Kolumne «Miniatur des Alltags»Von befreienden und lästigen Winden
Wenn der Herbst ins Land zieht, wirds stürmisch. Leider ahmt der Mensch die Natur nach.
Plötzlich ging es schnell. Von einem Tag auf den anderen haben sich die Kastanienbäume, unter denen ich in Stäfa morgens auf das Schiff nach Wädenswil warte, ihres Blätterkleids entledigt. Nachgeholfen hat ein Herbststurm, der die braunen und trockenen Blätter von den Ästen fegte. Das hilft dem Baum, besser durch den Winter zu kommen. Ohne Auflagefläche kann ihm der Schnee nicht zur erdrückenden Last werden. Kluge Natur.
Warum kann der Wind nicht auch Probleme wegblasen? Zum Beispiel das Coronavirus, das nicht nur die Gesundheit, sondern auch schon den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet. Wie schön wäre es, nach einer stürmischen Nacht aufzuwachen und alle im Jubel vereint zu sehen: Liberty Day, es ist vorbei, die Krise ist überstanden.
Aber derzeit bläst ein anderer Wind an allen Ecken. Es sind die mir so verhassten Laubbläser. Für mich sind sie der Inbegriff des Sankt-Florians-Prinzips. Das Problem wird nicht gelöst, sondern auf andere geschoben. Vom Trottoir vor der Tür eine Hausnummer weiter oder einfach auf die Strasse blasen.
Am meisten ärgert mich bei den Laubbläsern die Lautstärke in unangenehm hoher Tonlage. Wie zum Hohn wappnet sich der «Saubermacher» mit einem Hörschutz, während die Umgebung dem schrillen Heulen ungedämpft ausgesetzt ist.
Wie beruhigend wirkt im Vergleich dazu das sonor kratzende Wischgeräusch der Besen, mit denen die Arbeiter des Strassenunterhalts Stäfa die Blätter unter den Kastanienbäumen am Schiffsteg zusammenkehren. Zugegeben, liebend gern würde ich in einem unbemerkten Moment die aufgetürmten Haufen mit den Füssen wieder durcheinanderwirbeln. Sie wissen schon, das Kind im Mann. Aber ich hüte mich, weil ich befürchte, dass die Männer beim nächsten Mal radikal zum Laubbläser greifen würden.
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