Voller EinsatzEr brennt und rennt für die Feuerwehr
Dominik Nussbaum will junge Leute für die Feuerwehr begeistern. Deshalb macht er in kompletter Uniform an Volksläufen mit – bis zur totalen Erschöpfung.
Firefighters mit gestählten Oberkörpern werben in den USA oder Australien als Kalenderboys für die Feuerwehr. Halb nackt posieren? Keine Option für Dominik Nussbaum. Der 20-jährige Feuerwehrmann aus dem zürcherischen Niederhasli zieht sich lieber an als aus: In Vollmontur samt Atemschutzgerät am Rücken startet er an Volksläufen, um so auf die Brandbekämpfer aufmerksam zu machen.
Seine Motivation: Dominik Nussbaum will Frauen und Männer ermutigen, sich der Freiwilligen Feuerwehr anzuschliessen. In einem Appell im Amtsblatt der Gemeinde Niederhasli richtet er sich an die «Bürgerinnen und Bürger»: «Wir brauchen dringend weitere Mitglieder, um die Effektivität und Einsatzbereitschaft unserer Feuerwehr zu gewährleisten und zu optimieren.» Jeder und jede sei willkommen, alle könnten einen wertvollen Beitrag für die Sicherheit in Niederhasli leisten. Für alle gebe es einen passenden Job. Sein Aufruf endet «mit feurigen Grüssen».
Die Feuerwehren in der Schweiz bestehen zu 99 Prozent aus Milizlern, Frauen und Männern, die sich in ihrer Freizeit für die Brandbekämpfung einsetzen. 77’650 Personen engagierten sich 2023 bei der Feuerwehr, 88 Prozent davon Männer, wobei der Anteil an Frauen stetig zunimmt. Gemäss Statistiken steigen die Einsätze der Freiwilligen Feuerwehr, die Zahl der Feuerwehrleute hingegen sinkt seit Jahren. Nicht nur im Zürcher Unterland, schweizweit ist man dringend auf Nachwuchs angewiesen.
Beat Hirter, Präsident des kantonalen Feuerwehrverbandes Zürich, sagt: «Es ist nicht mehr wie früher, als jeder als erstes Hobby die Feuerwehr wählte.» 365 Tage im Jahr rund um die Uhr auf Bereitschaft zu sein, das schrecke viele ab. Kommt dazu, dass nicht jeder Arbeitgeber so grosszügig sei und seinen Mitarbeiter bei jedem Alarm losrennen lasse.
Bald am Steuer des TLF
Dominik Nussbaum brennt für die Feuerwehr, war schon als kleiner Knirps «Blaulicht-begeistert», wie er sagt. Mit 13 trat er der Jugendfeuerwehr bei, seit dem 18. Altersjahr ist er bei der Ortsfeuerwehr Niederhasli, zuständig für den Schutz von über 1800 Objekten und gegen 9500 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Mit Enthusiasmus präsentiert er sein Feuerwehrdepot, stellt jedes Einsatzfahrzeug vor, das Verkehrsauto, die mobile Einsatzzentrale mit Flipchart an Bord, den Mannschaftstransporter, das Sanitätsfahrzeug und schliesslich das grösste: das Tanklöschfahrzeug, kurz TLF. Hier fährt der «Schnellangriff» mit, der 100 Meter lange Schlauch, «wie mans aus ‹Chicago Fire› kennt». Auch das TLF wird er demnächst fahren können, die Lastwagenprüfung ist in Sichtweite – ein Bubentraum wird wahr.
Er führt durch die Mannschaftsgarderobe, alles hat seinen Platz, die Socken stecken schon in den Stiefeln, und weiter in den kargen Aufenthaltsraum. Hier folge nach getaner Arbeit das gemütliche Beisammensein. Geselligkeit ist wichtig, «zäme höckle, es Bierli trinke», 50 Männer, 10 Frauen, «vom Bürogummi bis zum Bauern», Schweizer und Ausländer, alle Alter, «wir habens lustig zusammen».
Firefighter Nussbaum ist überall einsetzbar. Mit 20 sei er voll im Saft. Noch ist er als Soldat auf der untersten Stufe der Hierarchie. Doch es geht zügig die Leiter hoch, schon ist er auf dem Weg zum Unteroffizier. Abseits von der Feuerwehr arbeitet der Gymi-Absolvent im Sicherheitsdienst, im Herbst wird er die Ausbildung zum Physiotherapeuten beginnen.
Die muskulösen Arme kommen vom Hanteltraining, unter dem T-Shirt blitzt ein Tattoo, der Kopf seines Schäferhundes Fanto. Um den Hals baumeln allerlei Schlüssel. Und immer, wirklich immer, trägt er Pager und Natel auf sich. Nussbaum ist stets auf Pikett, allzeit bereit. Tag und Nacht. Der Alarm könnte jederzeit losgehen, und er ist zur Stelle – das weiss auch Freundin Yara, damit muss sie leben.
Innerhalb von zehn Minuten nach Eingang eines Notrufs soll die Brandbekämpfung mit zehn Mann am Ort des Geschehens sein, das ist die Vorgabe der Feuerwehr-Koordination Schweiz. Angehörige der Feuerwehr müssen also in der Nähe des Stützpunktes wohnen. Und die Arbeitsstelle sollte höchstens eine halbe Stunde entfernt sein. Dominik Nussbaum wohnt noch im Elternhaus, doch auch seine eigene Wohnung wird in unmittelbarer Nähe des Feuerwehrdepots liegen, auch damit muss Yara leben.
Nicht alle lieben die Feuerwehr
Wie viel Zeit er denn für die Feuerwehr opfere? «Also opfern ist schon mal das falsche Wort», sagt er und schmunzelt. Zwei bis drei Übungen im Monat. Dazu kommen die Einsätze. Die Feuerwehr ist da, wo es brennt. Am häufigsten aber rücke man wegen Verkehrsunfällen aus, Verkehrsregelung, Ölspuren beseitigen, sagt Nussbaum.
Tatsächlich macht die eigentliche Brandbekämpfung heute nicht mehr den Hauptanteil der schweizweit rund 84’000 Einsätze pro Jahr aus. Immer mehr stehen sogenannte technische Hilfeleistungen im Vordergrund, beispielsweise Rettungen von Personen aus Liftanlagen, Fahrzeugbergungen oder Tierrettungen. Sowie der Kampf gegen Hochwasser, Unwetter oder Stürme, solche Elementarereignisse nahmen in den letzten Jahren deutlich zu: 2023 im Vergleich zum Vorjahr gar um 71 Prozent.
Mit dem Sold – im Schnitt zahlen die Gemeinden 50 Franken pro Einsatzstunde – könne er seine Steuern bezahlen, sagt Dominik Nussbaum. Weit lockender als das Geld ist jedoch der Nervenkitzel: «Wir rennen da rein, wo andere rausrennen», zitiert er seinen Lieblingssatz. Die Feuerwehr ist kein Kegelclub, da könne es schon mal brenzlig werden: «Wir riskieren unser Leben für andere.»
Alle lieben die Feuerwehr. Gemäss Umfragen geniessen Feuerwehrleute am meisten Vertrauen, weit vor Krankenpflegern, Ärzten und Polizisten. «Das hört man gern», sagt Nussbaum. Aber: «Sobald wir den Verkehr regeln, hat man uns nicht mehr so gern.» Beschimpfungen, selbst Tätlichkeiten, müssten sie sich von ungeduldigen Automobilisten gefallen lassen. Und dann die Gaffer! «Jeder will zuvorderst sein. Noch bevor der Notruf gewählt wird, werden Fotos und Videos gemacht.»
Joggen mit 18 Kilo Ausrüstung
Freitagabend waren die Handykameras auf den rennenden Feuerwehrmann gerichtet: Nussbaum startete am ausverkauften «Hasli Night Run», seinem Heimlauf. 2022 machte er hier erstmals auf sich und die Feuerwehr aufmerksam. Damals musste er Lehrgeld zahlen: Nussbaum schaffte es zwar über die Ziellinie, fiel dann aber in Ohnmacht. Die Hitze war selbst für den Firefighter zu viel.
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Zwölf Volksläufe pro Saison zählt der «ZKB Zürilauf Cup», inzwischen wird der kuriose Läufer vom Veranstalter gar gesponsert, zum Beispiel mit einem Gratisparkplatz. Dominik Nussbaum bestreitet nur jene Rennen, die Distanzen über maximal sechs Kilometer anbieten. Mehr liegt nicht drin, denn: «Joggen kann jeder, aber nicht jeder kann mit 18 Kilo Ausrüstung joggen.»
Wobei nicht das Gewicht, sondern der Wärmestau das Problem sei. Die Uniform ist feuer- und wasserfest, dazu Handschuhe, Nackenschutz und Helm, die einzige Öffnung ist im Gesicht. Und dann noch das klobige Atemschutzgerät, das bei jedem Schritt in den Rücken schlägt.
Aber wenn schon, denn schon, «es gibt keine Feuerwehr light», sagt er, «ich gehe auch nicht mit offener Jacke ins Feuer». Freitagabend schaffte er die fünf Kilometer trotz Vollmontur in guten 35 Minuten und 20 Sekunden, seine persönliche Bestzeit. «Alles lief reibungslos», jubelt er nach dem «Hasli Night Run», «ich bin weder kollabiert noch sonst etwas.» «Run for Fun» heisst seine Kategorie. Danach siehts bei Nussbaum eher nicht aus. Aber sein Einsatz soll ja auch zeigen, dass die Feuerwehr bereit ist, wenns ernst wird.
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