botic van de Zandschulp.

Van Rijthoven könnte für die Schweizer, die sich auf der ATP-Tour etablieren möchten, eine Inspiration sein. Manchmal braucht es nur ein richtig gutes Turnier, damit es klick macht. Wie bei Van Rijthovens Landsmann Botic van de Zandschulp, der sich im letzten Herbst am US Open als 25-Jähriger und Qualifikant bis in den Viertelfinal gegen Medwedew spielte und seinen Höhenflug seitdem weitergezogen hat. Momentan die Nummer 25 der Welt, ist auch er in Wimbledon immer noch dabei.

Am US Open wusste damals noch kein nicht niederländischer Journalist, wie man seinen Namen ausspricht. Bei seinem Twitter-Account hat er nun oben in seinem Feed ein Video angeheftet, in dem er es vormacht. Das Wichtigste: «sch» wird als «s-ch» ausgesprochen. Inzwischen hat man sich auf der Tour an den 1,88-Meter-Mann gewöhnt. Er spielt auf allen Belägen recht konstant, erreichte schon am Australian Open und in Roland Garros die dritte Runde.

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«Das US Open gab mir definitiv viel mehr Vertrauen in mein Spiel», sagt Van de Zandschulp. «Und ich gewöhnte mich daran, über drei Gewinnsätze zu spielen. Ich bin nun ruhiger und sage mir: Wenn es im ersten Satz nicht geklappt hat, habe ich noch genug weitere Chancen. Das gefällt mir.»

Er kostet sein neues Leben aus, das ihn nicht mehr an die zum Teil exotischen Destinationen der Challenger-Tour führt, sondern nach Miami, Monte Carlo oder Rom. «Ich reise mehr, aber ich komme auch an schönere Orte», sagt er. In Rom blieb er noch etwas länger, um mit seiner Freundin die Stadt zu erkunden. Das Kolosseum und die Spanische Treppe beeindruckten ihn.

Orange in Wimbledon: Die Holländer bringen auch auf den Rängen Farbe ins Spiel.

Van Rijthoven und Van de Zandschulp wandeln in Wimbledon auf den Spuren von Richard Krajicek, dem einzigen holländischen Grand-Slam-Champion. Dieser gewann 1996 als Ungesetzter Wimbledon und unterbrach damals die Siegesserie von Pete Sampras, der vorher dreimal und nachher viermal siegte. Van de Zandschulp war bei Krajiceks Coup neun Monate alt, Van Rijthoven noch gar nicht geboren.

Van Rijthoven geniesst es sichtlich, im Spotlight zu sein. Van de Zandschulp hat auch schon die negativen Seiten seiner Bekanntheit kennen gelernt: «Früher war es am intensivsten, wenn ich an Turnieren war, in Holland konnte ich mich ausruhen. Jetzt ist es noch anstrengender, wenn ich zu Hause bin, weil ich so viele Anfragen habe. Das Interesse am Männertennis ist in Holland explodiert.» Daran ist er mitschuldig.

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