Bund veröffentlicht BlödelvideosVon «peinlich» bis «lustig» – das sagen Teenies zur BAG-Impfkampagne
Mit Fail-Videos auf Instagram und TikTok will der Bund junge Menschen zum Impfen motivieren. Kann das funktionieren? Wir haben nachgefragt.
Mutig sind sie ja, die Jungen. Aber nicht immer besonders vernünftig. Das halten sie dann auch gern auf Video fest. «Hier ist ein Mensch, der Angst davor hat, sich impfen zu lassen», steht in einem diese Woche veröffentlichten Clip. Zu sehen ist ein junger Mann, der sich ein Vulkan-Feuerwerk in den Hosenschritt gestopft hat und in die Kamera grinst. «Really?», wird just in dem Moment eingeblendet, als die Funken plötzlich unkontrolliert in sein Gesicht sprühen und er panisch versucht, das Feuerwerk zu löschen. «Lasst euch impfen», lautet die Forderung, dann: «Die Impfung ist viel sicherer als eine Infektion mit dem Coronavirus. Und braucht deutlich weniger Mut, als sich einen Feuerwerkskörper in die Hose zu stecken.»
Mit Blödelvideos wie diesem will das Bundesamt für Gesundheit (BAG) Jugendliche von der Corona-Impfung überzeugen und sie dabei noch unterhalten. Denn so erreicht man sie am ehesten, sagt sich wohl das BAG. Die drei kurzen, humorvollen Clips sind seit Dienstag auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, Tiktok, Snapchat und Youtube zu sehen. Das Motto der Impfkampagne: «Weniger clever als eine Corona-Impfung».
Jugendliche weisen tiefste Impfquote auf
Denn die Clips zeigen verschiedene, vor allem unter jungen Erwachsenen beliebte Social-Media-Challenges, die regelmässig viral gehen und für grosse Belustigung sorgen. Weniger bekannt ist, dass solche Experimente auch zu ernsthaften Verletzungen führen können. Deshalb zeigt das BAG nebst dem Feuerwerkfiasko auch andere Stunts: Ein Mann lässt sich in einem Clip von einem Laufband auf Kakteen fallen. In einem anderen wagt sich ein Pärchen an die sogenannte Zimt-Challenge, bei der man versucht, einen Esslöffel voll trockenem Zimtpulver zu schlucken.
Die Impfung ist nicht nur risikoarmer, sondern auch sinnvoller als solche Gags, scheint das BAG sagen zu wollen. Damit will das BAG der impffaulen Jugend auf verspielte Art und Weise die Angst und die Bedenken vor dem Piks nehmen.
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Laut BAG-Kampagnenleiter Adrian Kammer will man mit der neuen Impfkampagne Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 30 Jahren ansprechen.
Doch erreicht die Kampagne ihr Zielpublikum überhaupt? Und wenn ja, wie kommt sie an? Schaffen es die Fail-Videos, Jugendliche von der Impfung zu überzeugen? Oder haben junge Erwachsene womöglich andere Ideen, wie man zum Impfen motivieren könnte?
Die Jungen «machen, was sie wollen»
Der 19-jährige Alexis Graf ist zwar schon geimpft, er weiss aber nicht, ob diese Spots ihn von der Impfung überzeugt hätten. Gesehen hat er die Kampagne auf Social Media noch nicht. Grundsätzlich findet er die Videos aber gut: «Es steht, was man machen muss, und ich finde es lustig.» Zudem zögen die Videos Aufmerksamkeit auf sich. Es sei aber schwierig, die Jungen von der Impfung zu überzeugen, da sie meistens «das machen, was sie wollen». Ob die Clips die Meinung von jemandem über die Corona-Impfung ändern könnten, bezweifelt er.
Sein Kollege Casper Schucan findet die Fail-Videos einen «kreativen Versuch», seinen Geschmack hätten sie jedoch nicht ganz getroffen. «Grundsätzlich stimme ich der Botschaft aber zu», sagt der 18-Jährige, der ebenfalls geimpft ist. Die Videos hätten ihn persönlich aber nicht zur Impfung bewegt. «Ich schaue lieber statistische Daten an», erklärt Casper. «Die haben mich dann auch relativ schnell davon überzeugt. Die zeigen, dass es funktioniert, und dann glaube ich auch daran.»
«Ich finde es peinlich, weil sie uns indirekt sagen, dass wir uns impfen lassen müssen.»
Auch er schätzt es schwierig ein, jungen Menschen die Impfung schmackhaft zu machen. Seiner Meinung nach liegt das Problem, dass sich zu wenig Leute impfen lassen, jedoch weder beim BAG, noch höre es dort auf. «Grundsätzlich sehe ich die Schwierigkeit eher darin, dass man im Moment keinen guten Weg hat, Menschen beizubringen, was gute Quellen sind und wem man vertrauen kann», sagt Casper.
Kritischer sieht es die 17-jährige Susanne Willi. Sie empfindet die Kampagne als anbiedernd: «Ich finde es peinlich, weil sie uns indirekt sagen, dass wir uns impfen lassen müssen.» Die Kampagne überzeuge sie nicht. Trotzdem wird sie sich impfen lassen, wegen der Zertifikatspflicht. «Ich möchte gern in Restaurants und ausgehen», sagt Susanne Willi.
BAG blickt bange auf den Herbst
Über die Gedanken hinter der Impfkampagne sagt Kammer: «Uns war klar, dass man Jugendliche dort abholt, wo sie sich aufhalten und wo sie kommunizieren, also auf Social Media.» So habe man zum einen das Medienkonsumverhalten der Jungen angeschaut. Zum Zweiten sei man den «Phänomenen und Trends im Internet» nachgegangen, welche Inspirationen zur Kampagnenidee geboten hätten. Doch es sollen sich nicht nur Jugendliche angesprochen fühlen. Sondern auch «jeder, der schmunzeln muss».
Laut Kammer gibt es vor allem bei den jungen Erwachsenen noch Potenzial für eine höhere Durchimpfungsrate. Schliesslich infizieren sich Jugendliche aktuell am häufigsten und weisen zudem die niedrigste Impfquote auf. Bei den unter 19-Jährigen sind laut dem BAG nur 21 Prozent vollständig geimpft, bei den 20- bis 29-Jährigen sind es rund 46 Prozent.
Es sei klar, dass die Impfquote bei den Jungen noch tiefer sei, weil sie sich erst später hätten impfen lassen können, sagt Kammer. Nach dem Impfstartschuss für Personen ab 12 Jahren sei es jetzt aber ein guter Zeitpunkt, die jungen Erwachsenen direkt anzusprechen, sie zu informieren und zu sensibilisieren. «Auch im Hinblick auf den Herbst und die kühlere Jahreszeit, in der man sich vermehrt in Innenräumen aufhält, ist der Zeitpunkt nun richtig.» Und wenn es die Kampagne nicht richtet, kann man immer noch auf die jugendliche Vernunft hoffen.
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